Ein Gespräch mit Michael Schenk – warum seine Mutter einem früheren Kommandanten die Leviten las, über belastende Situationen, und was ihn bei der Feuerwehr fasziniert.

Dass Michael Schenk im Dezember zum Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr St. Johann gewählt wurde, hat inzwischen wahrscheinlich jeder mitbekommen. Doch wie ist Michael, wie tickt er? Bei unserem Gespräch im Café Rainer bekam ich eine Ahnung davon.

Den Kaffee trinkt er auf jeden Fall als „Latte“, also mit viel Milch, und das Stück Schokolade, das mit dem Getränk serviert wurde, trat er gerne an mich ab. Als Sportler gönnt er sich nicht zu viel Zucker. Und sportlich ist Michael auf jeden Fall, früher betrieb er den Langlauf sogar als Leistungssport. Weil er als Jungfeuerwehrmann deshalb viel unterwegs war und kaum eine Übung mitmachen konnte, wollte ihn der damalige Kommandant Höflinger sogar rauswerfen aus der Feuerwehr. „Aber då håt ihm mei Mutter di Leviten g’lesen“, grinst Michael. Als die Mutter 1991 starb, war es unklar, wie es mit dem Familienbetrieb weitergehen würde, und Michael beendete seine sportliche Karriere, um sich der Firma zu widmen, die er heute gemeinsam mit seinem Bruder führt.

Schon mit 15 Jahren trat Michael, heute 49, der Feuerwehr bei. Das hatte zwei gute Gründe: „Weil a da Papa immer dabei wår, und weil i då immer später heimkommen håb dürfen. So bin i ins Londoner gekommen. Sonst hätt’ i’s eh nit erlebt, weil es bald geschlossen wurde.“
War es ein Wunschtraum des jungen Michaels, eines Tages Kommandant zu werden? „Na, überhaupt nit, des is a vor fünf Jahren nu nit der Plan gewesen.“ Mehrere Faktoren spielten zusammen, die dazu führten, dass er vor zwei Jahren das Amt des Stellvertreters übernahm. In diesen zwei Jahren schaute er sich an, ob die oberste Führungsposition für ihn in Frage kommen würde. Sie kam in Frage.
Zuvor durchlief Michael eine beispielhafte Feuerwehr-Karriere. Seit 1999 ist er im Ausschuss tätig, 20 Jahre lang war er Atemschutzbeauftragter, 2005 wurde er Zugskommandant, an die 30 Kurse hat er in all den Jahren besucht. Michael lebt mit der Feuerwehr, und er lebt für die Feuerwehr, fast sein ganzes Dasein lang schon. Seine Kinder Philip und Emma und seine Frau Carmen, sie kennen ihn nicht anders. Carmen hat ihn ermuntert, den Posten in der ersten Reihe zu übernehmen. „Wenn die Unterstützung von der Familie nit gegeben ist, kust sowas sowieso nit måchen.“

Nichts übers Knie brechen

Es ist ein schweres Erbe, das Michael angetreten hat nach Ernst Stöckl, der 27 Jahre lang Feuerwehr-Chef in St. Johann war. Wie geht man so etwas an? „I werd’ des Radl auf jeden Fall nit neu erfinden“, meint Michael pragmatisch. Die FF St. Johann ist gut aufgestellt und 120 Mitglieder stark. Die sind zuvor vereint hinter Ernst gestanden, „jetzt stehn’s zu mir“, sagt Michael. Intern wird es ein paar Änderungen geben, Michael will zum Beispiel dafür sorgen, dass generell mehr EDV Einzug hält. Auch ausbildungsmäßig wird sich etwas tun, aber er will alle etwaigen Umstellungen und Neuerungen behutsam angehen, nichts übers Knie brechen.

Der St. Johanner ist immer noch sehr aktiv im Sport, geht gerne langlaufen, radeln, auf den Berg. „Es wird Situationen geben, in denen i nit då bin,“ sagt er, „Ich sehe es als mei Aufgabe, die Leit’ hinter mir so auszubilden, dass nit alles an einer Person hängt.“ Wichtig ist es ihm, die Feuerwehr als ganzes zu stärken und auch die Führung auf eine breite Basis zu stellen.
Die FF St. Johann ist ja eine Stützpunktfeuerwehr. 2019 wurden 340 Einsätze verzeichnet, auch durch den starken Winter. Das bringt einiges an Verantwortung mit sich. Eine, der sich Michael gerne stellt.

Was macht für ihn die „Faszination Feuerwehr“ aus, was hält ihn alle die Jahre „bei der Stange“?
Er überlegt kurz und sagt dann: „Dass bei uns vo zwölf bis 90 ois dabei is, des is a gewaltige Spanne. Von jeder Altersschicht, von jeder Gesellschaftsschicht håm wir jemanden dabei. Es gibt Bauarbeiter, Elektriker, Tischler, Kanalarbeiter, also gånz viele Gewerke. Und wenn’s gilt, san alle voll då und stellen ihr Wissen und Können zur Verfügung. Da geht’s dahin, ohne dass wås groß hinterfrågt wird.“ Wirklich beeindruckend. Es ist gut, sich das wieder einmal vor Augen zu halten.

Gruppen-Helfer-Syndrom

Eines der ältesten Mitglieder der FF St. Johann ist übrigens Bruno Schenk, Michaels Vater. Bestimmt ist er stolz darauf, dass der „Bua“ jetzt Kommandant ist? „Jå, des g’freit ihn schon“, sagt Michael lächelnd.
Der ehemalige Leistungssportler hat also eine sehr schlagkräftige Gruppe von Männern, auf die er sich zu 100 Prozent verlassen kann. Und was ist mit den Mädchen? In vielen Orten sind sie bei der Feuerwehr stark im Kommen. „Bis jetzt wår des die Entscheidung, dass wir keine Frauen aufnehmen, weil’s einfach a koan Bedarf gibt. Aber des hoaßt nit, dass es in Zukunft immer so bleiben muas.“ Michael wird auch dieses Thema nicht sofort in Angriff nehmen, er gibt den Dingen Zeit, sich zu entwickeln. Und hält alle Optionen offen.

Der hauptsächliche Grund, warum Männer wie Michael bei der Feuerwehr sind, sind aber natürlich die Einsätze. Jeder einzelne von ihnen verfügt wohl über das „Helfer-Syndrom“: Anderen zur Seite zu stehen, macht sie glücklich. So war es auch beim Einsatz zu Weihnachten. Da ging ausgerechnet am 24. Dezember um sechs Uhr abends der Alarm los. Zu einer Zeit also, in der sich die Familien vor dem Christbaum versammeln und Bescherung gefeiert wird. Und dann heult plötzlich die Sirene, und Familienväter springen auf und davon, lassen ihre Lieben zurück, genau in der Stunde, auf die sich ihre Kleinen das ganze Jahr über freuen. Toll ist das nicht. Aber wenn es darum geht, anderen in einer Notlage zu helfen, ist die Feuerwehr da. Ganz egal, an welchem Tag, zu welcher Stunde.

Oft kann das Schlimmste verhindert werden

Die FF St. Johann kam an jenem Tag einer Familie zu Hilfe, die den 24.12. mit einem Fondue feiern wollte. Ein Fettbrand hatte ihre Wohnung in Flammen gesetzt. Zum Glück gab es keine Verletzten, und in einer Stunde war der Einsatz vorbei, alle konnten wieder zurück zu ihren Familien. Froh darüber, dass sie zumindest das Schlimmste verhindern konnten.
Nicht immer gehen Einsätze so glimpflich aus. Michael war viele Jahre lang Mitglied des KAT-Zugs der Feuerwehr, also des Katastrophenhilfszugs, der auch bei Verkehrsunfällen ausrückt. „I trau mich såg’n, dass ich alles gesehen håb, was es zu sehen gibt“, sagt er. Sein Gesicht zeigt keinerlei Regung. Aber ich kann mir vorstellen, dass in diesem Moment wohl auch schreckliche Bilder in seinem Kopf auftauchen.
Oft kann die Feuerwehr Menschenleben retten, manchmal aber kommt jede Hilfe zu spät. Die Bilder und Situationen, mit denen die Helfer konfrontiert werden, setzen allen zu, auch Michael.
Auch wenn er sich beim Gespräch nichts davon anmerken lassen will. Aber dann sprechen wir vom schlimmsten Einsatz im letzten Jahr, davon, wie ein Bub in die Starkstrom-Oberleitung geriet. Als er davon erzählt, stockt seine Stimme. „Wennst da denkst, dass des dei Bua sein kunnt …. des nimmst scho mit nach Hause.“
Die Feuerwehrleute können natürlich psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Aber „am besten is’s, wenn ma danach zusammensitzen und a Bier trinken, darüber red’n.“ Die Aufgabe des Kommandanten ist es auch, darauf zu schauen, dass sich nach solch belastenden Momenten keiner einfach ins Auto sitzt und heimfährt mit all dem Erlebten. Ein Auge darauf zu haben, ob alle die Einsätze mental verkraften.
„Die positiven Erlebnisse überwiegen aber bei weitem und entschädigen für alles“, sagt Michael und lächelt wieder. Gerade im Winter, wenn es wie letztes Jahr darum geht, den Schneemassen Herr zu werden oder bei Hochwassereinsätzen, „da kriagt ma viel zurück, die Dankbarkeit vo de Leit’ is groß.“ Manchmal treten nach solchen Aktionen Männer der Feuerwehr bei, weil sie so beeindruckt sind von dem, was die Gruppe leistet, weil auch sie dabei sein wollen, wenn die Kameraden retten, helfen, bergen, löschen.
Kommandant bis 65?
Wie lange will Michael bei der Feuerwehr bleiben? Bis zum Umfallen? Er grinst: „A Kollege håt einmal g’sagt, bei der Feuerwehr gibt es nur zwei Dinge, die freiwillig sind: das Dazugehen, und das Weggehen.“ Mit 65 Jahren müssen alle Funktionen zurückgelegt werden. Aber bis dahin hat Michael ja noch 16 Jahre Zeit. „I bin nit der, der bis 65 Kommandant bleiben muass“, sagt er. Natürlich mache es Sinn, ein, zwei Perioden zu übernehmen. Doch er könne sich vorstellen, schon vor seinem 65er das Amt wieder abzugeben, den Jüngeren das Ruder zu überlassen. Und dann andere Aufgaben zu übernehmen, sich anderweitig einzubringen. „Möglichkeiten gibt’s jå genug.“
Jetzt aber gilt es zuerst einmal, sich in seiner Position zu beweisen. Schon immer hat Michael der Feuerwehr in seinem Leben viel Zeit eingeräumt, das wird in den kommenden Jahren noch mehr werden. Denn jetzt kommen weitere Aufgaben und auch Termine dazu. Dabei will Michael immer das Große im Auge haben, sich nicht im Kleinen verstricken, das ist ihm wichtig. Und dass die Feuerwehr eine starke, gut ausgebildete Truppe bleibt, die anderen in Notlagen hilft und selbst daraus Kraft bezieht. So, wie das echte Feuerwehrleute tun.

Doris Martinz