Dir. Mag. Anita Aufschnaiter über die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage und die Situation im Tourismus allgemein.
Was fällt einem zu den Wörtern „Tourismus“ und „Fachkräfte“ ein? Der Fachkräftemangel, ganz klar. Die Medien sind voll von Berichten, die die Thematik ansprechen und sich dabei am liebsten der Farben von mittelgrau bis schwarz bedienen. Dabei gibt es durchaus auch positive Nachrichten. Zum Beispiel die, dass die Absolventinnen und Absolventen der Tourismusschulen Am Wilden Kaiser in St. Johann während ihrer Praktika in den Tourismusbetrieben überwiegend positive Erfahrungen machen. Dass sie in Betrieben und Schule eine international angesehene Ausbildung absolvieren und danach meist hoch motiviert ins Berufsleben einsteigen. „Es liegt an den Unternehmen, das Potential, das unsere jungen Leute mitbringen, zu nützen,“ meint die Direktorin der Tourismusschulen, Mag. Anita Aufschnaiter. „Man muss den Begeisterungsfunken zünden und weiter pflegen, das tun wir in der Schule. Draußen in den Unternehmen darf man dann die Kerze nicht erlöschen lassen.“
Sie selbst brennt für ihre Arbeit. Über 20 Jahre lang hat sie an den Tourismusschulen in ihrem Heimatort unterrichtet und ist nun seit vier Jahren Schulleiterin. Mit ganzem Herzen. Wenn sie von den jungen Menschen spricht, die sich in „ihrer“ Schule auf das Leben und den Beruf vorbereiten, leuchten ihre Augen. Ihr Glaube an das Entwicklungspotential von Jugendlichen ist unerschütterlich, sagt sie selbst. Egal, ob mehr oder weniger begabt – alle machen ihren Weg, und sie ist stolz auf jede und jeden, der das Haus verlässt – mit Know-how im Gepäck, das auf der ganzen Welt Türen und Tore öffnet. Und es werden immer mehr SchülerInnen: Obwohl es in Österreich aufgrund des Geburtenrückgangs viel weniger 14-Jährige gibt, wachsen die Zahlen an – einzigartig in Österreich.
Dass die Ausbildung, auch die praktische in den Betrieben, passt, beweisen interne Umfrageergebnisse, die der Direktorin gerade ganz druckfrisch vorliegen. Sie belegen, dass 80% der etwa 300 befragten Praktikantinnen und Praktikanten ihre Stelle in den Betrieben, in denen sie 2019 gearbeitet haben, mit „Sehr gut“ bis „Gut“ bewerten. Nur zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler stellen ihren Ausbildnern kein gutes Zeugnis aus – die Gründe dafür sind unterschiedlich, wie die sehr aussagekräftig und umfassend beantworteten Fragebögen belegen.
Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, später im Tourismus zu arbeiten, antworteten 33% mit einem „Ja“, 54% mit „vielleicht“ und nur 14% mit „Nein“. „Darin liegt ein großes Potential für die Arbeitgeber“, unterstreicht Aufschnaiter.
Wie sieht sie die Prognosen für die Zukunft? „Ich denke, dass die Arbeitgeber das Problem jetzt hinlänglich erkannt haben und bei den wichtigsten Punkten wie Arbeitszeiten und Entlohnung ansetzen werden. Langfristig bekommen die „dunkelgrauen“ Schafe vermutlich kein Personal mehr.“ Aufschnaiter weiß auch, was es für ein gutes Arbeitsumfeld braucht: „Wenn Dienstpläne gut geschrieben werden, ist vieles möglich. Es geht ganz viel um Wertschätzung, um Kooperation mit dem Mitarbeiter und auch um Vertrauen. Ich glaube, da ist gerade ein Umdenken da.“
Was kommt nach der Schule?
Interessant ist auch, wie viele der Absolventinnen und Absolventen nach erfolgreicher Ausbildung an den Tourismusschulen tatsächlich in der Branche arbeiten. Nach der dreijährigen Hotelfachschule mit Schwerpunkt Gastronomie verfügen sie über eine abgeschlossene Lehre als Köche und Restaurantfachleute. Sie sind also begehrte Fachkräfte. Davon machen zirka ein Drittel Karriere im Tourismus, die anderen besuchen den Aufbaulehrgang mit Matura oder orientieren sich beruflich weiter, da sie zahlreiche Anrechnungen auf andere Lehrberufe haben.
Viele übernehmen später, nachdem sie – oft international – in der Hotellerie und Gastronomie gearbeitet haben, den elterlichen Betrieb oder machen sich selbständig.
Nach dem dreijährigen Aufbaulehrgang mit Matura studieren auch viele Absolventen an einer Fachhochschule oder Universität – das reicht vom Eventmanagement bis hin zu Wirtschaft und Medizin, durch die vielfältige Ausbildung stehen alle Berufswege offen.
Die fünfjährige, höhere Bundeslehranstalt für Tourismus hat ihren Schwerpunkt in den Fremdsprachen. Ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen bleibt sofort im Tourismus, durch die profunden Sprachkenntnisse häufig auch im Ausland; später kehren sie dann meist wieder nach Österreich zurück. Zwei Drittel studieren, sie widmen sich touristischen Vertiefungen, internationalen Studienzweigen, der Wirtschaft, Jus, etc.. Ihr Berufsfeld liegt meist im mittleren und später höheren Management. „Drei Absolventen haben ein Lehramtsstudium gemacht und unterrichten jetzt bei uns“, freut sich Aufschnaiter.
Dass rund ein Drittel aller Abgänger auch der Höheren Bundeslehranstalt im Tourismus bleibt, sieht sie als sehr positiv, denn das Ausbildungsspektrum ist breit. Für die Schulleiterin ist es natürlich auch in Ordnung, dass viele studieren. „Unsere Abgänger finanzieren sich das Studium oft prächtigst“, sagt Aufschnaiter und lacht. Dank ihrer Ausbildung sind sie gefragte Fachkräfte, die sich ihre Jobs in den Ferien aussuchen oder ihr Taschengeld auch an den Wochenenden aufbessern können.
Aufschnaiter erinnert sich an ihre eigene Ausbildung zur Pädagogin, als sie selbst in der Gastronomie arbeitete, allerdings als Hilfskraft eingestuft wurde. „Hätte ich diese Ausbildung gehabt, hätte ich das Doppelte verdient.“ Die jungen Leute, die St. Johann als fertige Touristiker verlassen, haben auf jeden Fall das Zeug, Karriere zu machen. In der Region oder auch international. Die Schulleiterin freut sich über jeden, der seinen Weg findet. Gerne denkt sie zum Beispiel an den Englisch-Unterricht mit ihrem einstigen Schüler und späteren Kollegen Aldo Sohm zurück. Er absolvierte in St. Johann die Hotelfachschule, wurde Sommelier-Weltmeister und führt heute eine der berühmtesten Wine-Bars in New York. Anita Aufschnaiter ist also nicht nur eine engagierte Direktorin, sondern war wohl auch eine gute Englisch-Lehrerin. Auf jeden Fall ist sie eine, der die jungen Menschen am
Herzen liegen …
Doris Martinz