Der Leiter der Landesmusikschule St. Johann, Martin Rabl, über das Schul-Jubiläum, über besondere Momente und mehr.

Man schrieb das Jahr 1993, als man Martin Rabl zum Leiter der Musikschule St. Johann bestellte. Gegründet wurde die Schule bereits im Jahr 1968.
Martin erinnert sich an seine Anfänge in „Sainihåns“: „Die größte Herausforderung bestand darin, den Begriff der Schule in den Vordergrund zu stellen und den Lehrplan mit entsprechendem Ernst, auch seitens des Lehrkörpers, voranzutreiben“, erzählt er schmunzelnd. Ein Jahr später, 1994, wurden die Musikschulen St. Johann, Fieberbrunn und Kössen zur Landesmusikschule St. Johann zusammengefasst. Sein erster Auftrag habe gelautet, die Schulen und insgesamt elf Mitgliedsgemeinden* unter einen Hut zu bringen. Keine leichte Aufgabe, denn nicht alle Gemeindevertreter waren damals von der Zusammenlegung begeistert. „Im ersten halben Jahr war viel Überzeugungsarbeit zu leisten.“ Das Ziel, das sich der heute 60-Jährige selbst setzte, waren neue Räumlichkeiten für den Standort St. Johann, die er innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren realisieren wollte. „Es hat dann elf Jahre gedauert, aber das passt auch“, sagt er lächelnd. Es ist ein wehmütiges Lächeln, denn die Musikschule platze schon wieder aus allen Nähten, verrät er. Die Nachfrage nach musikalischer Ausbildung ist enorm: Unterrichtete man bei der Zusammenlegung vor 30 Jahren noch 328 Schülerinnen und Schüler, stieg die Zahl in den folgenden Jahren sprunghaft an und hält sich nun auf dem hohen Niveau von 1.200 bis 1.300 SchülerInnen.

Die Musik wird weiblich

Früher waren die Mädchen in der Musikschule in der Unterzahl, heute stellen sie zwei Drittel. „Die Buben suchen oft den Wettbewerb, sie wollen ihre Kräfte körperlich mit anderen messen. Die Mädchen sind offensichtlich empfänglicher für das Musische“, meint Martin. Das zeigt sich auch später: Immer mehr Mädchen und Frauen erobern sich ihren Patz in der örtlichen Musikkapelle. „Vor vierzig Jahren habe ich im Ausschuss in Itter noch meine Gefechte geführt, damit die ersten Damen aufgenommen wurden. Heute wäre eine Kapelle ohne Musikantinnen undenkbar, der weibliche Anteil wächst ständig.“ Martin weiß das so genau, weil er 40 Jahre lang die Musikkapelle seines Heimatorts Itter dirigierte. Er studierte Trompete am Konservatorium in Innsbruck und wechselte danach an das Mozarteum Salzburg, um dort das Konzertfachdiplom abzulegen. Die staatliche Lehrbefähigungsprüfung legte er am Tiroler Landeskonservatorium ab und unterrichtete in der Folge an der Musikschule Innsbruck und Landeck.
1993 dann der Wechsel nach St. Johann. „Sainihåns“ kannte er bis dahin eigentlich nur vom Durchfahren. „Wenn ich vom Studium in Salzburg heimgefahren bin und sich bei St. Johann der Talkessel aufgetan hat, diese Weite mit den Wiesen und Feldern, dann ist mir das Herz aufgegangen. Das Gefühl, wieder daheim zu sein, hat in St. Johann angefangen“, erzählt Rabl. Dass er hier einmal leben und eine Familie gründen würde, war damals freilich noch nicht absehbar.

Ein Herz für Alte Musik

Neben seiner Tätigkeit als Schulleiter und Lehrer für Trompete und Flügelhorn war Martin Rabl Ende der 80er- und in den 90er-Jahren auf der ganzen Welt als Musiker unterwegs. Sein hauptsächliches Instrument war die Naturtrompete, ein Vorläufer der heutigen Trompete, die bis Ende des 19. Jahrhunderts gespielt wurde. Eingesetzt wird das Blechblasinstrument in der Alten Musik, also jener Musik, die vom frühen Mittelalter über die Renaissance bis zum Spätbarock entstand. „In der Alten Musik liegen die Wurzeln aller weiteren Musikrichtungen und sie enthält oft so viel Himmlisches und Geniales in der reinsten Form“, schwärmt Martin.
Mit einer Gruppe junger Enthusiasten, den „Innsbrucker Trompeterbuam“, spielte er Konzerte und Tourneen in Europa, in den USA und Japan, er musizierte in der Wiener Akademie und später im bekannten Ensemble für Alte Musik „Concentus Musicus Wien“ auch unter Stardirigent Nikolaus Harnoncourt.
Mit der Familiengründung – er bekam mit seiner Frau Mariela, einer Pianistin, zwei Kinder – blieb nach und nach jedoch immer weniger Zeit für die „Ausflüge“ in die Alte Musik. Er konzentrierte sich auf seine Arbeit in der Musikschule.

Neue Herausforderungen

Als Musiker übte Martin Rabl selbst viel und oft. Wie sieht es mit der Übungsmoral bei den jungen Leuten heute aus? Jene sei bei einem kleinen, ehrgeizigen Kreis enorm hoch, das Gros der Schülerinnen und Schüler habe jedoch viele andere Hobbys. „Die tun sich schwer, alles unter einen Hut zu bekommen. Das zeitliche Fenster, in dem wir unterrichten können, wird immer enger.“ Ein Problem seien in diesem Zusammenhang auch die schlechten Busverbindungen in Richtung Kössen und Fieberbrunn. „Abends kommen unsere Schüler:innen mit den Öffis kaum mehr heim.“
Ein Thema ist auch die Konzentrationsfähigkeit, die bei den Kindern und Jugendlichen ganz allgemein spürbar abgenommen hat. Das Erlernen eines Instruments wirke dem aber entgegen und fördere die Konzentration, so der Musikschulleiter.
Gestiegen sei hingegen die Ausbildung des Lehrkörpers, es gebe an der Schule ganz hervorragende Lehrer:innen. Martin will niemanden hervorheben – „das wäre ungerecht“. Junges Personal für den Standort St. Johann zu gewinnen, sei aber nicht leicht – es fehlt an leistbaren Wohnmöglichkeiten. Hoffnungsfroh stimmt die Tatsache, dass dort und da schon der eigene Nachwuchs aus der Schule in die Fußstapfen seiner Lehrer:innen tritt.

Glücksmomente

Auch wenn es viele Herausforderungen gibt und Martin immer wieder mit seiner Gesundheit zu kämpfen hat, liebt er seinen Beruf. Momente, die für alles entschädigen, liefern die Kinder: „Es ist einfach wunderschön zu verfolgen, wie sie sich entwickeln, wie sich ihre Musikalität entfaltet. Das geht weiter über die Schule hinaus.“ Einzelne Abgänger:innen seien international erfolgreich, darüber freue er sich natürlich sehr, er wolle aber auch hier niemanden hervorheben. Ein absoluter Glücksmoment war für ihn jener, als letztes Jahr zum ersten Mal in der Geschichte der Landesmusikschule das schuleigene Streichorchester­ ein Konzert im Kaisersaal gab. Davon habe er immer geträumt, so Martin. Denn als er 1993 in der Musikschule seine Arbeit aufnahm, wurde dort kein einziges Streichinstrument unterrichtet. Manchmal braucht es eben etwas länger, bis Wünsche in Erfüllung gehen. Was am Ende zählt, ist der Applaus …
Doris Martinz