EKIZ-Referentin Melanie Delamere teilt ihr Wissen über Babyschlaf und erklärt, warum man Babys nicht genug verwöhnen kann.

Melanie ist Mama von zwei Kindern, steht im Berufsleben fest „ihre Frau“ und spricht über Eltern-Kind-Themen, die viele an den Rand der Verzweiflung bringen, mit einer herrlich sympathischen Leichtigkeit. Doch wäre bei ihr und ihrem ersten Kind alles wie am Schnürchen gelaufen, würde sie nun nicht über das Wissen, das sie heute hat und an viele Eltern weitergeben kann, verfügen. Die junge Frau und ich treffen uns im Zentrum von St. Johann, um bei einer Tasse Kaffee über das Thema Babyschlaf zu sprechen.

„Ich bin Mama geworden mit ganz anderen Erwartungen, wie es dann wirklich war. Die Realität hat mit der Theorie, die ich mir vorher zusammengebastelt hab, überhaupt nicht übereingestimmt,“ so Melanie schmunzelnd. Das Bild einer Mutter, die das Kind alle paar Stunden stillt und danach zum Schlafen legt, damit sie nebenbei entspannt dem Haushalt und der Körperpflege nachgehen kann, sich danach dem ausgeruhten und gut gelaunten Baby widmet und dann den Ablauf von vorne beginnt, verpuffte mit der Geburt von ihrem Töchterchen. „Mit meinem ersten Kind hat nichts funktioniert, wie man sich das vorstellt – sie wollte nicht abgelegt werden und brauchte ständigen Körperkontakt, wollte alle eineinhalb bis zwei Stunden gestillt werden und meldete sehr (laut-)stark, wenn ihre Bedürfnisse nicht erfüllt wurden.“ Melanie kam an ihre Grenzen, sie fragte sich: Was machte sie falsch? „Von außen bekam ich suggeriert, dass es meine Schuld war, dass ich sie zu sehr verwöhnt habe.“ Da ihr dies aber nicht weiterhalf, fing die junge Mutter an, sich zu erkundigen, nach Hinweisen oder Gleichgesinnten zu suchen – vor elf Jahren kein leichtes Unterfangen, weder in ihrem Umfeld noch im Internet. „So begann meine Reise in die Ausbildungen zu verschiedenen Baby-Themen, die mir klar zeigten: es gibt so viele Wege und es ist nicht immer für jeden der richtige, der von der jeweiligen Gesellschaft wo man lebt, beschreitet wird.“

Babys haben andere Schlafzyklen als Erwachsene

Viele junge Eltern teilen Melanies einstige Erwartungen und sind stark verunsichert, wenn es nicht nach „Schema F“ läuft. In unserer Kultur wird mehr oder weniger erwartet, dass ein Baby bereits ab einem halben Jahr im eigenen Zimmer durchschläft – was durchaus auch der Fall sein kann, wenn sich das mit den Bedürfnissen des jeweiligen Kindes deckt. „Damit ein Kind gut schlafen kann, braucht es das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, was ganz oft über die Nähe zu den Eltern läuft,“ erklärt Melanie. Besonders in der Nacht suchen daher manche Kinder den direkten Körperkontakt, um einschlafen zu können.
„Babys haben andere Schlafzyklen als wir Erwachsene.­ Schlafen wir ein, fallen wir zunächst in eine leichte­ Schlaf­phase, danach in die Tiefschlafphase, gefolgt von dem Traumschlaf.“ Nach dem REM-Schlaf wachen Erwachsene kurz auf und checken unbewusst, ob alles in Ordnung ist – und wenn dem so ist, schlafen sie auch schon wieder weiter. Im Gegensatz zu Babys, wie Melanie berichtet: „Sie fallen nach dem Einschlafen gleich in den REM-Schlaf, verbleiben etwa 20 Minuten dort bevor sie in den Tiefschlaf kommen. Im Traumschlaf passieren ganz viele Lernprozesse.“ Es wundert daher nicht, dass manche Babys dabei zum Beispiel bei geschlossenen Lidern die Augen ganz schnell hin und her bewegen oder Geräusche machen. Nach den Schlafzyklen werden auch Babys munter, brauchen jedoch Unterstützung, um in den nächsten Schlafzyklus zu kommen. „Schlafen hängt mit der Hirnreife zusammen und bildet sich erst nach und nach. Man kann davon ausgehen, dass es drei bis dreieinhalb Jahre dauert, bis ein Kind durchschlafen kann,“ informiert Melanie.
Babys wachen demnach meistens auf, weil sie die Schlafzyklen nicht miteinander verbinden können. Es ist aber durchaus möglich, dass noch andere Faktoren dazukommen, wie zu warm oder zu kalt haben, ausscheiden müssen oder Hunger. „Man hört oft, dass Kinder ab einem halben Jahr keine Nahrung mehr in der Nacht benötigen, das ist so nicht ganz richtig,“ sagt Melanie. „Im Gegensatz zur ersten Jahreshälfte, wo Babys für die Regulation des Blutzuckerspiegels auch in der Nacht Nahrung brauchen, ist es in der zweiten Jahreshälfte nicht mehr lebensnotwendig. Doch da der Großteil der Gehirnentwicklung in der Nacht abläuft, ist es völlig normal, dass sie dennoch Hunger bekommen, denn Nahrung ist für die Entwicklung unabdingbar.“ Interessanter Fakt: aufgrund seiner hohen Bekömmlichkeit für Organismus und Körper wird Muttermilch innerhalb von 6 bis 90 Minuten komplett verdaut – es wundert daher nicht, dass nach einem aufregenden Tag Babys auch in der Nacht eine Stärkung brauchen.

Eigenes Zimmer und Bettchen, Co-Sleeping, Familienbett – was ist für Babys das Beste?

„Es gibt verschiedene Möglichkeiten und jede Methode hat seine Vor- und Nachteile,“ weiß Melanie und ergänzt: „Wichtig ist, dass jede Familie das für sich Beste auswählt.“ Die bei uns weit verbreitete Methode ist, dass das Baby in seinem eigenen Bettchen im eigenen Zimmer schläft. Die offizielle Empfehlung wäre das Co-Sleeping was bedeutet, dass das Kind in unmittelbarer Nähe zu den Eltern schläft, wenn möglich, im selben Zimmer aber im eigenen Bett. Eine weitere Möglichkeit ist das Bedsharing oder Familienbett, was wunderbar funktionieren kann, wenn genug Platz vorhanden ist und wenn man die offiziellen Sicherheitsregeln beachtet. Dazu gehören zum Beispiel, dass die Matratze nicht zu weich sein darf, die Rückenlage, keine Decken oder Kissen, dass es nicht zu warm ist, eine rauchfreie Umgebung und dass das Baby gestillt wird.
Alles klar – angenommen, man hat nun seine Schlafmethode gefunden, gerade ist es richtig angenehm und kuschelweich – da kommt sie schon wieder, die Stimme, die sagt: Du verwöhnst dein Kind zu sehr! Dazu kann Melanie aus voller Überzeugung sagen: „Jemanden zu verwöhnen bedeutet, einer Person einen Wunsch zu erfüllen. Wenn man sich der Bedeutung bewusst wird, wird einem klar, dass Babys gar keine Wünsche, sondern Grundbedürfnisse haben.“ Ja schon, aber was, wenn das Kind denn nun gar niemals aus dem Co-Sleeping oder Familienbett raus will? Hier lacht Melanie und erzählt aus ihrer eigenen Erfahrung: „Meine Tochter hat mir mit drei ganz klar und deutlich gesagt – so Mama, und jetzt möchte ich ein eigenes Zimmer und ein eigenes Bett.“ Das Bedürfnis nach Nähe war bei Melanies Töchterchen gestillt und es kam seitdem auch nicht vor, dass sie nochmal bei Mama und Papa im Bett hätte schlafen wollen. „Kinder werden oft unterschätzt in dem, was sie schon in ihrem jungen Alter mitbringen. Auch wenn sie noch klein sind, sind sie schon kompetent und teilen uns ihre Bedürfnisse mit den Mitteln, die sie zur Verfügung haben, mit,“ so Melanie. Abschließend gibt sie noch mit: „Schlafen hat mit Gewohnheiten zu tun, die man auch verändern und anpassen kann. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, ist es das auch nicht – daher gerne auf das Bauchgefühl, das wir alle haben, hören, an der Natur orientieren und fremde Meinungen mal außen vor lassen.“
Viktoria Defrancq-Klabischnig