Christoph Holz buchte in den USA ein autonomes Taxi. Von panischen Momenten, dem Bus, der immer kommt und mehr.
Wo bleibt er denn? Ah, da kommt er schon „angeflogen“ auf seinem E-Scooter, im Hemd und mit Fliege um den Hals, natürlich – sie ist sein Markenzeichen. Wir treffen uns an einem Spätherbsttag im Café Rainer, Christoph erzählt von seinem Aufenthalt im Sommer in den USA. Wir wollen über die neue Mobilität sprechen, über Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren, das er in San Francisco selbst ausprobiert hat. Aber zuerst kommen wir irgendwie (wahrscheinlich über den appetitlich aussehenden Käsekuchen, den er ordert) zum Thema Ernährung, und der St. Johanner erzählt davon, dass er kürzlich veganen Lachs aus dem 3D-Drucker gegessen habe. Die Vorstellung davon lässt mich unwillkürlich erschaudern. Aus dem 3D-Druck kommt doch für gewöhnlich Plastik, oder? „Nicht unbedingt, das Füllmaterial für den Drucker kann auch aus anderen Stoffen bestehen“, erklärt Christoph. So könne man im Internet einen Drucker für Omeletten bestellen. „Da füllt man den Teig ein und kann damit beispielsweise einen Omelett-Astronauten ausdrucken.“ Der vegane Lachs, den er gegessen habe, habe auf jeden Fall ausgezeichnet geschmeckt, versichert er mir. Eine Wiener Firma habe den ersten Seriendrucker für Lebensmittel entwickelt, er werde vorläufig vorwiegend in der Gastronomie eingesetzt.
Umbruch in der Lebensmittelindustrie
Veganen Lachs kenne ich aus dem Supermarkt. Er ist bei den Fleischersatzprodukten zu finden, von denen es immer mehr gibt. „Es macht ja auch Sinn, den Fleischkonsum zu reduzieren“, meint Christoph dazu. Es bahne sich zurecht ein großer Umbruch in der Lebensmittelindustrie an, schließlich gelte es, aus ökologischen Gründen den hohen Wasser- und Landverbrauch zu reduzieren, der mit der Massentierhaltung einher geht. Auch dass ein zu großer Anteil an Lebensmitteln in der Mülltonne landet, ist ein großes Problem. IKEA sei es in diesem Zusammenhang gelungen, berichtet Christoph, mit Hilfe eines KI-gesteuerten Abfalleimers, der Weggeworfenes fotografiert und dokumentiert, die Küchenabfälle in der Gastronomie um fünfzig Prozent zu reduzieren.
Und im privaten Bereich? Hier helfe die KI-gesteuerte Kalorienanalyse beim Abnehmen, erklärt mir Christoph. Man fotografiert eine Speise, und die KI rechnet innerhalb Sekunden aus, wie viele Kalorien sie enthält. Was die KI wohl zu Christophs Käsekuchen sagen würde, den er genüsslich um elf Uhr vormittags verputzt? Wer weiß, vielleicht würde sie ihm über das Handy einen Stromstoß erteilen? Der Kuchen schaut gut aus, aber gesund ist er wohl nicht. Oder teilt KI meine Meinung, nämlich: „Kein Kuchen ist auch keine Lösung!“ „KI bevormundet nicht, sie urteilt nicht, sie berechnet nur die Kalorien“, meint Christoph schmunzelnd. „Aber am Ende hätte ich vielleicht gerne einen Kühlschrank, der mit meiner Waage im Badezimmer gekoppelt ist. Wenn ich zu viel wiege, geht die Kühlschranktür nicht auf.“ Schöne Aussichten sind das, wir lachen herzlich darüber. Zumindest tun wir das NOCH.
Fahrerlose Taxis auf dem Vormarsch
Wir wenden uns dem eigentlichen Thema, das wir besprechen wollen, zu: dem autonomen Fahren. Seit einigen Monaten darf man in einigen Bundesstaaten der USA mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen autonom unterwegs sein, man hat dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Rein technisch wäre es natürlich auch bei uns bereits möglich, es ist allerdings noch nicht erlaubt. Steuert man beispielsweise einen Tesla 30 Sekunden lang „hands off“, wird man aufgefordert, wieder ans Lenkrad zu greifen. Tut man es nicht, steuert der Wagen an den Straßenrand und bleibt stehen. Macht man das zu oft, lässt sich der Autopilot nicht mehr starten – eine „Erziehungsmaßnahme des Herstellers“, zumindest sei das bei Tesla so, meint Christoph. Man müsse dann aussteigen, das Auto zusperren, wieder aufsperren und neu starten. Eine schriftliche Entschuldigung verlangt das Ding nicht? Christoph ignoriert meine – zugegeben dumme – Frage. Er weiß, wie man das Auto überlisten kann, um auch bei uns schon ohne menschliches Zutun zu fahren. Nein, ich verrate es an dieser Stelle nicht, ich bin Vielfahrerin und möchte demnächst lieber keinen führungslosen Fahrzeugen begegnen. Außerdem soll man keine Lebensmittel verschwenden. Und nun kein Wort mehr davon.
In San Francisco beherrschen die weißen, autonomen Taxis mit den großen Sensoren am Dach inzwischen das Stadtbild, erzählt Christoph. Man bestellt die Taxis über die entsprechende App und braucht dafür (noch) ein amerikanisches Handy und eine amerikanische Kreditkarte. Beides lieh sich Christoph von einem Freund, und los ging’s! Es beschleiche einen schon ein eigenartiges Gefühl, wenn das führerlose Taxi wie ein „Geistertaxi“ auf einen zukomme, gesteht Christoph. Man nimmt auf dem Beifahrersitz Platz, der Fahrersitz bleibt leer, das Lenkrad ist verwaist. Es ist für den Fahrgast tabu, man darf es nicht berühren. Wohin die Fahrt geht, weiß das Auto bereits über die App, bezahlt hat man auch schon. „Dann schaltet die Ampel auf Grün, und das Taxi fährt sehr, sehr zügig durch die Stadt – wie von einem besessenen, aber sehr sicheren Taxler gelenkt“, schildert Christoph seine ersten Autonom-Eindrücke. „Am Anfang fängt man schon an zu schwitzen und bekommt Panik. Ich dachte mir, mein letztes Stündlein habe geschlagen. Aber nach ein paar Minuten gewöhnt man sich daran, man sitzt gemütlich im Auto und denkt sich nichts mehr.“
Ein Dilemma
Christoph erzählt von einer anderen Firma, die ihre Lizenz für autonome Taxis aufgrund eines tragischen Unfalls zurücklegte: Ein herkömmliches Auto hatte eine Passantin angefahren, sie wurde unter das selbstfahrende Auto geschleudert und von jenem mitgeschleift – weil das System nicht erkannte, dass sich unter dem Auto eine Person befand. „Da wird man noch Sensoren einbauen, damit hat man nicht gerechnet“, so Christoph. Autonomes Fahren an sich deshalb aber in Frage zu stellen, hält er für absurd. „Unfälle passieren leider auch so. Wie oft schon wurde ein Kind von einem Bus mitgeschleift? Das ist tragisch, und doch nehmen wir die Gefahr in Kauf. Niemand verbietet Busse, niemand verbietet herkömmliche Autos, obwohl sie viel gefährlicher sind als autonome Fahrzeuge.“ Man schätze, so Christoph, dass weltweit jährlich zirka 1,5 Millionen Menschen durch Autounfälle ums Leben kommen. „Wenn alle Autos autonom fahren, haben wir vielleicht nur noch 15.000 Todesfälle im Verkehr. Aber man darf Menschenleben nicht gegeneinander aufrechnen, das ist unmoralisch. Denn die 15.000 Menschen wären womöglich nicht gestorben, wenn es autonome Autos nicht gäbe“, philosophiert Christoph. „Ein schweres ethisches Dilemma“ nennt er die Angelegenheit.
Der Bus, der immer kommt
Christoph zeigt mir Bilder von selbstfahrenden Taxis – und von futuristisch anmutenden, kleinen Bussen, die ebenfalls autonom unterwegs sind. Auch diese Fahrzeuge sind in San Francisco bereits im Einsatz. „Dieser Bus kommt auf Bestellung via App. Aber wenn auf der Strecke jemand mitgenommen werden kann, steigt die- oder derjenige zu. Den Bus hat man nicht für sich allein“, erklärt er. Dafür sei er täglich 24 Stunden lang verfügbar. Ich denke unmittelbar an die großen, Abgas produzierenden Busse, die untertags bei uns am Land meist spärlich besetzt durch die Gegend fahren. Mit einem Busfahrer, der sich nur eines wünscht, nämlich einen anderen, besseren Job. Christoph und ich sind uns einig: Eigentlich schreitet die Digitalisierung, schreitet die Künstliche Intelligenz in vielen Bereichen zu langsam voran, wir könnten sie schon heute gut gebrauchen. Dann hätten unsere Jugendlichen auch eine sichere und komfortable Möglichkeit, in den frühen Morgenstunden vom Nachtlokal nach Hause zu kommen. Und viele bräuchten endlich kein Zweitauto mehr.
In unserer nächsten Ausgabe vertiefen wir das Thema noch, es geht um Transportthemen, Müllmanagement und mehr. Bis bald im Jahr 2025, es wird richtig futuristisch, versprochen!
Doris Martinz