Als Mitarbeiterin der Initiative „Essen auf Rädern“ beliefert Hemma Maurer ältere, alleinstehende „Sainihånser:innen“

Sie komme ursprünglich aus Kärnten, erzählt Hemma. Das erklärt auch ihren Vornamen, der im Süden Österreichs nicht ungewöhnlich ist. Er stamme von einer adeligen Kirchen- und Klostergründerin in Kärnten, lasse ich mir sagen.
Die Hemma, die mir im Café gegenübersitzt, kam vor vielen Jahren über den Tourismus nach St. Johann: Ihr Mann arbeitete im Gastgewerbe, und als die beiden gemeinsamen Kinder alt genug waren, nahm auch Hemma ihre Arbeit als Servicekraft in einem Hotel wieder auf. 2002 verstarb ihr Mann. Ein Verlust, der auch dann noch schwer wog, als die heute 73-Jährige in Pension ging – Leere macht sich breit. „Natürlich hatte ich meine vier Enkelkinder, um die ich mich gerne kümmerte. Aber sie waren auch schon aus dem Gröbsten heraus. Und die Woche hat sieben Tage“, sagt sie. Wenn man im Gastgewerbe gearbeitet habe, so Hemma, könne man nicht einfach so daheimbleiben und nichts tun. Sie suchte nach einer neuen Aufgabe. Eine, die Sinn macht. Eines Tages fiel ihr ein Auto mit der Aufschrift „Essen auf Rädern“ ins Auge, eine Initiative, die in St. Johann durch das Rote Kreuz organisiert ist. 2013 fing sie als Freiwillige an.

Mehr als Essen-Zustellung

Inzwischen ist sie immer dienstags und donnerstags unterwegs. Meist mit einem „Zivi“, einem Zivildiener des Roten Kreuzes, der hinter dem Steuer sitzt. Ihren jungen Begleitern stellt Hemma ein sehr gutes Zeugnis aus: Die meisten seien freundlich, engagiert und hilfsbereit.
Gegen zehn Uhr nehmen sie beim Krankenhaus das Essen für die „KAPA“ , den Kindergarten und die „Glückskäfer“ in Kirchdorf entgegen und stellen es zu. Dann, gegen halb 11 Uhr, holen sie die Boxen für die privaten Haushalte ab. Zirka 30 bis 40 Adressen sind es, die sie in St. Johann ansteuern, die Anzahl bleibt seit Jahren stabil. Die Empfänger können die Gerichte täglich beziehen oder auch nur an einzelnen Tagen. Es sind „Sainihånser:innen“, die nicht mehr in der Lage sind, für sich selbst zu kochen – weil sie betagt sind oder krank, oder auch beides. Hemma händigt ihnen die Box mit dem frischen Gericht aus und nimmt jene des Vortags wieder mit.
In nicht wenigen Fällen sind Hemma und ihre Kolleginnen und Kollegen die einzigen Kontaktpersonen ihrer Kundschaft – die Verwandten wohnen in Orten, die weit entfernt liegen; manche haben keine Familie, und auch die Freunde sind alt oder schon verstorben. Entsprechend groß ist die Freude, wenn Hemma mit dem Mittagessen kommt. Ein freundliches, fröhliches Gesicht und einen kurzen Wortwechsel gibt es zur Mahlzeit immer dazu. „Ich mag das, und von den Leuten kommt viel Nettes zurück“, erzählt sie lächelnd. „Mit der Zeit baut man Beziehungen auf.“
Sie weiß, welche Kundinnen und Kunden Angehörige haben, die regelmäßig Nachschau halten – und bei wem das nicht der Fall ist. Bei diesen Klient:innen ist sie besonders achtsam. Bleibt die Box vor der Tür einen Tag lang unberührt, schrillen bei ihr die Alarmglocken – zurecht, wie sich schon herausstellte. „Einmal haben wir über die Zentrale des Roten Kreuzes in Kitzbühel die Feuerwehr geholt. Man hat die Tür aufgebrochen und die Bewohnerin in der Badewanne vorgefunden. Sie konnte nicht mehr aus eigener Kraft aus der Wanne steigen“, erzählt Hemma. Zum Glück sei in diesem Fall alles gut ausgegangen, die Frau habe sich im Krankenhaus schnell erholt. Das Vorkommnis sei jedoch kein Einzelfall. Hemma und ihre Kolleg:innen bringen nicht nur das Essen, sie halten auch Nachschau und fragen nach, wenn ihnen etwas seltsam erscheint.
Hemma macht das alles gerne. Weil sie spürt, dass die Menschen sie brauchen. „Ich weiß, dass mein Dienst Sinn macht. Für Larifari wäre ich nicht zu haben.“ Auch in den Weihnachtsfeiertagen wird das Essen geliefert. Sind die Menschen an diesen Tagen vielleicht besonders rührselig? „Nein, es sind ganz normale Tage. Die einen haben Verwandte, die zu Weihnachten kommen. Und die, die niemanden haben, sind das gewohnt“, meint sie. Außerdem werde beim Zustellen immer ein wenig gescherzt und gelacht, das vertreibe dunkle Wolken.
Kritik an der Kost gebe es kaum. „Manchmal ist etwas dabei, das der eine oder andere nicht so gerne mag. Das ist halt so, wenn man nicht für sich selbst kocht. Aber im Prinzip sind die Leute sehr zufrieden und dankbar.“ Weil sie ihre Kundschaft inzwischen so gut kennt, weiß sie, wer keinen Fisch oder weniger Fleisch mag und sorgt dafür, dass die Betreffenden an einzelnen Tagen in der Liste der Vegetarier geführt werden.
Gegen 13 Uhr, nach gut drei Stunden, ist die Tour meist beendet.

Helfer:innen gesucht

Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem Hemma selbst auf die Dienste von „Essen auf Rädern“ zurückgreifen wird. „Ja, warum nicht – wenn es dieses Angebot dann noch gibt?“, meint sie skeptisch. Es würden sich nämlich immer weniger Freiwillige zum Dienst einteilen lassen. Derzeit sind in St. Johann 14 ehrenamtliche Mitarbeiter und drei Zivildiener im Einsatz. Alle paar Monate treffen sie sich zum geselligen Austausch. „Da geht es immer lustig zu“, sagt Hemma augenzwinkernd.
Weitere Helfer:innen werden dringend gesucht. „Es hilft uns schon, wenn jemand einmal im Monat fährt“, erklärt sie. Interessierte melden sich am besten beim Roten Kreuz in Kitzbühel, Tel. 05356/6910. Hemma freut sich immer über neue Kolleginnen und Kollegen, die wie sie erkennen: Wer für andere da ist, tut sich auch selbst Gutes.
Doris Martinz