Corona-bedingt ist es momentan ziemlich ruhig um den Trachtenverein Edelraute. Doch die Tradition lebt!
Keine Proben, keine Auftritte, keine wehenden Röcke, keine Plattlerschläge auf die Lederhosen. Eva Fuchs, Pressereferentin des Trachtenvereins Edelraute in St. Johann, ist sichtlich bekümmert. Das Tanzen fehlt ihr. Die 21-Jährige Goingerin ist im Alter von 14 Jahren zum Verein gekommen – durch eine Freundin. Jene hat es nicht im Verein gehalten, Eva schon. Sie hat früher viele verschiedene Vereine „ausprobiert“: War bei der Wasserrettung und hat Querflöte gespielt, sie war Ministrantin, bei der Landjugend und so weiter. Geblieben sind die Landjugend und die Edelraute, bei beiden ist sie im Vorstand. Sie koordiniert und pflegt die Auftritte der Vereine in den sozialen Medien nach Feierabend – sie ist bei der Bezirkshauptmannschaft angestellt.
Früher, als 14-Jährige, wurde Eva von ihren FreundInnen noch schief angesehen, weil sie bei Tiroler Abenden auftrat, in Tracht, versteht sich, mit der Gruppe den Müllner- oder Bandl-Tanz aufführte, sich auf der Bühne drehte wie ein Kreisel und dabei ihren Rock wehen ließ. Peinlich! Peinlich? Nein, Eva stand und steht zu dem, was sie tut. Sie tanzt gerne, auch die alten Volkstänze haben es ihr angetan, und es ist ihr wichtig, jene zu erhalten. Außerdem verdiente sie bei den Auftritten als Jugendliche ein kleines Taschengeld. Und wer sagt da Nein?
Die Edelraute auf großer Tour
Derzeit umfasst der Verein zirka 80 Mitglieder, 30 bis 40 davon sind noch aktiv und bei Veranstaltungen dabei. Fritz Löffler gründete den Verein einst 1945, Simon Lackner übernahm ihn wenige Jahre darauf als Obmann. Der heute 85-Jährige ist inzwischen Ehrenobmann und erinnert sich gerne an die Zeiten, in denen er es mit der Edelraute ziemlich „gnettig“ hatte: Daheim trat der Verein fast täglich in den Gaststuben im Ort auf, als „Botschafter“ Tirols bereisten die „Plattler“ und ihre Damen aber auch viele Länder wie Deutschland, die Schweiz, Tschechien und sogar zweimal Japan. In besonders guter Erinnerung bleibt ihm die vierwöchige Tour durch Holland, während der Simon und seine KollegInnen viel Aufregendes sahen und erlebten. Ihre Hochblüte erlebte die Tradition des Volkstanzes in den 70er und 80er Jahren. Dann wurden die Auftritte nach und nach weniger, und auch die Mitgliederzahl schrumpfte. Wegzudenken sind Vereine wie die Edelraute aber nicht.
Noch letztes Jahr trat die Gruppe während der Sommermonate jeden Montag im Café Rainer in St. Johann auf, im Winter finden die selteneren Auftritte verstreut in verschiedensten Lokalitäten statt. Bei einem Verbandstreffen plattelte Simon Lackner im stolzen Alter von 76 Jahren zum letzten Mal noch selber mit. Die Gesundheit spielt derzeit leider nicht mit, aber das Tanzen würde den gelernten Tischler immer noch „jucken“, wie er sagt. So gesehen versäumt er heuer wenigstens nichts – kein Maifest, kein „Jåggas’n“, keinen Tirolerabend.
Tolle Kooperationen
Wie jeder andere Verein kämpft auch die Edelraute mit Nachwuchssorgen. Obwohl: Derzeit schaut es besser aus als in den letzten Jahren, die Jugendgruppe umfasst an die zwanzig Kinder. „Wenn ma die Pubertät übersteht, dånn bleibt ma“, weiß Eva aus eigener Erfahrung. Sie selbst erinnert sich noch sehr gerne an die tolle Zusammenarbeit mit den „Stars of Tomorrow“, die in St. Johann gastierten. Man mischte damals Elemente des modernen und des Volkstanzes zu etwas völlig Neuem – unheimlich cool, sagt Eva. Sie hat im Repertoire der Edelraute natürlich ihre Favoriten, zum Beispiel den „Eifersuchtstanz“, bei dem sich drei Burschen um ein Dirndl streiten – mit Showeinlagen wie dem gegenseitigen „Watschenausteilen“. A propos Show: So „ohne“ ist der Volkstanz gar nicht, wie man meint: Beim Holzhacker-Tanz etwa heißt es aufpassen, denn die Axt ist echt und kein Requisit. Im Eifer des Gefechts kann es auch passieren, dass ein Tänzer einmal bei einem Sprung nicht auf den Füßen landet, sondern am Hintern. Autsch! Alle „Hoppalas“ gingen bis jetzt aber glimpflich aus.
Nicht reden – tanzen!
Eva findet es schade, dass sich wenige Jugendliche heute für den Volkstanz interessieren, dass generell so wenig das Tanzbein geschwungen wird – einmal abgesehen davon, dass es heuer gar keine Tanz-Veranstaltungen gibt. Sie genießt immer die Ausflüge mit der Edelraute: „Då tånzt jeder mit jedem, egal, ob Boarischer, Foxtrott oder Walzer.“ Nur heuer eben nicht.
Ihr Freund Fabian, Jungbauer am Rettenmooshof in Waidring, hat sich schon als Volkstänzer versucht, es hat ihm gefallen. Noch hat es sich nicht ergeben, dass er richtig und regelmäßig mitmacht, „aber des wird schon nu werden“, meint Eva zuversichtlich.
Es geht im Verein ja nicht nur ums Tanzen, sondern auch um die Geselligkeit. „Wir håms immer lustig und nett miteinander“, verrät Eva.
Wer einmal in den Volkstanz hineinschnuppern will, kann sich gerne bei einer Probe „einklinken“. Sobald es Corona wieder zulässt, finden in der Zwischensaison jeden Freitag um 19:30 Uhr die Proben im Jugendzentrum St. Johann statt. Einmal im Jahr gibt es auch einen Tag der offenen Tür.
Wer sich entschließt, Vereinsmitglied zu werden, bekommt natürlich eine schöne Tracht, auf den Leib geschneidert von der vereinseigenen Schneiderin und Jugend-Betreuerin Katrin Söllner.
Viele Menschen in der Region sind ja der Ansicht, dass der Volkstanz ein wichtiger Teil unserer Identität und Tradition ist und gefördert gehört. Das ist schön. Noch viel schöner jedoch wäre es, wenn sich möglichst viele selbst der Edelraute anschließen und einfach mitmachen würden. Egal, ob Mädchen oder Frau, ob Bub oder „g’standenes Mannsbild“. Nicht reden – tanzen! Einsteigen kann man übrigens auch im fortgeschrittenen Alter …
Wer dann doch lieber zusieht – auch kein Problem, die Mitglieder des Trachtenvereins würden sich über mehr Publikum freuen.
Mehrmals jährlich tanzen die Kinder und Jugendlichen übrigens für die ältere Generation im Seniorenheim auf. Dabei gibt es immer strahlende Gesichter auf beiden Seiten. Das Tanzen verbindet.
Doris Martinz