Christian, Maria und Magdalena von der Volksbühne St. Johann plaudern über Träume, Pannen, gewaltige Sphären …
Das Theater“, so formuliert es Christian Bergmann, „ist ein unheilbarer Virus. Wenn er dich einmal erfasst hat, dann kannst du es nicht mehr lassen.“ Er weiß, wovon er spricht: Seit 20 Jahren ist er Mitglied der Volksbühne St.Johann, seit einigen Jahren deren Obmann.
Wir haben uns für unser Gespräch im Probenraum im Keller des Kaisersaals verabredet, mit dabei auch Kassiererin Maria Feiersinger und Jungtalent Magdalena Grassmann. Das Bühnenbild für das aktuelle Stück ist Ende Februar schon aufgebaut: Es schaut aus wie eine Bühnen-Baustelle, also ziemlich „unfertig“. Das muss so sein, erklärt der „Samerbauer“: „Wir spielen uns selbst bei den Proben für ein neues Stück.“ Es sei gar nicht so einfach, die eigene Person darzustellen und zugleich einen weiteren Charakter, meint Maria. Sie arbeitet als Portier im Krankenhaus St. Johann und ist ebenfalls vor 20 Jahren zum Theater gekommen – mit 44 Jahren, sobald es die Lebensumstände der alleinerziehenden Mutter zuließen. Ihre Tochter ist inzwischen hinter der Bühne im Einsatz: Sie schminkt die Schauspieler:innen.
Magdalena Grassmann, 16, spielt heuer ihre zweite Saison. Das Virus packte sie in der Mittelschule bei den Proben für das Musical, das alle zwei Jahre aufgeführt wird. Sie findet es aufregend, in eine fremde Haut zu schlüpfen, auf der Bühne jemand anderer zu sein. „Außerdem ist es immer total lustig bei den Proben!“ Das sehen die 25 aktiven der insgesamt 54 Vereinsmitglieder wohl sehr ähnlich.
Mehr Drama, bitte
Lustig sind auch die Stücke der Volksbühne St. Johann – es sind meist Komödien. „Ein Drama würde uns schon reizen vom Schauspielerischen her, da kann man ganz anders agieren. Aber das Heitere kommt bei uns auf dem Land halt im Allgemeinen besser an“, sagt Christian mit einem leicht resignierenden Tonfall. Auch Maria würde gerne mal „etwas Tragisches“ spielen: „Starke Emotionen ausdrücken, die Leute zum Nachdenken und nicht immer nur zum Lachen bringen.“ „Dem Teufel seine Großmutter“ sei eine ihrer besten Rollen gewesen, da sei sie auf der Bühne aus einem Ofen gekrochen. Ihre Augen glänzen vor Vergnügen, als sie davon erzählt. Abgesehen davon habe sie aber keine Lieblingsrollen. Wichtig sei ihr, dass das Ensemble harmoniere. Christian nickt zu ihren Worten und ergänzt: „Für mich ist es am schönsten, wenn ich merke, dass eine Verbindung da ist, dass die Leute mitgehen und wir ihre Emotionen wecken können. Für dieses Gefühl lohnt sich all der Aufwand.“ Und was ist mit dem Schlussapplaus, ist nicht jener das Wichtigste für die Darstellenden? „Es wäre natürlich schlimm, wenn es keinen Applaus gäbe. Aber er ist nicht alles“, formuliert es Maria. Sie pflichtet dem Obmann bei: „Noch viel schöner ist es, wenn man während der Aufführung merkt, dass man die Leute in seinen Bann gezogen hat.“ „Das Publikum kann dich pushen, es kann dich in Sphären heben, das ist gigantisch“, schwärmt Christian euphorisch. „Es kann dich aber auch ausbremsen“, sagt er, und das Hoch in seiner Stimme ist im Nu verflogen. Beim Schlussapplaus, gesteht er, würde er sich manchmal lieber hinter dem Vorhang verstecken. Alles, was zähle, spiele sich während des Stücks ab.
„Außerdem bekommen nur wir den Applaus. Er steht aber auch so vielen Leuten zu, die hinter und abseits der Bühne wichtige Arbeit leisten“, gibt Magdalena zu bedenken. „Im Prinzip muss die ganze Familie dahinterstehen, wenn man Theater spielt“, stimmt Christian zu. Seine Frau Barbara managte zum Beispiel unser Treffen, die drei gemeinsamen Kinder standen bereits als Engel auf der Bühne.
Männer auf die Bühne!
Die Volksbühne St. Johann kann auf eine lange Tradition zurückblicken, im Jahr 2019 feierte sie ihr 100-jähriges Bestehen. Dennoch hatte der Verein jahrzehntelang keine Heimat, man spielte auf den verschiedensten Wirtshausbühnen. Unter anderem im Huberbräu-Saal. Dort schenkte einst die Mutter des kleinen Christian ein, und ihr Sohn durfte nach der Aufführung den Geheimnissen, die sich hinter dem Vorhang versteckten, auf den Grund gehen. „Seitdem brennt das Feuer“, sagt der heute 46-Jährige lächelnd.
Erst 2005, als der Kaisersaal erbaut wurde, bekam die Volksbühne ein Zuhause; gespielt wird mittlerweile in der Alten Gerberei. Das Repertoire umfasst vor allem Komödien, wie schon gesagt. Und das, obwohl es heute alles andere als einfach sei, die Besucherinnen und Besucher zum Lachen zu bringen, wie der Obmann erklärt: „Die Leute sind wohl übersättigt von dem, was ihnen über die Sozialen Medien via Memes, Reels und so weiter täglich an Lustigem und Witzigem vorgesetzt wird.“ Dennoch werde er weiterhin sein Bestes geben, so Christian. Für das Publikum – und für sich selbst.
Er ist einer der wenigen Männer der Theatergruppe, die auf der Bühne ihr Glück finden. Männliche Verstärkung tut dringend not: „Du kannst ruhig einen Aufruf bringen, wir brauchen mehr Männer und auch junge Leute für unsere Stücke“, fordert mich Maria auf. Wird hiermit erledigt.Vielleicht sind Frauen einfach mutiger, wenn es um den Bühnenauftritt geht? Wie erlebte denn Magdalena ihr „erstes Mal“? „Eigentlich ist es ganz gut gegangen“, meint sie bescheiden. „Der Magdalena liegt das Theater ja auch im Blut“, weiß Maria. Magdalenas Opa, der „Kaiser Pepp“, war ein legendärer Schauspieler und stellte jahrzehntelang den Nikolaus in St. Johann dar. Auch ihre Oma habe Theater gespielt, fügt die Weitau-Schülerin noch dazu. Mit dieser familiären „Vorbelastung“ will sie vielleicht selbst einmal Schauspielerin werden, mutmaße ich. „Nein, das wohl nicht“, wehrt sie ab. Eher stünden Berufe wie Goldschmiedin, Hebamme oder Tischlerin zur Debatte. „Tischler wäre super für den Bühnenbau!“, hakt der Obmann gleich ein, alle lachen.
Tickt der „Saminger“ noch richtig?
Als Schauspieler:in heißt es, Texte auswendig zu lernen. Wie verinnerlichen Maria, Magdalena und Christian ihre Passagen? „Beim Walken und beim Autofahren, da sage ich mir meinen Text laut vor“, lässt mich Maria wissen. „Ich singe meinen Text, dann kann ich ihn mir besser merken“, so der Tipp von Magdalena. Und Christian? Er spreche seine Zeilen bei der Stallarbeit vor sich hin, seine Kühe seien davon recht angetan, meint er schmunzelnd. Einmal, berichtet er, habe er den Text laut aufgesagt, als er mit dem Motorrad auf die Alm fuhr. Offensichtlich belauschte ihn dabei wohl ein Schwammerlsucher. „Der Saminger tickt nicht mehr ganz richtig, der führt schon Selbstgespräche“, hieß es am nächsten Tag. Christian kann darüber herzlich lachen.
Er sucht die Stücke für die Volksbühne nach seinem Bauchgefühl aus. „Wenn ich es zum ersten Mal lese, muss die Inspiration da sein“, beschreibt er seinen Zugang. Jeder, der mitspielen will, bekommt eine Rolle zugeteilt – zur Not schreibt Christian einen kleinen Part dazu. Er selbst verkörpert gerne fiktive Rollen und träumt davon, einmal mit seinem Ensemble vor der Pfarrkirche den „Jedermann“ zu spielen. „Dann wäre ich der Teufel.“ Alleine kann die Volksbühne so ein Stück nicht auf die Bühne bringen – vielleicht findet sich ja eine andere, engagierte Gruppe in der Region, die den Traum teilt? Ein Freiluftstück – das schwebt auch Maria vor. Sie jedoch sieht den Eifelsbacher Wasserfall als Location: „Irgendwann spielen wir da drin!“
Hoffentlich kommt es dann nicht ausgerechnet bei dieser Aufführung zu einem Lachflash auf der Bühne. „Das mag unser Obmann gar nicht“, plaudert Maria aus dem Nähkästchen. „Einmal einen Hänger haben und den Text vergessen, das mag vorkommen. Da hilft man sich dann gegenseitig. Aber vor lauter Lachen aus dem Konzept geraten – nein, das geht für mich gar nicht“, sagt der Obmann denn auch streng. Was aber tun, wenn eine Kollegin in der Eile die Perücke falsch aufsetzt, den Scheitel am Hinterkopf und das Haar wie ein Vorhang vor dem Gesicht? Wenn die arme Kollegin auf der Bühne so elegant wie erfolglos versucht, die Haare irgendwie aus dem Blickfeld zu bekommen und allein schon der Anblick ihrer Bemühungen das Zwerchfell reizt? „Dann ist es vorbei mit der Contenance“, erinnert sich Maria sichtlich erheitert an den Vorfall, den sie zuvor beschrieben hat. „Es gab einen Lachflash, und das Publikum hat schallend mitgelacht.“ Über etwas lachen, live, gemeinsam – gibt es etwas Schöneres, Herzerfrischenderes? Probiert es aus!
Die Volksbühne St. Johann präsentiert ihr Stück „Desmoi wås mit Niveau“ an folgenden Tagen:
Alte Gerberei St. Johann jeweils 20 Uhr:
Freitag, 11.4.2025
Samstag, 12.4. 2025
Mittwoch, 16.4.2025
Mittwoch, 23.4.2025
Freitag, 25.4.2025
Donnerstag, 1.5.2025 (nachmittags 15 Uhr) und
Freitag, 2.5.2025.
Kartenreservierung auf www.volksbühne.at
Doris Martinz