Claudia Pali über ihren Weg vom Sport in die Politik und darüber, was sie antreibt.
Wir treffen uns im Café Rainer, sie kommt mit Gepäck: In einer Tasche ist Zwergspitz Nala verstaut. Dort hält es den Vierbeiner aber nicht lange, bald sitzt er auf Claudias Schoß und macht es sich dort gemütlich. Frauchen herzt den kleinen Liebling, sie lacht verlegen. Dass hinter der schüchternen Fassade eine Frau steckt, die weiß, was sie will und dafür hart arbeitet, offenbart sich mir nach und nach: Claudia ist eine echte „Sainihånserin“, 1982 geboren. Nach der Unterstufe des Gymnasiums wechselt sie an die Schi-Handelsschule in Schladming und absolviert dort auch den HAK-Aufbaulehrgang, den sie mit der Matura abschließt. Ihr Herz brennt für den Rennsport. In jungen Jahren in der Schule ein Mobbing-Opfer, lernt sie in Schladming, sich durchzusetzen; sie gewinnt an Selbstvertrauen. „Diese Lebensschule macht sich heute noch in der Politik bezahlt“, erzählt sie. Sie ist schon als Kind kräftig gebaut, Ausdauer ist nicht ihre Stärke. Zudem leidet sie damals an Belastungsasthma. In Tirol hat sie deshalb keine Chance, sie heuert stattdessen bei einem Skiclub in Niederösterreich an. „Hier war ich der Star“, erzählt Claudia und lacht. Bis 2006, bis zu ihrem 24. Lebensjahr, bestreitet Claudia FIS-Rennen in ganz Europa. Die Karriere endet auch aufgrund vieler Verletzungen. „Aber ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe“, sagt sie heute. Durch die Frau ihres Trainers in Schladming kommt sie mit dem Thema „Energetik“ in Berührung, bereits 2005 macht sie sich in diesem Bereich selbständig. Später wird sie Masseurin und schließlich Heilmasseurin.
Die weiße Flauschkugel hat sich während unseres Gesprächs in Claudias Arm geschmiegt und schläft.
Seit bald neun Jahren im Gemeinderat
Mit Politik hat Claudia bis zum Jahr 2015, dem Jahr der Flüchtlingskrise, nichts zu tun. Die Position der FPÖ zu diesem Thema gefällt ihr damals gut. „Ich bin eine Verfechterin davon, dass man zuerst sich selbst hilft und dann den anderen, sonst kann man den anderen gar nicht helfen“, erklärt sie. „Das mag egoistisch klingen, für mich ist es nur logisch.“ Da sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hält, wird man bei der FPÖ auf sie aufmerksam und fragt sie, ob sie Gemeinderätin für die Partei werden wolle. Sie will. Auch, weil sie weiß, dass sie ihren Vater damit sehr stolz macht. 2016 zieht sie für die FPÖ in den Gemeinderat ein. Aufgrund von Unstimmigkeiten erklärt sie sich jedoch 2018 für unabhängig. „Gegen Ideen zu stimmen, nur weil sie nicht aus dem eigenen Lager kommen, ist nicht mein Ding“, sagt sie dazu. 2021 tritt sie gemeinsam mit Heribert Mariacher noch einmal an, die beiden schaffen wieder zwei Mandate. „Das alles kostet uns viel Zeit, Nerven und auch Geld, weil wir ja alles selbst finanzieren müssen“, sagt Claudia dazu. Man habe keinen Dank, dafür viel üble Nachrede. Was hält sie dennoch im Gemeinderat? „Weil man gestalten und Dinge ändern kann, das geht nur so“, erklärt Claudia. Wenn sie als Gemeinderätin einen Antrag einbringe, müsse jener zumindest behandelt werden. „Wenn ich eine Bürgerin bin, passiert in vielen Fällen nix.“ Sie hat in den Jahren einiges durchgesetzt. Aktuell mache sie sich für die Errichtung eines Hundeparks stark, erzählt sie. Sie wolle gehört werden und Sprachrohr für die St. Johannerinnen und St. Johanner sein. Für ihre Liste „Parteifrei für St. Johann“ betreut sie die Homepage sowie den Youtube-Kanal, Facebook und Instagram. Sie betreibt ihre Praxis an vier Tagen in der Woche, zwei sind für die Politik reserviert.
Nicht jammern, sondern anpacken
Da sich Claudia als Heilmasseurin von der Wirtschaftskammer seit Jahren zu wenig stark vertreten fühlte, stellte sie auch hier eine eigene Liste – Team Heilmasseure Tirol – auf und machte bei der Wirtschaftskammerwahl auf Anhieb vier Mandate – ein sensationeller Erfolg. Sie wurde zur Innungsmeister-Stellvertreterin gewählt und vertritt somit auch die Interessen der „FKMler“, wie sie es ausdrückt, also für die Bereiche Fußpflege, Kosmetik und Massage. Auch für diese Gruppierungen übernimmt sie das Warten der Internetseite, die Social-Media-Agenden und dazu die Mitgliederverwaltung und -betreuung. „Das nimmt jeden Tag ein paar Stunden in Anspruch, ich mache das meistens in der Nacht“, gesteht sie. Geld verdient sie damit nicht. Doch es ist ihr wichtig, die Masseur:innen und „FKMler“ in der Öffentlichkeit als wichtige Säule der Gesundheit zu positionieren.
2023 organisierte Claudia die erste Beauty- und Gesundheitsmesse in St. Johann, im Oktober dieses Jahres folgt die zweite. Hier präsentieren sich Vertreter:innen sämtlicher Sparten, die sie vertritt. Weil alles so gut läuft, hat sie inzwischen eine andere Liste gegründet, weitere sollen folgen. Für jede übernimmt sie die Öffentlichkeitsarbeit mit Internet und Social Media. All diese Aktivitäten nehmen sehr viel – ehrenamtliche – Zeit in Anspruch. Warum tut sie sich das an? Sie könnte ihre Zeit bestimmt auch anders, entspannter, verbringen …
„Wenn mich etwas stört, will ich nicht jammern und abwarten, sondern anpacken und das Thema angehen. In der Kammer kann ich intervenieren und lästig sein, bis sich hoffentlich etwas ändert“, erklärt sie. Dieses Prinzip verfolge sie auch im Gemeinderat, so Claudia. „Dranbleiben und nicht aufgeben, nennen wir es so“, meint sie lächelnd. „Deshalb habe ich so viele Freunde.“ Die letzte Aussage ist ironisch gemeint. „Es weht mir starker Wind von allen Seiten entgegen“, konkretisiert sie. Das sei so, weil sie nicht aufgebe, nicht klein beigebe und sage, was sie sich denke. Immer wieder müsse sie sich die Phrase anhören: „Du immer mit deinen Anträgen!“, begleitet von Augenrollen. Claudias Statement dazu: „Ich mache trotzdem weiter!“ Sie sei nicht gegen alles, ganz im Gegenteil. Sie wolle etwas bewirken: „Ich wundere mich immer über Leute, die auf Facebook zu allem eine Meinung haben und alles besser wissen. Ich sitze jetzt seit neun Jahren im Gemeinderat und habe noch nie jemanden von den Leuten, die da regelmäßig ihren Senf dazugeben, bei einer öffentlichen Sitzung gesehen.“ Claudia erinnert sich an einen Gemeinderatsausflug nach Berlin, dort habe man sie privat erlebt. Viele hätten sich damals gewundert, wie sympathisch und gesellig sie sei, meint sie. „Es bräuchte mehr Gelegenheiten, sich besser kennenzulernen.“
Familienmensch
Claudia Pali ist 42 Jahre alt. Viele Frauen haben in diesem Alter eine Familie gegründet. Gibt es den Wunsch danach auch bei ihr? „Eine Familie war immer ein Thema, aber es hat sich nicht ergeben“, meint sie. Ganz vom Tisch sei das Thema aber noch nicht. Sie sagt: „Ich habe mein Kind ja mit, noch mehr Liebe kann mir niemand geben“, und drückt die Fellkugel an sich.
Ihre wenige Freizeit verbringt Claudia gerne im Kreise der Familie, mit ihrer Mama, ihren Schwestern und deren Kindern. Für die Zukunft hat sie keine großen Wünsche, außer, dass alle gesund bleiben. „Alles andere kann man sich richten.“
Es würde sie jedoch freuen, wenn man sie eines Tages zur Innungsmeisterin wählen würde, meint sie, aber das hänge nicht von ihr ab. „Mein Motto: Ich gebe mein Bestes, und das bis zum Umfallen!“, sagt sie. Sie hält daran fest, auch wenn es sie mehrmals ans Limit brachte, physisch wie psychisch. Weil sie alles selbst tut und kaum Hilfe annimmt. „Ich kann aus meiner Haut nicht heraus“, sagt sie. Nun, damit ist sie nicht alleine. Man mag es als Schwäche sehen. Als Schwäche einer Frau, die zweifellos über sehr viele Stärken verfügt. Auch wenn das nicht alle toll finden.
Doris Martinz