Alexander Fischer hat zwar keine Bio-Zertifizierung, seine Hühner sind ihm dennoch wichtig.
Wer den Weg zum Fußballplatz in Oberndorf findet, der findet auch zum Linderbrand Hof, dem Zuhause von 2.000 Hühnern und ein paar Menschen – eingebettet in eine malerisch schöne Lichtung mit Blick auf den Wilden Kaiser. An dem Herbsttag, an dem ich Alex, wie ihn alle nennen, besuche, scheint er zum Greifen nah.
Er zeigt mir gleich die Hühnerställe: Es gibt zwei davon, in beiden sind jeweils zirka eintausend Tiere untergebracht. Gefühlt die Hälfte stürmt flügelschlagend und gackernd auf uns zu, als wir die Stalltür öffnen. Was für ein Auflauf! Ich fühle mich fast geehrt ob der Anteilnahme an meinem Besuch.
Das Geflügel hat Tradition am Hof: Schon Alex’ Großeltern hielten hier Hennen im großen Stil. Als seine Mutter die Landwirtschaft übernahm, war Alex sechs Jahre alt. Die Hühner lebten damals in Käfighaltung, die erst vor ein paar Jahren gänzlich verboten wurde. Am Linderbrand Hof baute man sehr bald – noch lange, bevor das Verbot kam – auf Bodenhaltung um. Später stellte man auf die Volieren um. „Das funktioniert gut, weil die Hühner hier viel Platz haben und Legenester vorfinden, in denen es ruhig und dunkel ist, wie sie es mögen“, erklärt Alex. Ich mache im gedimmten Licht einige Tannenzweige aus, die an den Stellagen festgebunden sind – Spielzeug für die Hennen, die daran herumzupfen, um sich die Zeit zu vertreiben. Sie genießen auch gerne ein Bad in der Sand- oder Steinmehlmulde, erzählt Alex. Das Wohl seiner Tiere liegt ihm am Herzen, das ist nicht zu übersehen. Aber ein Bio-Betrieb ist der Linderbrand Hof nicht. Warum? „Weil mir das Wohl unserer Tiere wichtiger als die Bio-Zertifizierung ist“, antwortet der „Hühnerbauer“ und erläutert: Für „Bio“ müsse man die Hennen im Freiland halten. Der doch schon in die Jahre gekommene Stall in Verbindung mit dem bei uns vorherrschenden Klima sei dafür nicht ideal. Wenn sich die Hühner erkälten und krank werden, müssen sie eventuell mit Antibiotika behandelt werden. Alex will das nicht: In den letzten 30 Jahren wurde am Linderbrand Hof kein einziges Mal Antibiotikum eingesetzt. Er setzt lieber auf Eier aus Bodenhaltung und gesunde Tiere. „Meinen Hennen geht es sicher nicht schlechter als jenen von Bio-Betrieben mit zehntausenden Tieren“, sagt er. Die Frage sei, wo man noch Bauer ist und wo die industrielle Produktion anfängt. „Bio“ sei nicht automatisch besser für das Tier. Wenn man in puncto Tierwohl sichergehen wolle, solle man am besten direkt und regional kaufen und sich selbst ein Bild machen, so Alex.
Eier gegen Einsamkeit
Alex’ Hennen legen jeden Tag zwischen 1.500 und 1.600 Eier. Jedes einzelne holt er händisch aus dem Nest oder vom Förderband, befüllt damit die Sortiermaschine, legt es in den Eierkarton, stapelt die Kartons ins Auto, überreicht es seiner Kundschaft und hat es so – bevor es verkauft ist – sechsmal in der Hand.
Seine Ware – neben den Eiern bietet Alex auch Honig aus eigener Produktion an – verkauft er vor allem über den Direktvertrieb: Dreimal pro Woche fährt er seine Runden und beliefert viele Private und auch Gastronomiebetriebe im ganzen Bezirk. Viele seiner älteren privaten Kundinnen und Kunden kennt er seit Jahren, manchmal ist er einer der wenigen Ansprechpartner, die sie noch haben. „Drei von meinen Kunden kaufen länger Eier vom Linderbrand Hof, als ich auf der Welt bin“, erzählt er schmunzelnd. Alex ist vierzig Jahre alt. Wann immer es möglich ist, nimmt er sich Zeit für einen kurzen Ratscher mit seinen Kundinnen und Kunden.
Von der Werkstatt in den Stall
Alexander Fischer ist mit Herz und Seele „Hühnerbauer“. Dabei kommt er eigentlich aus einem technischen Beruf: Er absolvierte bei Wörgartner, Oberndorf, die Ausbildung zum Werkzeugmacher-Meister, musste seinen Beruf jedoch aufgrund einer Allergie aufgeben. In der Folge verdiente er sein Geld als Logistikleiter bei Sinnesberger und danach als Autoverkäufer bei Seat Kaufmann in Kirchdorf. Als seine Mutter vor zwei Jahren in Pension ging, übernahm er den Hühnerhof. Seine Frau Christiane unterstützt ihn bei der Arbeit. Als die beiden sich kennenlernten, so erzählt Alex, sei Christiane begeistert gewesen zu hören, dass er Bauer werde. Sie liebe alle Tiere, sagte sie, Pferde, Kühe, Schafe, Ziegen und mehr – nur Hühner nicht. „Es hat trotzdem geklappt, und mittlerweile hat sie das Federvieh auch ins Herz geschlossen“, sagt Alex lächelnd.
Die beiden haben drei Töchter bekommen: die siebenjährige Hanna, die vierjährige Magdalena und Antonia, fünf Monate alt. Die beiden älteren helfen bei den Hühnern schon recht „gschaftig“ mit.
Die Ställe sind mittlerweile in die Jahre gekommen. Alex überlegt, einen neuen Freilaufstall zu bauen. „Wir sind gerade beim Überlegen und Durchrechnen“, sagt er.
Vollerwerbsbauer
Am Linderbrand Hof führen Hennen zirka eineinhalb Jahre ein möglichst artgerechtes Leben. Nach diesem Zeitraum jedoch legen sie so wenige Eier, dass ihre Haltung nicht mehr wirtschaftlich ist. Alle Tiere eines Stalls werden dann in eine Großschlächterei nach Amstetten transportiert – stressfrei, in der Nacht, wenn sie schlafen. Wenn der Stall gründlich gereinigt und desinfiziert ist, kommen die neuen, jungen Hühner.
Reich werde er als Hühnerbauer wohl nie werden, meint Alex, alle Investitionen müssen gut überlegt sein. Wichtig sei für ihn jedoch, dass er die Landwirtschaft im Vollerwerb führen könne und nicht einer zusätzlichen Arbeit nachgehen müsse. „Solange sich das alles trägt, bin ich zufrieden.“ Und die Hühner sind es wohl auch, solange sie an Tannenzweigen picken und im Steinmehl baden dürfen.
Doris Martinz