St. Johanns neuer Kapellmeister Reinhold Wieser über sein Motto „lieber mal kurz falsch als fad“ und einiges mehr.
Seine erste Aktion in der Region sei nicht etwa das Dirigieren eines Konzerts gewesen, erzählt Reinhold Wieser schmunzelnd. Er habe bei einem Musik-Skirennen in Waidring teilgenommen, berichtet er. Während andere Starter die Strecke im Rennanzug bewältigten, habe er sich seine Trompete auf den Rücken gebunden und im Mittelteil ein Stück gespielt. Das brachte ihm der Zeitnehmung nach zwar den „Schrepfer“ ein, aber dafür gewann er bestimmt viele Herzen. Und das ist dem neuen Kapellmeister der St. Johanner Musikkapelle sehr wichtig. Für ihn ist Musik quasi ein „Nahrungsergänzungsmittel“, wie er sagt: „Musik soll gut fürs Herz sein, sie soll Wärme in uns erzeugen. Dann passt es.“
Wir treffen uns im „Le Bastian“ in St. Johann. Silberne Locken, runde, in Silber gefasste Brille, schwarzes Hemd und schwarze Hose: Ich erkenne Reinhold Wieser gleich, als er durch die Tür tritt. Wenn jemand aussieht wie ein Dirigent, dann der Salzburger. Von hemdsärmeliger Kapellmeistermanier ist an jenem Tag keine Spur, auch keine Trompete auf dem Rücken. Dafür trägt er ein gewinnendes Lächeln.
Der gebürtige Mittersiller kam über die Verbindung zum ehemaligen Kapellmeister, Hermann Ortner, nach St. Johann: Als künstlerischer Leiter der „Festspiele der Blasmusik“ in Salzburg hatte Wieser vor vielen Jahren die Musikkapelle St. Johann zur Veranstaltung eingeladen und sich dabei mit ihm angefreundet. Im Sommer 2019 begleitete Wieser die St. Johanner Musikant:innen als Kultur-Manager und Flügelhornist auf ihrer China-Tournee. Er ist ein profunder China-Kenner, zumindest was musikalische Reisen betrifft: Von 2001 bis 2019 reiste er 24-mal für Tourneen in das „Land der Mitte“ und spielte dabei nahezu 300 Konzerte mit verschiedenen Formationen. In einer Salzburger Tageszeitung bezeichnete man ihn einmal als den „Mann, der die Chinesen das Walzertanzen lehrt“. Er sei fasziniert von der Kultur, habe viele positive Erfahrungen mit den Menschen gemacht und in den schönsten Konzerthäusern gespielt, erzählt Reinhold Wieser. Probleme mit den Behörden oder Veranstaltern in China habe es nie gegeben: „Wie du in den Wald hinein schreist, so kommt es zurück“, sagt er.
Unvergessen bleibt ihm der Flug in einer Silvesternacht von Shanghai nach Bejing, bei dem er und seine Kollegen auf zigtausend Metern Höhe zu den Instrumenten griffen und ein Spontan-Konzert zum Besten gaben. „Da gibt es keinen Unterschied zwischen den Kontinenten, die Musik verbindet alle!“
„Umtriebiger“ Musiker und Pädagoge
Reinholds Eltern Maria und Sepp Wieser (der Vater war Kapellmeister in Mittersill) legten ihrem Sohn sowie seinen sechs Geschwistern die Liebe zur Musik wohl in die Wiege. Reinhold versuchte sich zuerst auf der Blockflöte, später auf dem Schlagzeug sowie an der Es-Klarinette und entdeckte schließlich seine Leidenschaft für die Trompete. Er absolvierte die Lehre zum Industriekaufmann in Mittersill, besuchte aber schon währenddessen das Mozarteum, wo er das Konzertfach Trompete belegte. „Eigentlich wollte ich ins Orchester, aber dann stellte ich bald fest, dass mir auch das Unterrichten sehr gut liegt“, erzählt er. Nach Abschluss des Studiums wurde er Musiklehrer. Weil er darüber hinaus aber immer schon ein wenig „umtriebig“ war, wie er selbst sagt, gründete er noch als Student sein eigenes Ensemble „Paris Lodron“. Dass er im Zuge der Lehre zum Industriekaufmann gelernt hatte, zu organisieren und wirtschaften, kam ihm auch bei der Gründung des „Austria Festival Symphonie Orchestra“ zugute, das bereits in St.Johann gastierte. In den letzten Jahrzehnten verfolgte der Wahl-St. Georgener
(St. Georgen bei Salzburg) immer wieder neue Ideen, er stellte mehrere Musikevents auf die Beine, unterrichtete, dirigierte, musizierte und tourte mit den verschiedensten Formationen.
Und doch war es ihm immer wichtig, immer auch den Kontakt zu halten zur Basis – zur Blasmusik. „Hier bietet sich so ein Facettenreichtum, da kann man als Kapellmeister sehr viel bewirken.“ Wobei die Musik nicht alles ist in einer Kapelle, weiß Wieser. „50 Prozent ist die Musik und die Kunst, 50 Prozent ist Psychologie, Wertschätzung, Augenhöhe, Verein, soziales Miteinander. Das ist heute wichtiger als je zuvor.“
Die Proben laufen gut
Was dem neuen Kapellmeister an der Musikkapelle St. Johann gefällt, ist, „dass sie sehr innovativ und nie stehengeblieben sind.“ Die Mannschaft habe sich an den ersten Proben-Freitagen als sehr motiviert und aufmerksam erwiesen. Man arbeite konsequent von halb acht bis zehn Uhr abends, dazwischen werde aber auch gelacht und gescherzt – dafür müsse es immer Raum und Zeit geben. Das weiß Wieser wahrscheinlich als erfahrener Musikpädagoge. „Zumindest bin ich noch nie geschimpft worden für die Art und Weise, wie die Proben laufen“, meint er mit einem spitzbübischen Blick hinter der Brille hervor. Er sagt, er bewundere die Musikantinnen und Musikanten, die zum Fulltime-Job auch noch das Proben-Pensum bewältigen würden. Wenn alles gut läuft, bleibt es bei einem Termin in der Woche. Er sei von den Musikantinnen und Musikanten herzlich aufgenommen worden, es seien alles sehr nette, talentierte und unkomplizierte Mitmenschen.
Sein Vorgänger und guter Freund Hermann Ortner wünschte sich für das kommende Frühjahrskonzert den Titel „The Dream of Freedom“ von Herbert Marinkovits. Wieser kommt diesem Wunsch gerne nach. Zur Freiheit brauche es aber auch ein Gegenstück, deshalb habe er sich unter anderem für Stücke wie „Ich gehör nur mir“ aus dem Musical „Elisabeth“ und „I Dreamed a Dream“ aus „Les Misérables“ entschieden, verrät Wieser. Es singt Eva Breckner aus Salzburg. „Was mir wichtig ist: Es darf nicht fad sein. Es darf ruhig einmal ein falscher Ton dabei sein, aber fad darf es nicht sein.“
Es wird heuer zwei Konzertabende geben sowie – ganz neu – ein einstündiges Familienkonzert in kleinerer Besetzung am Samstagnachmittag, bei dem Instrumente vorgestellt, die jungen Zuhörer:innen miteinbezogen und so für die Musik begeistert werden sollen. „Die Nachwuchsarbeit ist wichtig, das darf man nicht verschlafen!“
Was im Sommer kommt
In Gedanken ist Wieser zum Zeitpunkt unseres Gesprächs, Mitte Februar, bereits bei den Sommerkonzerten. Es wird sich sicherlich einiges ändern, „man kann und will ja nicht in die Fußstapfen von Hermann treten, jeder hat seine eigene Handschrift.“ Die Musikkapelle soll ihre eigenen Stärken ausspielen, auch mit ihren Sängerinnen und Sängern. Und es werden Gäste kommen, die bislang noch nicht in St. Johann zu hören waren. Darunter „musikalische Granaten“ wie der Soloposaunist Hannes Hölzl vom Rundfunk Sinfonie Orchester Berlin; geplant ist das Gastspiel eines Jugendorchesters aus Hongkong mit hundert Leuten sowie ein Abend mit dem Trompeter und BR-Moderator Dominik Glöbl und mehr. Es ist noch nicht alles in „trockenen Tüchern“, deshalb will Reinhold Wieser nicht näher darauf eingehen. Hört man ihn selbst vielleicht einmal als Solo-Trompeter? „Bualein“, meint er zögerlich. Man müsse aufpassen, sich nicht zu verzetteln, erklärt er, er wolle sich auf seine Funktion als Kapellmeister konzentrieren. Aber ausschließen will er nichts. Sollte sein Ensemble „Paris Lodron“ demnächst in St. Johann gastieren, werde er aber auf jeden Fall „mitgeigen“, sagt er augenzwinkernd.
Mit dem Auto ist der neue Kapellmeister eine gute Stunde unterwegs, um von daheim in St. Georgen bei Salzburg nach St. Johann zu kommen. Er nützt die Zeit zum Vorbereiten und für die Nachbetrachtung. Sollte es einmal länger dauern, bleibt er in St. Johann oder besucht seine Eltern in Mittersill. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist bereits dreifacher Opa. Die Musik war für ihn schon immer Beruf und Hobby. Was tut er sonst noch gerne? Reinhold Wieser überlegt, ist für einen Moment ratlos. „Die Musik ist schon sehr dominant“, gesteht er. Doch dann fällt ihm ein, dass er über eine Internetplattform einen gebrauchten Camping-Bus gekauft hat, weil er und seine Frau gerne reisen – vor allem an den Gardasee. Es stellte sich heraus, dass der Verkäufer des Fahrzeugs ein Musikant in Kirchdorf in Tirol ist. Und schon sind wir wieder bei der Musik …
Seien wir gespannt darauf, womit uns die St. Johanner „Musig“ mit ihrem Vollblut-Musikus an der Spitze überraschen wird!
Doris Martinz