Die Mitarbeiter/Innen des Sozialsprengels hatten in der Corona-Zeit viele Herausforderungen zu bewältigen.
Die schwierigsten Wochen sind überstanden, alle Klienten werden wieder betreut; es kam zu keinen wirklich dramatischen Situationen, der Druck lässt nach. So ganz entspannt scheinen Sozialsprengel-Geschäftsführerin Elisabeth Edenhauser und Pflegedienstleiterin Dagmar Stöckl-Berger in unserem Gespräch aber noch nicht. Zu nah ist alles noch, zu präsent. Und das Virus, es ist ja noch nicht besiegt. Als der Lockdown kam, hießt das für Elisabeth und Dagmar vor allem – organisieren. Insgesamt betreut der Sozialsprengel 225 Klienten in St. Johann, Oberndorf und Kirchdorf. Bei etwa 50 bis 60 von ihnen geht es dabei vor allem um Haushaltshilfe, um Heimbetreuung. Um die Klienten und auch das Team nicht zu gefährden, wurden diese Dienste eingestellt. Dabei wurde jeder einzelne Fall sorgfältig abgewogen. „Mia san nur dann nit kemma, wenn die Angehörigen übernommen håm. Des wurde bei jedem einzelnen abgeklärt“, berichtet Dagmar. Manche der Klienten bestanden sogar darauf, dass der Sozialsprengel in den nächsten Wochen nicht mehr vorbeischaue. „Mia brauchen eich nachher wieder, von euch darf koana krank werden, passt’s guat auf eich auf!“, bekamen sie immer wieder zu hören.
Es waren also viele Telefonate zu führen in den ersten Tagen des Lockdowns. Klienten, die pflegebedürftig sind, wurden natürlich weiterhin betreut. Dafür brauchte es jedoch Schutzausrüstung. Zum Glück waren die notwendigen Pflegekittel bereits vorhanden, und auch FFP2-Masken waren schon am Montag verfügbar, gespendet von der Firma Isoled in Schwoich, von Ebermayer & Egger und der Freiwilligen Feuerwehr
in St. Johann i.T.. Die Masken, die das Land Tirol zur Verfügung stellte, trafen erst Tage später ein. Die Schutzausrüstung kann im Haus wiederaufbereitet und damit immer wieder verwendet werden.
„A guads Gefühl zu wissen, dass des a für die Zukunft klappt“, sagt Dagmar.
Unsicherheit und Sorge war dennoch groß im Team – wie überall. Das Team des Sprengels kommt ja ins Haus, um – vorwiegend ältere – Menschen dabei zu unterstützen, den Alltag zu meistern und wichtige Pflegedienste zu übernehmen. Es will helfen, aber nicht den Virus bringen. Es war eine belastende Situation für alle. Niemand aus dem Team wusste ja, ob sie/er nicht schon angesteckt war. Zum Glück ermöglichte das Krankenhaus St. Johann schon Ende März die schrittweise Testung der 30 MitarbeiterInnen. „Der Herr Primar Dr. Kaiser is uns då sehr entgegengekommen“, berichtet Elisabeth dankbar. Die Testergebnisse waren alle negativ. „I håb an meinem Geburtstag erfahren, dass a die letzten Tests gepasst håm, dass alle Mitarbeiter gesund sind, des wår mei schönstes Geschenk“, erinnert sich Elisabeth. Die Erleichterung darüber steht ihr immer noch ins Gesicht geschrieben.
Kein Krisenstab, kein Notfallplan
Was wäre passiert, wenn auch nur eine(r) aus dem Team vom Virus betroffen gewesen wäre? „Dånn hätt’ ma komplett zusperren müssen“, sagt Dagmar. Weder sie noch Elisabeth hätten in diesem Fall gewusst, wie und wo ihre Klienten weiter betreut hätten werden können. Genau das ist es, was Dagmar in den letzten Wochen am meisten belastete – der fehlende Notfallplan.
Sie selbst ist in ihrer Arbeit sehr strukturiert. Beim Umgang mit der Krise fehlte ihr diese Struktur, es fehlte ein Krisenstab, eine festgelegte Vorgehensweise im Falle eines Covid-Falles, wie sie in Krankenhäusern sowie in den Alters- und Pflegeheimen vorgesehen ist. „Wir håm uns diesbezüglich scho alleingelassen gefühlt“, gesteht auch Elisabeth. Der Sozialsprengel leistet im Jahr durchschnittlich zirka 24.000 Pflege- bzw. Heimhilfestunden. Pro Monat sind das etwa 2.000 Stunden. Wer hätte die übernommen? Es fühlte sich an wie ein Drahtseilakt ohne Netz.
Sie selbst hat gemeinsam mit Dagmar mögliche Vorgehensweisen festgehalten – für die Zukunft.
Die offensichtlich fehlende Wertschätzung seitens mancher Stellen machte Elisabeth und Dagmar zu schaffen. „Vielleicht wird da Sprengel deswegen nit so ernst genommen, weil wir a Verein sind. Vielleicht meint då jemand, die mobile Pflege is mehr so a Frauenbeschäftigungssache.“ Sollte das so sein, irrt man in dieser Hinsicht gewaltig. Die mobile Pflege ist eine wichtige Säule unseres Pflege- und Gesundheitssystems und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Außerdem sind auch Männer beschäftigt, aber das sei nur am Rande erwähnt. „Wie wir die Anweisung kriagt håm, dass ma bei der Pflege zwei Meter Abstand halten soll’n, håb i mi schon verschaukelt gefühlt“, sagt Dagmar.
Nur ein einziger Verdachtsfall
Während der ganzen Wochen gab es bei den Klienten nur einen einzigen Verdachtsfall, der sich letztendlich als Fehlalarm herausstellte. Das Prozedere mit der Testung durch das Rote Kreuz, das mit Schutzanzug beim Klienten vor dessen Haustür stand, war für jenen aber ein echtes Schockerlebnis. Auch andere Klienten kämpften mit psychischen Problemen während der Krise, während der Zeit des „weggesperrt Seins“. Denn so empfanden es die meisten: Sie wurden „weggesperrt“. Das Team des Sozialsprengels war jedoch telefonisch für sie immer zu erreichen und nahm auch persönlich Besuche vor, wenn dies angebracht erschien. Es kam zu keinen größeren Problemen.
Zum Glück, denn die Belastung für das Sprengelteam war auch so enorm. Es konnte sich ja jederzeit selber anstecken, und damit dann auch seine „Schützlinge“. Elisabeth gesteht, dass sie mehrere schlaflose Nächte verbrachte.
Sie selbst betreut ja keine Klienten, als Geschäftsführerin stand sie vor einem Berg anderer Herausforderungen: Da weniger Leistungsstunden erbracht wurden, musste sie einen Teil ihres Teams in Kurzarbeit schicken. Alles andere als leicht bei Mitarbeitern, von denen ohnehin viele in Teilzeit arbeiten und die zum Teil für die Betreuung ihrer Kinder freizustellen waren. Der ganze „Papierkrieg“ rund um die Personalverrechnung ging Elisabeth an die Nieren. „Kurzfristig håb i a amoi die Nerven verloren, I håb mi total überfordert gefühlt“, sagt sie. Verständlich, menschlich. Sie trägt viel Verantwortung – für die Mitarbeiter, für die Klienten. Gerade in den Corona-Wochen durften keine Fehler passieren. Und das in einer Situation, in der alle paar Stunden neue Bestimmungen und Verhaltensregeln eintrafen. Im dicken blauen Ordner vor ihr sind sie alle gesammelt.
Das Team hielt zusammen
So schwierig es zum Teil mit den ganzen Bestimmungen war, so gut funktionierte das Team. Alle trugen die Regelungen mit, es gab keine Debatten oder gar Widerstände. Da man sich nicht persönlich treffen konnte, wurden Videokonferenzen einberufen, bei dem es nicht nur um die Arbeit, sondern auch um das persönliche Befinden der MitarbeiterInnen ging. Man war füreinander da. Was Dagmar am schönsten fand in dieser Zeit: „Es gab viel Druck, aber wir håm unseren Humor trotzdem nit verloren. Es is a viel g’låcht und g’scherzt worden. Des håt unheimlich gut getan!“ Auch die Telefonate mit anderen Sprengeln im Bezirk gaben Sicherheit, man tauschte Erfahrungen aus und half sich gegenseitig.
Elisabeth und Dagmar verständigten sich untereinander oft wortlos. Sie arbeiten ja auch schon lange Seite an Seite: Elisabeth ist zwar erst seit 2019 Geschäftsführerin des Sprengels, Teammitglied ist sie aber schon seit 20 Jahren. Dagmar ist seit 16 Jahren mit dabei.
Für gewöhnlich hält der Sprengel im Frühjahr seine Generalversammlung ab. Da diese heuer entfiel, schickte man an alle Mitglieder ein Schreiben, in dem sie über die aktuelle Situation informiert wurden. Auch den Zahlschein legte man – wie jedes Jahr – bei. Was dann passierte, berührt Elisabeth sehr: Denn es trafen innerhalb weniger Tage viele, viele Mitgliedsbeiträge und auch Spenden auf dem Konto des Vereins ein. Vielleicht ist die Wertschätzung von anderen Stellen nicht immer in dem Ausmaß gegeben, wie man sich das wünscht. Doch die Bevölkerung weiß die Arbeit des Teams des Sozialsprengels offenkundig zu schätzen. Sie erlebt tagtäglich, welch wertvollen Dienste der Sprengel für hilfsbedürftige Menschen leistet.
Neue Mitglieder sind natürlich immer willkommen, der Jahresbeitrag beträgt € 25,- Euro.
Doris Martinz