Nach seinem fünften Platz bei der EM in Russland greift Kletterer Julian Wimmer heuer nach der Teilnahme an der Jugendweltmeisterschaft in den USA.

Der 16-jährige St. Johanner wohnt derzeit in Innsbruck – weil Leistungssport und Schulausbildung hier einfacher unter einen Hut zu bringen sind. In den letzten Jahren pendelte Julian für das Klettertraining mehrmals die Woche in die Landeshauptstadt, jetzt absolviert er seine 20 bis 24(!) wöchentlichen Trainingsstunden direkt vor Ort und besucht das Leistungssportgymnasium BORG Innsbruck. Ein toughes Programm für einen so jungen Sportler. „Das geht schon“, meint er bescheiden.
Aufhorchen ließ Julian im Mai 2021 mit dem fünften Platz bei der U18-Kletter-Europameisterschaft in Perm im Herzen von Russland. Die Stadt selber war wohl kein Hit („eher grausig, alles grau in grau, das Essen war auch nicht gut“), aber der fünfte Platz in Julians Lieblingsdisziplin „Lead“ machte das mehr als wett. Eine kurze Erklärung für Kletterlaien wie mich: In der Disziplin „Lead“ geht es darum, innerhalb einer vorgegebenen Zeit auf der Route an der 18 Meter hohen Kletterwand so weit hinauf wie möglich zu gelangen. Beim „Speedklettern“ zählt, wer eine Wand am schnellsten erklimmt, beim „Bouldern“ in Absprunghöhe gilt es, innerhalb eines Zeitlimits schwierige Bahnen so schnell wie möglich zu meistern.
In Perm klappte es auch beim Bouldern gut, hier schnitt Julian mit dem neunten Platz ab. Dass es gleich bei seiner ersten EM so gut laufen würde, hatte der junge St. Johanner nicht zu träumen gewagt: „Weil das ja mein erster richtig großer Bewerb war, und da ist es gleich volle abgegangen!“

In der Kletterhalle „aufgewachsen“

Auch wenn die Platzierung überraschend kam, Zufall war sie keiner. Julian ist nämlich quasi in der Kletterhalle in St. Johann aufgewachsen. Im Alter von vier Jahren setzte er – gemeinsam mit seinem Vater und seiner Schwester, die auch sehr gut klettern – seine ersten Griffe an der Wand. Als Mitglied des Kletterteams Wilder Kaiser sammelte er bald Wettkampferfahrung, so richtig „ernst“ mit dem Leistungssport wurde es aber erst, als Julian 14 Jahre alt war. Vor zwei Jahren schaffte er zum ersten Mal die Aufnahme in den österreichischen Nationalkader. Eine Verletzung am Finger (das Schlimmste, was einem Kletterer passieren kann) erzwang eine dreimonatige Pause, aber danach kletterte Julian besser als je zuvor.
Rückschläge und Niederlagen seien generell etwas Wichtiges, so Julian. „Weil man stärker wird!“
Was fasziniert den jungen Mann dermaßen am Klettersport, dass er dafür so viel Training und die Trennung von der Familie auf sich nimmt? „Man lernt beim Klettern immer etwas Neues, es wird nie langweilig“, sagt er. Dabei kommt es im Klettersport nicht nur auf die körperlichen Voraussetzungen an, die Julian ohne Zweifel mitbringt. Es braucht auch viel Technik, Konzentration und Ausdauer, also mentale Stärken – nicht nur Kraft.
Aber auch Julian erlebte schon Momente, in denen er alles hinschmeißen wollte. Zum Beispiel dann, „wenn du in der Qualifikation im Halbfinal gut bist, und dann im Finale schlecht, weil der Fuß abrutscht. Eine Kleinigkeit kann dich weit zurückwerfen.“ Nur wer mit solchen Situationen umgehen kann, hat das Zeug, es bis ganz an die Spitze zu schaffen.

Die USA in Reichweite

Heuer will sich Julian für die Europameisterschaft und für die Jugendweltmeisterschaft in den USA qualifizieren – es schaut bis jetzt ganz gut aus. Ende Februar starten die Bewerbe in Österreich, im April die internationalen. „Schauen wir einmal, wie die Saison wird“, meint er noch ganz entspannt. Julians größter Traum ist es, irgendwann bei einer Weltmeisterschaft auf dem Podium zu stehen und sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Julian wird ihn erklimmen – Griff für Griff.

Doris Martinz