Der Informatiker Christoph Holz über den Umgang mit Künstlicher Intelligenz und seinen eigenen Werdegang.

Ich lernte ihn bei einem Vortrag bei „Synergie Mensch“ in St. Johann kennen. Und war sofort fasziniert. OK, über die Fliege anstatt der Krawatte könnte man vielleicht diskutieren. Aber was dieser Mann da alles erzählte über die KI, über Chat GPT und Co, das war hochinteressant. Ganz offensichtlich weiß er, wovon er spricht.
Zu unserem Treffen im Café Rainer ein paar Wochen später kommt Christoph Holz ohne „Fliege“, dafür mit dem E-Scooter. Ob das Ding wohl mit KI ausgestattet ist? Schon sind wir mittendrin im Thema. Was ist KI, Künstliche Intelligenz, überhaupt? Viele denken dabei ja an eine Maschine wie zum Beispiel den Schachcomputer „Deep Blue“. Aber so ist es nicht: „KI ist ein philosophischer Begriff“, erklärt Christoph. „Er steht für die Hoffnung der Informatik, dass wir damit das Rätsel unserer menschlichen Intelligenz lösen und den Menschen nachbilden können.“ Immer, wenn der Spezies Mensch ein Schritt in diese Richtung gelinge, erhöhe man einfach den Anspruch, so Christoph.
1997 verlor Schachweltmeister Garri Kasparow beispielsweise zum ersten Mal zwei Partien gegen den Computer. Mit diesem Erfolg gab man sich nicht zufrieden, man entwickelte intensiv weiter. „Was wir jetzt als KI bezeichnen, sind Systeme, die aus ihren eigenen Fehlern lernen“, so Christoph. Als Beispiel nennt er Autos, die sukzessive lernen, wie man fährt und dann autonom unterwegs sind. Dass Maschinen überhaupt imstande sind, neues Wissen zu erwerben, sei eine überraschende Eigenschaft, die man bislang nur dem Menschen und der Tierwelt zugeschrieben hat. „Hier hat es wirklich Durchbrüche gegeben, und es scheint jetzt möglich, dass wir eine KI haben, die nicht nur als ,Fachtrottel‘ einzusetzen ist – wie zum Beispiel ein Dia­gnosecomputer, der exakter arbeitet als jeder Radiologe. Es scheint greifbar zu werden, dass wir einen Algorithmus erschaffen, der so klug ist wie ein Mensch.“

Sollten wir uns fürchten?

Christophs Aussage wirft natürlich Fragen auf, in meinem Gehirn blitzen unwillkürlich Bilder aus den „Terminator“-Filmen auf. Ist es bald so weit, dass uns Maschinen überrollen und uns den Garaus machen? Sollten wir Angst haben vor der Künstlichen Intelligenz? Christoph schmunzelt in seinen Bart hinein. „Das menschliche Gehirn ist ja deshalb so groß, damit viele Ängste Platz haben“, meint er. Und erklärt, warum er keinen Anlass zur Sorge sieht: „Es gibt keinen Grund zu glauben, dass eine KI über Motivation verfügt oder ein emotio­nales Ziel erreichen will.“ KI kämpfe nicht um Macht oder Geld, um Land oder schöne Frauen. Menschliche Motivationen seien ihr natürlich völlig fremd. Schön und gut. Aber haben wir die KI nicht schon einmal unterschätzt, als wir glaubten, sie sei nicht lernfähig? Da stimmt mir Christoph zu. Er hat jedoch ein gewichtiges Argument an der Hand, das dagegen spricht, dass sich KI eines Tages zum „Übermenschen“ entwickeln wird:
KI arbeitet auf Basis von Statistik. Es sind Systeme, die ausschließlich auf statistischen Daten beruhen und mit Formeln arbeiten. Sie seien in der Lage, so Christoph, „nach innen“ Lücken zu finden und Verbindungen herzustellen, an die wir vielleicht nicht gedacht haben. Aber sie können nicht „nach außen“ wirken: Es gebe kein System, das in der Lage sei, sich neues Wissen anzueignen oder zu forschen. Keines, das planen kann, strategisch denken oder Schlüsse ziehen. KI kann nur auf Basis der eingegebenen Daten agieren. Deshalb antwortete es auf die Frage, wie viel zwei plus zwei ist, früher auch einmal mit „4,1“. Warum? Weil es Leute gibt, die meinen, zwei plus zwei ist fünf, das System auch falsche Daten verarbeitet und daraus den Durchschnitt errechnet. „Diese einfachen Fehler hat man behoben, aber das Prinzip ist immer noch dasselbe: Das System nimmt das Wahrscheinlichste und nicht das, was stimmt.“ Es gebe keinen Wahrheits-Check, den gibt es in unserem Gehirn übrigens auch nicht: Wir glauben, was wir öfter hören – das erscheint uns plausibler. „Mit dem System lernen wir auch viel über uns. Das muss uns nicht nur gefallen.“ Chat GPT mit all ihren Fähigkeiten und auch Unzulänglichkeiten erinnere ihn an eine Person, die mit ihrer Demenz-Erkrankung relativ­ gut zurechtkommt, sagt Christoph: Sie könne ihre Defizite lange verbergen und sei in der Lage, das zu sagen, was man von ihr erwarte. KI als System mit Demenz – mir gefällt dieser Gedanke. Mir gefallen die Lücken, die Schwachstellen. Sie sind hoffentlich größer als meine eigenen.

Der „Nerd“ aus St. Johann

Ein Gegenmittel gegen die Angst vor Künstlicher Intelligenz ist Wissen. Deshalb fürchtet sich Christoph nicht. Er hat Informatik studiert und weiß, wie das läuft mit der KI. Dabei sollte er eigentlich Hotelier werden. Aber der Reihe nach: Christoph ist ein waschechter Sainihånser. Durch die ersten acht Schuljahre quält er sich mehr schlecht als recht – er langweilt sich schlicht. Seine Mutter betreibt eine Pension, sein Vater ist einer der Tourismuspioniere im Ort und führt ein Hotel. „Wenn ich es übernommen hätte, hätten wir heute dort drüben keine Grube“, sagt Christoph und deutet in Richtung „Löwengrube“. Als die Sache spruchreif war, hatte er aber bereits sein Studium abgeschlossen und in Innsbruck eine Firma mit 20 Mitarbeiter:innen gegründet. „Ich fühle mich immer noch ein wenig schuldig, dass das Areal brachliegt“, meint er.
Technik ist schon als Kind wichtig für ihn, deshalb besucht er die HTL in Saalfelden. Im Alter von 16 Jahren bekommt er von seinem Stiefvater in München seinen ersten Computer. Als zum ersten Mal das, was er programmiert hat, auf dem Bildschirm erscheint, fährt ein Dopaminstoß durch seinen ganzen Körper, er erinnert sich noch gut an diesen Moment. Programmieren und gleich anwenden: Die Selbstwirksamkeit sei in keinem Beruf höher, weiß Christoph, sie mache den Reiz in diesem Metier aus. Zum Studium der Informatik in München nimmt er das Nebenfach Maschinenbau, Spezialrichtung Raumfahrtechnik, dazu. „Viel Nutzen von all dem Wissen habe ich heute nicht mehr, außer dass ich Ikea-Regale fehlerfrei zusammenbauen kann“, scherzt er. Er besitzt übrigens zwei Staatsbürgerschaften: Seine Oma war die Tante von Toni Sailer, sein Urgroßvater Braumeister bei Löwenbräu in München.
Als Informatiker sei man damals immer „Nerd“ und Außenseiter gewesen. An seinem ersten Arbeitsplatz nach dem Studium – er stieg bei einem Zulieferer von BMW ein – durften er und seine Kollegen quasi nur dann sprechen, wenn sie gefragt wurden, erzählt er und übertreibt damit natürlich ein wenig. Aber: Man sah sie wohl wirklich vor allem als „Kostenfaktoren“. „Ingenieure und Informatiker waren wie Tag und Nacht.“
Das sollte sich mit den Jahren gründlich ändern. Wie Künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt verändern wird und welchen Weg Christoph Holz weiterging, lest ihr in unserer nächsten Ausgabe.

Doris Martinz