Seit 1. September 2021 ist „Don Rupi“ Kooperator in der Pfarre St. Johann. Ein Gespräch über Glaube, Hoffnung und Liebe. Und noch mehr …
Als ich Don Rupi frage, wo wir uns treffen wollen, kommt die Antwort unverzüglich und ohne nachzudenken: „Im Huber Bierturm!“ „Da taugt’s mir“, sagt er dann, als wir dort sitzen. Natürlich bestellen wir ein Bier, und bevor wir es antrinken, sprechen wir noch ein Vaterunser. Zugegeben: Das ist dann doch etwas ungewohnt für mich. Wenn ich jedes Mal, wenn …, dann … aber lassen wir das. Das Gebet, so erfahre ich gleich in den ersten Minuten, ist für den jungen Priester die Essenz seines Glaubens. „Beten ist für mich wie nach Hause kommen. Ich brauche viel Gebet, sonst funktioniere ich nicht.“ Und funktionieren muss der 31-Jährige, denn seine Aufgaben in der Pfarrgemeinde sind vielfältig: In seinen Bereich fallen die Betreuung der Firmlinge, Erstkommunikanten und Ministranten, das Zelebrieren von Heiligen Messen in Altersheimen, Pflegeheimen und im Krankenhaus sowie in Oberndorf. Der junge Kooperator hat ganz schön viel um die Ohren. „Ja, als Priester ist man schon gut gefordert, es braucht viel Augenmerk und Fingerspitzengefühl. Du gibst viel von dir selbst. Und musst über das Gebet mit dem Herrn verbunden sein, sonst handelt das Ego.“ Jenes zurückstellen und sich der Führung des Herrn anvertrauen – auch das ist etwas, was ihm sehr wichtig ist. Wie kommt er eigentlich zu seinem Namen? „Rupi“ als Abkürzung für Rupert leuchtet ein, aber was bedeutet das „Don“? „Ich war ein halbes Jahr in Frankreich, um meine Dissertation fertig zu schreiben. Viele Priester dort haben italienische Wurzeln und tragen das „Don“ vor dem Vornamen. Das hat mir gefallen. Denn hier wissen die Leute oft nicht, wie sie mich ansprechen sollen: „Herr Pfarrer“ ist mir zu unpersönlich, nur der Vorname zu salopp. Der Name Don Rupi soll eine Brücke bauen. Ob er sich bewährt, weiß ich noch nicht.“
Beim Jugendtreffen kommt alles ins Rollen
Zur Welt gekommen ist der Neupriester Rupert Santner als drittes von sieben Kindern, die auf einem Bauernhof in Mariapfarr im Lungau aufwachsen. „Sieben Kinder, sechs Kühe“, erzählt er schmunzelnd. Seine Eltern bewirtschaften die 10 Hektar große Landwirtschaft, sind engagierte Direktvermarkter – und tief gläubig. Damit will der junge Rupi in der Pubertät vorerst nichts zu tun haben – bis zu jenem katholischen Jugendtreffen in der Steiermark, das er im Alter von 13 Jahren besucht: „Da habe ich den Glauben entdecken dürfen. Das hat mein ganzes Leben verwandelt.“ Wie erlebt man das, wenn man den Glauben entdeckt, wie spürt man das? „Zuerst habe ich mir gedacht, die sind alle narrisch. Aber dann habe ich mich eingelassen auf das Gebet, und Gott hat mein Herz mit so viel Liebe und Freude gefüllt, dass ich das Gefühl hatte, es platzt gleich. Ich konnte es fast nicht ertragen, so intensiv war das Empfinden.“ Ein Jahr später empfängt Rupert am selben Ort die Berufung zum Priester. „Ich sagte: Herrgott, wenn du willst, dann werde ich ganz ein kleiner Priester, nur für dich. Mit dem Gedanken hatte ich so eine Freude, ich hätte die ganze Welt umarmen können.“ Es geht dann aber doch alles nicht so schnell.
Der Weg zum Priestertum
Rupert absolviert zuerst einmal die HTL in Kuchl – eine „wilde“ Zeit, wie er sagt, eine, in der er als Musikant (Harmonika, Gitarre und Tenorhorn) viel unterwegs ist, mit der Gruppe „Die jungen Lasaberger“ eine eigene CD aufnimmt, kein Feuerwehrfest auslässt und auf jeder Hochzeit (und manchmal auf mehreren zugleich) tanzt. Rupert ist ein echter Hansdampf in allen Gassen, so sagt man wohl – für jede Gaudi und so manchen Blödsinn zu haben. Nach dem Schulabschluss bricht er gemeinsam mit einem Freund zu einer „erweiterten“ Maturareise auf: Sie kaufen gemeinsam ein Auto, um damit nach Indien zu fahren. Der Weg führte durch Ungarn und Rumänien in die Türkei und endet an der Grenze zum Iran, wo man sie nicht passieren lässt. Nach einem Abstecher nach Georgien fliegen die beiden schließlich nach Indien, wo Rupert viel am Grab der Heiligen Mutter Theresa betet. In den Weihnachtstagen des Jahres 2010, mitten im Elend der Slums von Kalkutta, sagt Rupert innerlich Ja zum Weg des Priestertums. „Ich konnte das lange nicht, ich hatte immer das Bild eines großen Felsens vor Augen und das Gefühl, er wäre zu groß für mich, würde mich erschlagen, mich überfordern. Aber als ich endlich Ja sagte, war der Felsen weg, und über mir ein blauer Himmel voller Freiheit, Freude und Leichtigkeit.“
Zurück aus Indien, absolviert Rupert seinen Zivildienst in der Pfarre Pöllau/Pöllauberg und beginnt im September 2011 das Studium an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz. Er plant, ein oder zwei Semester am „International Theological Institute“ in Trumau zu verbringen, um sein Englisch zu verbessern und die Seminarmethode näher kennenzulernen – und bleibt, macht hier 2016 seinen Abschluss. Darauf folgen der Eintritt ins Priesterseminar in Salzburg und der Start mit dem Doktorat in Innsbruck. „Für die Ausbildung bin ich aktuell jeden Tag am meisten dankbar“, sagt Don Rupi. 2020 wird er zum Diakon geweiht, am 29. Juni 2021 weiht Erzbischof Franz Lackner Rupert Santner im Dom zu Salzburg zum Priester.
„Unglaubliche“ Momente
Damit habe sich seine Beziehung zu Gott, welche lange schon so eng ist, noch einmal verändert, beschreibt Don Rupi. „Da ist eine unglaubliche Intimität, die Beziehung ist jetzt noch viel sensibler.“ Er vergleicht es mit der Verbindung zwischen Mann und Frau: „Wenn man verheiratet ist, wird die Beziehung noch einmal intensiver und besonders. So ist es auch mit dem Priestertum.“ Eine tägliche Stunde Anbetung und Betrachtung der Heiligen Schrift helfen ihm, die Beziehung in der Intensität aufrecht zu erhalten. Begreift er sich nun als Teil Gottes? „Das ist eine schwierige theologische Frage“, sagt Don Rupi nachdenklich und nimmt einen Schluck aus dem Bierglas. Als Priester sehe man sich als Gottes Werkzeug, quasi als seine ausführende Hand, erklärt er. Damit ist das Priestertum etwas Unauflösliches. Ein Priester bleibt Priester, kann seine Berufung nicht einfach wieder zurücklegen – selbst wenn er das wollte. Wie auch die Ehe, die vor Gott geschlossen wurde, nicht mehr aufgehoben werden kann.
An ein Aufheben seines Bündnisses mit dem Herrn denkt Don Rupi freilich in keinster Weise. Er hält mit Inbrunst Heilige Messen, feiert Eucharistie und nimmt die Beichte ab. Letzteres nehme ihn manchmal sehr mit, wie er gesteht. „Ich weine manchmal genauso viel wie die Leute, die zum Beichten kommen. Dann brauchen wir zwei Schnäuztücher, eines für den Beichtenden, und eines für mich.“ Es sei ganz unglaublich, was der Herrgott in den Herzen der Menschen bewege. „Die Menschen, auch Psychologen, kommen irgendwann an ihre Grenzen. Aber wenn der Herrgott uns die Freiheit schenkt, eine neue Perspektive und die Gnade der Umkehr, wenn er wieder einkehrt ins Herz und ins Leben, dann ist das wunderschön mitzuerleben.“
In der kurzen Zeit, in der Rupert Priester ist, ist er jeden Tag Zeuge der „unglaublichsten Momente“ geworden. „Ich glaube, im ersten Monat des Priestertums habe ich mehr Höhepunkte erlebt als andere Menschen in ihrem ganzen Leben.“
Und doch hat auch er bereits viele schwierige Phasen und innere Kämpfe überwinden müssen. „Natürlich war auch ich schon unglücklich verliebt und habe andere Krisen erlebt, Sachen, die zu Herzen gehen. Gott hilft immer.“
Don Rupi und das Zölibat
Wie steht Don Rupi zum Zölibat? Er habe viele verheiratete byzantinische Priester kennengelernt und die Vor- und Nachteile, die damit verbunden sind, so Rupert. Er sehe das Zölibat als unglaubliches Geschenk für den Priester und die ganze Gemeinschaft. Eines, das natürlich auch große Herausforderungen mit sich bringe. Aber: „Du musst es in Gnade leben, dann wird es wirklich fruchtbar.“ Man sei mit dem Zölibat auf jeden Fall nicht weniger Mann, betont Rupert, ganz im Gegenteil: „Es ist ja nicht so, dass man die Vaterschaft nicht lebt, man tut es in einem viel größeren Sinn. Eigentlich ist das Zölibat die Vervollkommnung der Männlichkeit. Ein Mann, der seine Männlichkeit an den eigenen Bedürfnissen orientiert, korrumpiert sie ja – oft geht es dabei um Macht oder lediglich darum, die sexuellen Bedürfnisse auszuleben.“ Auf jeden Fall sei die Aufhebung des Zölibats kein geeignetes Mittel, um dem Priestermangel entgegenzuwirken. „Die Scheidungsraten bei den verheirateten Pastoren ist die höchste in allen Berufsgruppen.“
Macher und Betender
Schon lange, bevor Rupert Priester wurde, war er sehr aktiv, vor allem auch in der Berufungspastoral – also bei der Frage, an welchem Platz uns Gott sieht, wie wir unser Leben mit ihm gestalten können. Er arbeitete bei Medienprojekten mit, bei einer Videokampagne, war Choreograf und Regisseur bei sechs Theater- und Musicalprojekten. Er ist Initiator des „Vocation Music Award“ (lädt Musiker und Interpreten ein, Lieder zum Thema Berufung einzureichen) und bringt seine Talente wie die Musik überall ein, wo sie gebraucht werden. Er ist ein Macher. Und zugleich ein Betender. „Mein Tun ist immer defizient. Wenn Gott nicht hilft und leitet, gelingt nichts. Deshalb ist es wichtig, zu beten und auf Gottes Führung zu vertrauen.“
Nichts ist Rupert so wichtig wie das Gebet: „Ich freue mich jeden Tag auf die Zeit mit dem Herrgott, ich lebe für die Beziehung mit ihm.“
In den nächsten zwei bis drei Jahren wird Don Rupi in St. Johann in Tirol bleiben. Er freut sich auf die Begegnung mit den Menschen, auf eine starke christliche Gemeinschaft. Und auf das Skifahren. Er hat auch schon ein Auge auf die Volkstanzgruppen geworfen, in seiner Heimat ist er ja immer noch Mitglied. Bestimmt wird er dann und wann zeigen, was er alles „drauf hat“ am Parkett- und in manch anderen Bereichen. Wir sind gespannt!
Doris Martinz