Dieter Pirchmoser kam vor ein paar Jahren aufs Krippenbauen. Was ihn daran fasziniert, welchen Stil er bevorzugt und mehr.
Dieter öffnet mir die Tür zu seinem Zuhause, und schon im Flur empfangen mich die ersten Weihnachtskrippen. Es sind ganz unterschiedliche: Eine von ihnen besteht lediglich aus einem Wurzelholzring und der heiligen Familie, sie hängt an der Wand. Dann ist da noch eine große Laterne, in die Dieter eine Krippenszenerie gebaut hat. Und ein Stück weiter ihr kleineres Pendant. Auf der kleinen Laternenkrippe steht eine, die aus Papier gefaltet ist, daneben ein Schuhkarton, der offensichtlich ebenfalls gerade zu einer Krippe umgebaut wird: Die ersten Wände und ein Baum sind schon zu erkennen. Hier eine weitere Krippe, dort noch eine, sie scheinen im ganzen Haus verteilt zu sein. Wieviele sind es denn insgesamt? Dieter zuckt mit den Schultern. „Ich weiß nicht, zehn werden es schon sein.“ Ich denke, er untertreibt. „Ich zähle sie besser nicht. Wenn es zu viele sind, schimpft meine Frau mit mir“, scherzt der 52-jährige St. Johanner. Vielleicht steckt aber auch ein Körnchen Wahrheit in der Aussage, denn die Krippen und die vielen anderen Basteleien nehmen im neu gebauten Wintergarten des Hauses ganz schön viel Platz ein. Aber immerhin sind sie nicht nur Hobby, sondern eigentlich jetzt ja Dieters Beruf.
Tun, was glücklich macht
Der gelernte Werkzeugmacher versuchte sich bereits in vielen Sparten. Er war am Bau beschäftigt, beim Bestatter und zuletzt in einer Zimmerei. „Aber die schwere körperliche Arbeit kann man nicht bis zur Pensionierung machen“, weiß Dieter. Deshalb beschloss er heuer im Frühling, endlich das zu tun, was ihn glücklich macht: kreativ sein, basteln, Krippen bauen. „Rundherum passiert so viel. Die einen werden krank, andere sterben früh. Das macht einen schon nachdenklich, man hat ja nur das eine Leben. Und das sollte man so gestalten, wie man es für richtig hält.“
Seine eingetragene Werbeagentur „Knallbunt“ hat noch keinen eigenen Internetauftritt, das kommt noch. Mit seinem Plotter beschriftet er aber bereits jetzt zum Beispiel Glasflaschen und macht daraus Geschenkartikel mit ganz persönlicher Note. Er beschriftet auch große Filzkuverts, bastelt Windlichter aus Karton, druckt Kalender und vieles mehr. Wenn er nicht gerade an einer Krippe baut – oder gleichzeitig an mehreren.
Weihnachtskrippen faszinierten ihn schon immer. Aber eine eigene zu gestalten, daran habe er sich nie gewagt, sagt er. Das änderte sich, als sein jüngster Sohn Johann, 14, in der Volksschule eine Krippe baute. Dieter half ihm ein wenig und bekam dabei endlich den entscheidenden Anstoß. „Meine erste war eine ganz einfache Tiroler Krippe.“ So einfach sie gewesen sein mag, löste sie doch eine Kettenreaktion aus: Seit er sich die erste zutraute, wagt er sich an alle möglichen Formen und Varianten. „Viele Jahre lang habe ich es nicht geschafft anzufangen, jetzt kann ich gar nicht mehr aufhören!“, gesteht er. Das Krippenbauen ist zu einer Herzensangelegenheit geworden. In seinem Kopf habe er Pläne für zwanzig, dreißig weitere Modelle, sagt Dieter. Seine Werke zeichnen sich durch viele Details aus, Inspiration findet er in den Bergen und in der Natur.
Holz – oder nicht?
Er zeigt mir eine Kastenkrippe, die jener im Schuhkarton gleicht, nur dass sie größer ist und nicht von einem Karton sondern eben von einem „Kasten“ aus Holz eingerahmt ist. Praktisch schaut das aus: Man kann sie aufhängen oder hinstellen, und nach Lichtmess ist sie schnell und platzsparend verstaut. Sie ist allerdings noch nicht fertig. Dieter zeigt mir die Türen, die er zum Trocknen auf ein Stück Karton gelegt hat. Sie sehen aus, als seien sie aus Holz gefertigt, dabei hat Dieter sie aus Styropor geschnitten, bemalt und mit dem Aluminium einer Bierdose „beschlagen“ – täuschend echt. Die Wände der ersten orientalischen Krippen hat Dieter noch aus Gips gefertigt, heute verwendet er auch dafür meist Styropor. „Weil man damit alles machen kann, und die Optik ist super!“ Die Dachschindeln bei den Tiroler Modellen sind aber aus Holz geschnitzt, Dieter hat gleich eine ganze Kiste voll davon gemacht – auf Vorrat.
Hat Dieter unter allen Krippen, die er schon gebaut hat, eine Lieblingskrippe?
Er denkt kurz nach und sagt dann: „Nein, ich würde mich am liebsten von keiner trennen.“ Natürlich aber verkauft er seine Werke auf Anfrage oder baut sie nach Maß. An orientalischen werkelt Dieter dabei noch lieber als an Tiroler Krippen. „Weil man sich da mit den Gebäudeformen ausspinnen, Flachdächer und Palisaden bauen kann.“
Schon als Kind war er kreativ, bastelte gerne und zeichnete viel. Beim Krippenbauen kann er seiner Kreativität jetzt freien Lauf lassen. „Vor ein paar Tagen habe ich mir gedacht, dass es cool wäre, in einer Krippe Miniatur-Weinfässer zu stapeln. Also hab ich überlegt und die Fässer schließlich aus Styropor geschnitzt.“ Sie könnten – wie die Türen – aus Holz gemacht sein, so echt sehen sie aus.
Beim Krippenbauen beweist Dieter viel Liebe zum Detail. „Ich kann mich dabei völlig verlieren und vieles ausprobieren.“
Urlaubsliebe
Die „Bäume“, die viele von Dieters Krippen zieren, kommen aus Griechenland. Es ist wilder Thymian, der dort in den Dünen wächst. Mit dem Land im Süden Europas verbindet Dieter eine Liebesgeschichte: Seit 14 Jahren verbringt er mit seiner Frau Gabi und Sohn Johann dort den Urlaub, früher waren auch seine beiden älteren Kinder Katharina und Andreas mit dabei. Die Familie reist mit dem Campingbus, meist mit der Fähre von Ancona aus. Zusammenrücken heißt es, wenn Dieter Schachteln voll mit Thymian und anderen Mitbringseln wie Olivenöl, Gewürzen oder gleich eine kleine Feigenpflanze im Auto unterbringen will. Aber „das geht sich schon immer irgendwie aus!“ Warum stets Griechenland und nicht andere Urlaubsdestinationen? „Wo das Herz hinfällt“, meint Dieter lächelnd. Und irgendwann bleibst du dann dort?, frage ich ihn in Anspielung an das Lied von S.T.S. aus den 80er Jahren. „Vielleicht“, sagt er. „Ich habe einmal gelesen, man sollte sich zuerst andere Länder ansehen, bevor man nach Griechenland reist. Weil man dort hängenbleibt und nirgendwo anders mehr hin möchte.“ Für Dieter und Gabriela ist es so. Sie lieben das Meer, die Kultur, die Menschen, einfach alles. Vor allem den wilden Thymian, der wunderschön aussieht in der Tiroler Krippe.
Schnitzen im Winter?
Die dunkleren Schäfchen hat Gabrielas Opa geschnitzt, die hellen hat Dieter selber gemacht – er hat sich nun auch ans Schnitzen von Krippenfiguren gewagt. „Wenn man sich mehr Zeit nehmen würde, wären die Ergebnisse wohl besser“, meint er. Sollte im Winter einmal für längere Zeit der Strom ausfallen, würde er sich auf die Schnitzerei konzentrieren, sagt er halb scherzend, halb ernsthaft. Er überlegt, vielleicht einmal einen Kurs zu besuchen. Apropos: Dieter ist Mitglied des Krippenbauvereins, hat aber noch nie bei einem Kurs eine Krippe gebaut. „Vielleicht gebe ich ja selbst einmal einen Kurs für Kinder“, sinniert er. Zuerst aber muss er für die großen Figuren, die er als Schnäppchen gekauft hat, eine entsprechend große Krippe bauen. Wie sie aussehen soll, weiß Dieter noch nicht, da sind noch Ideen gefragt. Und genau das ist für Dieter das Schönste am Krippenbauen: dass es immer wieder neue Herausforderungen gibt, neue Formen, neue Details, die seine Krippen einzigartig machen.
Doris Martinz