Jürgen Marbach gehört der Bietergemeinschaft an, die Anteile an den Bergbahnen St. Johann erworben hat. Warum man ihn einst den „Gottschalk für Arme“ nannte, was ihn jung hält und mehr.

Eigentlich wollte es Jürgen Marbach, 63, in Zukunft ja gemütlicher angehen. Der Chef des Hotels „Kaiserfels“ bei den Eichenhofliften hat sich vor 14 Jahren in St. Johann ein Haus gekauft und lebt seitdem in der Marktgemeinde. Dieser Umstand bringt mit sich, dass er nun häufig zwischen St. Johann und Düsseldorf hin und her pendelt. Er besitzt noch weitere Hotels an der Ostsee und auf dem Hochkönig und hält mehrere Beteiligungen und Anteile an diversen Unternehmen. Und jetzt gehört ihm auch noch ein Teil der Bergbahnen St. Johann. „Ich hab’ mir das im Leben nie träumen lassen, dass ich einmal mit einer Bergbahn was zu tun haben würde. Ich hatte als Anrainer und Hotelier ja Bezugspunkte, aber dass ich je in eine Gesellschafterrolle schlüpfen würde, war nicht absehbar“, erklärt er bei unserem Gespräch in der „Rockbar“. Um uns herum wuselt es an diesem Tag Anfang März (der Tag der ersten Bergbahn-Generalversammlung) nur so von Skifahrern, die im Lokal Platz nehmen oder es durchqueren, um es sich auf der Terrasse in der Frühlingssonne gutgehen zu lassen. Die Betriebsamkeit zaubert dem Chef ein Lächeln auf die Lippen.
Wie bekannt, bekam Anfang dieses Jahres die Bietergemeinschaft rund um die Pletzer-Gruppe den Zuschlag für die rund 68 Prozent der Anteile an den Bergbahnen St. Johann. Zur Bietergemeinschaft gehören neben Pletzer auch die MIC-Marbach-Group und Autobus Oberbayern.

Wie fand dieses Dreiergespann eigentlich zusammen?

Jürgen Marbach erzählt, er sei  – als Hotelbesitzer, angetrieben von ureigenstem Interesse – im Februar 2021 bei Toni Pletzer vorstellig geworden, um jenen eventuell für die Übernahme der Bergbahnen-Anteile zu gewinnen. Dass er selbst dabei eine Rolle spielen sollte, daran war nicht gedacht. Als er Toni Pletzer, den er bis dahin nur vom Hörensagen kannte, seinen Laptop zum Studium der Unterlagen überließ, sagte jener zuerst einmal nichts, sondern scrollte auf und ab und machte sich auf einem Blatt Papier Notizen. Nach einigen Minuten wendete er den Blick vom Bildschirm ab, blickte Marbach in die Augen und sagte: „Jürgen, das ist eine gute Geschichte, das machen wir!“ Marbachs Einwand, dass er selbst sich eigentlich ja nicht beteiligen wollte, ließ Pletzer nicht gelten. „Ohne dich mach’ ich es nicht“, stellte er klar. Pletzer beschloss außerdem, auch Nico Schönecker von Autobus Oberbayern mit ins Boot zu holen. Somit hatte man einen erfahrenen Bergbahner im Team, einen Hotelier vor Ort und „einen, der uns die Busse vollmacht“, erklärt Marbach lachend. Der Deal wurde an Ort und Stelle mit Handschlag besiegelt. „Andere brauchen dafür vielleicht fünf Leute in der Strategieabteilung, wir hatten das in drei Minuten.“ „Und jetzt hamma den Salat“, setzt Marbach nach einer kurzen Pause scherzend nach. Zur Bergbahn sei er gekommen wie die Jungfrau zum Kinde …

Vom Reiseleiter zum LTU-Gesellschafter

Zwischen den drei Männern, die sich zuvor gar nicht oder kaum kannten, ist inzwischen eine Freundschaft gewachsen. Was das Miteinander so einfach macht: „Wir sind alle drei Unternehmer und können unsere Entscheidungen frei treffen, wir sind nicht von irgendwelchen Gremien oder einer Bank abhängig. Es macht einfach Spaß, auf dieser Basis gemeinsam etwas anzugehen.“
Marbach selbst beschäftigt in seiner Gruppe in Deutschland und Österreich zirka 450 MitarbeiterInnen. Er komme eigentlich aus dem Tourismus, erzählt er, und dahin sei er wiederum nur deshalb geraten, weil er bei einer Klausur durchgefallen war. So kam es, dass Marbach in jungen Jahren auf einem Kreuzfahrtschiff anheuerte, sich die Welt ansah, auf dem Kreuzer den Reiseleiter gab und das Bordradio moderierte. Aufgrund seiner ausgeprägten Entertainer-Qualitäten nannte man ihn damals den „Gottschalk für Arme“. Marbach schmunzelt, als er davon berichtet. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem großen Showmaster kann man ihm nicht absprechen. Vom Schiff kam Marbach über Umwege zur Fluglinie LTU, deren Geschäftsführer und schlussendlich Gesellschafter er wurde. 2008 verkauften er und sein Partner die Flug­linie an die Air Berlin. Im selben Jahr suchte Marbach sich ein schönes Plätzchen zum Leben und fand es in St. Johann – froh, nach all den Aufregungen rund um die LTU („Darüber könnte man einen Wirtschaftskrimi schreiben!“) nicht mehr im Fokus der Medien zu stehen.

Ausnahmeerscheinung

Dass Marbach das Hotel „Kaiserfels“ baute, begrüßte man im Ort sehr. Dass er kein Einheimischer ist, nahm man in Kauf. „Klar, ich bin der Deutsche. Ich bin der, der zugezogen ist. Der Toni veräppelt mich ja auch immer“, sagt Marbach mit Augenzwinkern zu Toni Pletzer, der sich (die Generalversammlung hat sich inzwischen aufgelöst) zu uns an den Tisch gesetzt hat.
„Na, du gehörst zu uns“, sagt Pletzer. Und an mich gewandt: „Ich muss ehrlich sagen, ich mag nicht jeden Deutschen, aber er ist eine Ausnahme. Ein super Bursch, solche muss man bei uns erst finden.“ Marbach wehrt bescheiden ab. Pletzer habe ihn unter Zugzwang gestellt, so der Neo-Bergbahner. Wenn jener noch Vollgas gebe, könne er ja nicht gut bremsen. „Das vermehrte Rotweintrinken schon am Nachmittag, das findet jetzt halt erst in zehn Jahren statt“, scherzt er.
„Ach was, wir sind Unternehmer, das ist unser Leben. Wir blühen auf, wenn wir etwas angreifen, und das dann aufgeht“, so Pletzer. Hätte die Bank nicht mitgespielt, hätten die drei den Deal auch ohne Finanzdienstleister durchgezogen, erklärt Marbach. Wiewohl er dem heimischen Partner, der Raiffeisenbank St. Johann, Rosen streut: „Bei Sebastian Seiwald fühlen wir uns wirklich sehr gut aufgehoben, und wir schätzen das Vertrauen, das man uns entgegenbringt.“

Es steht einiges an

Es gebe viel zu tun bei der Bergbahn, so Marbach. Das Unternehmen sei nicht reich, es sei viel investiert worden, die Bergbahn habe Verbindlichkeiten. „Wir müssen sie rentabel hinbekommen!“
Der Verantwortung, die eine Beteiligung an der Bergbahn mit sich bringe, ist sich Marbach durchaus bewusst. „Die Bergbahn ist im Ort Infrastruktur Nummer eins, da hat man auch Verpflichtungen in der Gemeinde und gegenüber anderen Betrieben.“ Bereiche, denen man sich nun widmen müsse, seien unter anderem der Sessellift Jodlalm (nicht mehr zeitgemäß), die Tal­abfahrt von der Jodlalm zum Harschbichl (muss beschneit werden), die Harschbichlbahn selbst (technisch zwar einwandfrei, aber digital nicht am letzten Stand der Dinge), die Hochfeldlifte (nicht rentabel, weil personalintensiv) und einiges mehr. Ein Problem, das man angehen müsse, sei auch die Parkplatzsituation: „Da ist die Zusammenarbeit mit der Gemeinde gefragt.“
Schon bald wird man überall – bei den Liften, im Internet, beim Schriftverkehr – auf das neue Logo der Bergbahn stoßen, Sinnbild für die neue Ära des Unternehmens. Eine Ära, die Marbach viel zusätzliche Arbeit beschert. Eine, die dem Ehemann, Vater von vier Kindern und zweifachen Opa aber auch unheimlich viel Spaß bringt. „Ich arbeite viel mit jungen Leuten zusammen, das hält jung!“, sagt er. Die Energie, mit der er das sagt, lässt keine Zweifel aufkommen. Und von der Erfahrung, die er als Unternehmer gemeinsam mit seinen Partnern einbringt, wird die Bergbahn mit ziemlicher Sicherheit profitieren …

Doris Martinz