Der St. Johanner Florian Lettner erzählt von seinen Erlebnissen als „rasender Reporter“ für den Sender Pro7.

Nach Abschluss des Studiums absolvierte Florian ein Volontariat als TV-Redakteur und -Reporter bei Pro7 (wir berichteten in unserer Juni-Ausgabe). In dieser Zeit erlebte er viel, darunter auch Aufregendes und Skurriles. In die letztere Kategorie gehört auch das Interview mit Paris Hilton:
Bei der morgendlichen Besprechung des Redaktionsteams der Sendung „taff“ spricht man 2015 davon, dass Paris Hilton in der Schweiz lebt – gemeinsam mit ihrem neuen, steirischen „Boyfriend“. Florian soll daraus eine Story machen. Dass er ein Interview bekommt, ist eigentlich ausgeschlossen, die Redaktion steht mit dem Management in Kontakt und wartet schon seit Jahren auf einen Termin. Da der echte Star nicht greifbar sein wird, bastelt man für Florian eine lebensgroße Paris aus Pappkarton, mit jener soll er sich in der Schweiz auf Spurensuche begeben.

Ein Steirer, was für ein Glück!

Auf Instagram findet der junge „taff“-Journalist die Nachricht, dass sich Paris in der Nähe von Zürich aufhalten soll, es sind ein paar Fotos von Orten und Plätzen dabei. Genau dortin fährt er mit seinem Kameramann. In einer Bäckerei bekommt er den entscheidenden Tipp: Die nette Frau hinter der Theke verrät ihm, dass Paris ganz in der Nähe wohnt. Kurz darauf steht Florian vor einer Tiefgarage, es fahren Leute hinein und heraus. Er bittet sie per Handzeichen anzuhalten und fragt, ob sie für Paris Hilton arbeiten. „Kein Kommentar“, sagen alle. „Ich befand mich damals in einer Zwickmühle“, so der St. Johanner, als er mir die Geschichte erzählt. „Man ist neugierig, will eine Geschichte mitbringen in die Redaktion. Und hat doch das Gefühl, das tut man nicht, dieses Nachspion­ieren gehört sich nicht. Man ist ja so aufgewachsen.“ Plötzlich fährt ein Auto vor, in dem ein Typ sitzt, der so aussieht wie Paris’ neuer Freund. Florian kennt ihn von Fotos aus dem Internet. Er fasst sich ein Herz, klopft an die Autoscheibe und fragt den Mann einfach geradeheraus, ob er der ist, für den er ihn hält – und der Typ im Steirerjanker sagt ja, er sei der Freund von Paris Hilton. Florian entschuldigt sich für seine Aufdringlichkeit, erklärt, warum er da ist und fragt, ob seine Herzensdame zuhause sei. Auch das bejaht der Typ mit dem leichten steirischen Akzent. Weil er so nett ist, und weil zwischen dem Steirer und dem Tiroler irgendwie die Chemie passt, wagt Florian ihn zu fragen, ob Paris nicht eventuell Lust auf ein Interview mit ihm hätte. Das weiß der „Boyfriend“ nicht, aber er gibt Florian die Nummer ihres Schweizer Agenten. Natürlich ruft Florian gleich an. Und es passiert das völlig Unerwartete: Der Agent schlägt ihm ein Treffen mit Paris am nächsten Tag vor – in einer Unterführung in Zürich. Er begründet die Wahl des etwas seltsamen Treffpunkts damit, dass sie dort nicht gleich erkannt wird, und sie wird nicht nass, wenn es regnen sollte. Als Florian das Telefonat beendet, kann er sein Glück kaum fassen. Doch kaum sitzt er im Auto, überkommen ihn Zweifel. Paris Hilton in einer Unterführung? Ein Interview mit ihm, dem Jungspund und noch völlig unbekannten Reporter? Was, wenn er gerade vera…. wurde? Er ruft seine Chefin bei „taff“ an und erzählt ihr, was passiert ist. Jene meint, es sei besser, gleich zusammenzupacken und zurückzukommen, auch wegen der Kosten: Das Übernachten in der Schweiz ist teuer. Was aber, wenn es wirklich wahr ist, wenn der Agent real war und Florian wirklich am nächsten Tag Paris Hilton für ein Interview treffen könnte? Er bittet, er bettelt seine Chefin an, sie möge ihm eine weitere Nacht zugestehen. Schließlich willigt sie ein.

Versteckte Kamera?

Am nächsten Tag stehen Florian und der Kameramann in ihren verschwitzten Sachen vom Vortag – sie haben ja nur für einen Tag eingepackt – und ihrem Equipment zur vereinbarten Stunde, um zehn Uhr, an der ausgemachten Stelle und warten. Sie haben sich den Hotel-Schirm ausgeliehen, denn es regnet, und ganz schön kalt ist es auch. Es wird 10:15 Uhr – keine Paris. Es wird 10:30 Uhr, noch immer keine Paris weit und breit. „Wir haben uns gedacht, entweder ist das ,Versteckte Kamera’ oder jemand hat gerade den Spaß seines Lebens, weil wir beide wie Vollidioten mit unserem Schirm dastanden.“ Die beiden erkennen, dass sie Opfer eines bösen Streichs wurden. Wie dumm sie waren, zu glauben, Paris Hilton würde sie tatsächlich in einer Unterführung treffen! Doch da nähert sich eine Limousine. Zuerst steigt ein Mann aus, den sie nicht kennen, dann der steirische Freund von Paris und dann sie selbst. Florian bringt kaum ein „Hello“ heraus, so überrascht ist er. Das Interview findet dann tatsächlich an Ort und Stelle statt, Florian fängt sich, Paris ist sehr nett und beantwortet seine Fragen geduldig. Weil sie über kalte Hände klagt, leiht ihr der „taffe“ Tiroler seine Handschuhe – sie trägt sie im Beitrag. „Das sind jetzt meine Paris-Hilton-Handschuhe, die ich aufbewahre und seitdem nie mehr gewaschen habe“, erzählt Florian mit einem Augenzwinkern.
Das Schweizer „Liebes-Intermezzo“ mit dem Steirer damals hält übrigens nicht lange an, Paris Hilton lebt längst wieder in Amerika. Sie sei viel kleiner als angenommen, sagt Florian. Außerdem habe ihre Stimme in der Schweiz viel tiefer geklungen als auf den Clips und Videos. Die tiefe sei ihre echte Stimme, verriet Paris, die andere, höhere, bediene das Hollywood-Klischee. Das gilt auch für die blauen Augen: In Wahrheit hat Paris braune Augen. „Sie schaut eigentlich ganz anders aus als die „Barbie“, als die sie sich vermarktet.“
Beim Zusammenpacken nach dem Interview können Florian und der Kameramann an jenem Tag immer noch nicht glauben, dass sie tatsächlich ein Interview mit dem Superstar gemacht haben. Für gewöhnlich werden solche Termine monatelang im Voraus geplant, sie kosten die Redaktion viel Geld, und die Stars werden in einem Hotelzimmer perfekt in Szene gesetzt. Entsprechend groß sind Verblüffung und Freude in der Redaktion, als Florian zurückkommt. Von seinem Bonus, den das Interview mit Paris Hilton ihm einbringt, wird er das eine oder andere Mal noch zehren. Dazu mehr in unseren nächsten Ausgaben.

Doris Martinz