Die vergangenen Monate waren schwierig, erinnert sich Brigitte Wallner, Lehrerin an der Mittelschule 2 in St. Johann. Doch es gab auch viel Schönes.

 

Wir treffen uns mitten in den Ferien – Brigitte Wallner nimmt sich gerne die Zeit, um mir ein wenig über das, was in den Monaten März bis zum Schulschluss im Juli passierte, zu erzählen. Sie unterrichtet in der Mittelschule 2 die Fächer Deutsch und Sport und ist Klassenvorständin einer ersten beziehungsweise bald einer zweiten Klasse.
Die Schließung mit 16. März kam völlig unerwartet, auch für alle LehrerInnen. Das Wichtigste in den ersten Tagen, in denen die Schule geschlossen blieb, war: E-Mail-Verteiler anlegen und Kontakt aufnehmen mit Eltern und SchülerInnen. Auf jede Lehrperson entfielen in etwa 40 Kinder.
Anfangs schickte Brigitte Wallner ihren Schützlingen Arbeitsaufträge per E-Mail, die sie erledigen konnten, ohne einen Drucker dafür zu brauchen. Denn nicht alle SchülerInnen hatten Zugang zu Computer und Drucker. Dann ging sie dazu über, ihnen Links zu schicken für bestimmte Internetseiten, auf denen sie online arbeiten sollten. Am häufigsten wurde dann „Anton“ eingesetzt, eine Online-Lern-App, bei der sich alle SchülerInnen mit einem von der Lehrerin vergebenen Passwort anmelden und Aufgaben erledigen konnten. „Die Kinder lieben Anton, weil sie mit dieser App nicht nur arbeiten, sondern – wenn sie Aufgaben erfolgreich lösen – zur Belohnung virtuelle Münzen sammeln und dafür kleine Spiele machen können.“ Um zwei bis drei SchülerInnen in ihrer Integrationsklasse, die keinen Zugang zu einem PC hatten, kümmerte sich Wallner separat. Jene nutzten dann zum Teil das Betreuungsangebot in der Schule.
Den anderen Kids jedoch erteilte Wallner Wochenaufträge, andere LehrerInnen stellten Aufgaben online, die die Kinder noch am selben Tag erledigen mussten. „Anton“ funktionierte schließlich so gut, dass die App im Herbst in den Unterricht integriert werden soll.

Endlich wieder die Kinder sehen und hören
Nach den Osterferien lud Wallner die Kinder einmal in der Woche zu einer Videokonferenz ein, die Software dafür kam vom Land Tirol. Brigitte Wallner erinnert sich mit glänzenden Augen an die erste Konferenz, als sie endlich, nach Wochen, „ihre“ Kids wieder sah – wenn auch nur online. „Es war so schön, sie alle gesund und munter zu sehen, ihre Stimmen zu hören“, sagt sie. „Ich bin eine richtige Klassenmami, mir haben die Kinder sehr gefehlt.“ Bei der Videokonferenz wurden die Wochenpläne und schwierigere Kapitel über eine „virtuelle Tafel“ gemeinsam erarbeitet. Die Kinder waren mit Feuereifer dabei – sie fanden es cool und waren glücklich, endlich die MitschülerInnen wieder zu sehen. „Natürlich wurde da auch viel geblödelt und gelacht“, sagt Wallner schmunzelnd, „zum Glück! Aber wir haben auch einigen Stoff weitergebracht.“

Schule mit Reißverschluss
Als die SchülerInnen im Mai wieder zurück in die Klassen kamen, wurden sie im „Reißverschlusssystem“ zweigeteilt: An einem Tag ging die erste Gruppe zur Schule und die andere blieb daheim, am nächsten Tag lief es genau umgekehrt. So kam die SchülerInnen jeden zweiten Tag in die Klasse, und die LehrerInnen hatten immer kleine Teams in der Klasse. Manche Kids hatten mit der Aufteilung keine Freude, denn sie vermissten ihre Freunde. Brigitte Wallner jedoch konnte der Situation auch Positives abgewinnen: In den halbierten Klassen konnte sie sehr gut auf die SchülerInnen eingehen, intensiver mit ihnen arbeiten und auch viel Lehrstoff vermitteln. In ihrer ersten Klasse kam es deshalb zu keinen großen Lernrückständen, „aber ich weiß nicht, wie das in der dritten oder vierten Klasse aussieht“, sagt sie.
Der „Reißverschluss“ hatte aber auch Nachteile: Er brachte den Schlafrhythmus der Kinder durcheinander, manche vergaßen manchmal auch, zur Schule zu gehen. „Wenn in einer Familie mehrere Kinder unterschiedliche Schulen besuchen, ist das nur verständlich“, sagt Wallner.
Je länger die Situation andauerte, desto schwieriger wurde für viele die Situation zuhause, mit Homeoffice und mehreren schulpflichtigen Kindern kamen manche Familien an ihr Limit. Deshalb nützten immer mehr SchülerInnen auch an den „Nicht-Schul-Tagen“ das Betreuungsangebot in der Mittelschule 2. „Das hat sehr gut geklappt“, sagt Wallner.

Gemeinsam geht vieles
Unterm Strich habe sich gezeigt, so Wallner, dass letztendlich alle zusammengeholfen haben. LehrerInnen, Eltern und Kinder, jeder habe sein Bestes gegeben, um die Situation zu meistern. Die Verbindung zwischen den Eltern und Birgit Wallner war intensiv und von gegenseitiger Wertschätzung getragen. „Es gab da schon so ein Grundgefühl, nämlich dass wir alle im selben Boot sitzen“, sagt Wallner, „es war viel gegenseitiges Bemühen da, und das hat vieles leichter gemacht.“
Wie das kommende Schuljahr ablaufen wird, kann zum Zeitpunkt unseres Gesprächs Mitte August noch niemand abschätzen. Aber die Erfahrungen aus dem Frühjahr werden helfen, sollte es wieder zu einer Schulschließung kommen. SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen sind dann besser auf die Situation eingestellt. Und alle wissen: Gemeinsam ist so ziemlich alles zu schaffen.
Doris Martinz