Katharina und Michael Koidl über ihr Business- und Familienprojekt.

Als ich Michael im Sommer anrufe, ist im Hintergrund Kindergeschrei und Plantschen zu hören – er genießt mit seinen beiden Kindern, sechs und vier Jahre alt, die Zeit am Badesee. An einem gewöhnlichen Arbeitstag. Obwohl er gerade mit seiner Frau das eigene Unternehmen „Synergie Mensch“ gegründet hat. Wie kann das funktionieren?
„Das haben mich an jenem Tag einige Leute gefragt“, erzählt der 39-Jährige lachend. Die Antwort liegt in „Synergie Mensch“ selbst begründet: Dabei handelt es sich nicht nur um ein überzeugendes Business-, sondern auch um ein innovatives Familienprojekt.

Mit Menschen arbeiten

Michael absolvierte die Diplomausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger und anschließend die Sonderausbildung für Anästhesie- und Intensivpflege. Warum gerade dieser Fachbereich? „Auf der Intensivstation geht es um Menschen, Technik, um Notfälle, da ist Action geboten. Das hat mich fasziniert“, erzählt er. Er übernimmt im Bezirkskrankenhaus St. Johann die Pflegeleitung auf der Allgemeinchirurgie und ist danach vier Jahre lang Pflegeleiter auf der Intensivstation. Während dieser Zeit stellt er fest, dass es ihn noch mehr begeistert, auf einer anderen, übergeordneten Ebene mit Menschen zu arbeiten: Er will sie in ihrer Entwicklung unterstützen, absolviert eine Führungskräfteausbildung und weitere Fortbildungen. Schon vor Beginn der Pandemie kommt er an einen Punkt, an dem er weiß, dass er sich eines Tages in diesem Bereich selbständig machen will. „In leitenden Positionen geht es darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, denen andere Menschen angehören wollen – organisatorisch, strukturell, aber besonders auf der Beziehungsebene. Das Erleben der Teamkultur ist ein entscheidender Faktor, wie gerne wir in unsere Arbeit gehen. Führungskräfte sind maßgeblich dafür verantwortlich, diese zu gestalten“, erklärt er. Sein Wirken beschränkt sich mittlerweile nicht mehr auf den Gesundheitsbereich, sondern auf alle Unternehmen und Teams, die sich weiterentwickeln und zu einer starken Gemeinschaft formen wollen. „In vielen Systemen steht der Mensch zu wenig im Fokus, die wirtschaftlichen Interessen dominieren. Daran sollte man arbeiten, denn man kann Funktionen ersetzen, aber die Rolle des Menschen nicht.“

Flexibilität

An seinem Arbeitsplatz im Krankenhaus St. Johann lernt Michael seine jetzige Frau Katharina kennen und lieben. Als Kind erlebt die heute 36-Jährige mit, wie sehr verschiedenste Therapien die Heilung ihres Vaters nach einem Schlaganfall begünstigen. Ab diesem Zeitpunkt weiß sie, dass sie beruflich einmal Menschen helfen will. Sie wird Physiotherapeutin und arbeitet viele Jahre lang im Krankenhaus St. Johann. Als sich die beiden in St. Johann ein Zuhause geschaffen haben und die Kinder kommen, reduziert sie ihr Arbeits­pensum, ihr Mann ist nun der Hauptverdiener. Da sie selbst aber auch noch arbeitet, geben sich die beiden oft Türklinke und Kinder in die Hand – eine unbefriedigende Situation. Sie suchen nach einer Lösung, die mehr Flexibilität bietet. Sie sprechen davon, wie schön es wäre, wenn es Räume gäbe, die sie beide nach Bedarf nützen könnten – die Idee von „Synergie Mensch“ ist geboren. Und plötzlich kommen noch viele weitere Ideen und Visionen dazu.

Selbstgesteuert

Von Anfang an ist klar, dass das Projekt der Selbständigkeit ein gemeinsames wird, dass sie sich die Obsorge um ihre Kinder teilen wollen. Da es für Katharina einfacher ist, als Physiotherapeutin weiterzuarbeiten, kümmert sich Michael derzeit mehr um die Kinder. Diese Tatsache stößt im Bekanntenkreis immer wieder auf Unverständnis. Auch bei Frauen. „Als ich mehr daheim war, hat nie jemand gefragt, warum das so ist“, sagt Katharina. „Der gesellschaftliche Wandel mag in der Sprache angekommen sein, aber im Alltag noch nicht“, meint Michael. Er genießt dennoch die Zeit mit dem Nachwuchs und die Möglichkeit, am Konzept der gemeinsamen Firma zu arbeiten.
Die schönen, modernen Räumlichkeiten von „Synergie Mensch“ füllen sich, es sind bereits einige „Coworker:innen“ gewonnen. Sie können sich online stundenweise einmieten, auch ganz kurzfristig. Während unseres Gesprächs kommt eine Physiotherapeutin zur Tür herein. „Ich habe gerade mit einem Klienten telefoniert, er hat gerade Zeit und kommt gleich vorbei“, sagt sie. „Perfekt“, so Katharina. Sie und Michael bieten Jungtherapeut:innen und Wiedereinsteiger:innen bzw. Dienstleister:innen von Gesundheitsberufen die Möglichkeit, die Therapieräume ohne Fixvertrag zu buchen. Doch das ist nur eine Säule von „Synergie Mensch“. Individuelles Coaching und psychosoziale Beratung kommen noch dazu, sowie Beratung, Training und Supervision im wirtschaftlichen Umfeld. „So können wir nun unsere Kompetenz und unser Wissen auf einer Ebene anbieten, wo wir selbstgesteuert sind“, so Michael. „Wir sind überzeugt, dass daraus noch viel entstehen kann“, sagt Katharina.
„Synergie Mensch“, ein bislang in der Region einzigartiges Modell, soll einen positiven Beitrag für die Gesellschaft bringen. Und Gesundheit. Denn, so Michael: „Wir haben beide in den vielen Jahren im Krankenhaus erlebt, dass du dir keine Gedanken über andere Dinge zu machen brauchst, wenn du nicht körperlich und geistig gesund bist. Synergie Mensch soll den Menschen in der Region dazu verhelfen.“

Doris Martinz