Vom Baggern und Pritchen, Teamgeist und Erfolgen – Peter Wallner, Obmann des VC St. Johann, über seine Passion Volleyball.
Zu unserem Treffen erscheint Peter Wallner – wie könnte es anders sein – im offiziellen Outfit des VC St. Johann, in der lässigen weißen Jacke mit den roten und schwarzen Einsätzen. Der 57-Jährige ist fit wie ein Turnschuh, das ist nicht zu übersehen. Und immer etwas im Stress, wie mich einer seiner Kollegen in der Schule wissen lässt. Mir von „seinem“ Verein zu erzählen, ist Peter aber eine Herzensangelegenheit, und dafür nimmt sich der St. Johanner gerne Zeit.
Es fing alles im Jahr 1987 an. Damals war Peter als junger Sportlehrer auf der Suche nach einem Mannschaftssport für Jungen und Mädchen im Ort. Nach einem, bei dem alle mitspielen konnten. Volleyball schien ihm perfekt zu sein. Gegründet wurde der VC St. Johann von Josef Rass. Ab 1989 spielten die Teams in den unteren Tiroler Ligen mit, 1996 begann man mit der Nachwuchsarbeit. „Richtig ernst“ wurde es, als eines Tages Anastasios Theodorakopoulos, kurz Tassos, bei Peter anrief und fragte, ob er im Verein „ein wenig mitmachen“ dürfe. Der Grieche war einst Profi der griechischen Volleyballszene, verfügt über internationale Verbindungen und verbrachte im Jahr 2008 einen mehrmonatigen Urlaub in der Region. Die Chemie zwischen ihm und Peter stimmte sofort. Die Chemie zwischen Tassos und St. Johann auch – er entschloss sich, seinen Lebensmittelpunkt in die Marktgemeinde zu verlegen. Vielleicht war ein Grund dafür auch, dass er im hiesigen Club Möglichkeiten fand, seine Leidenschaft zu pflegen. Gemeinsam mit Tassos begann Peter, den VC in Richtung Leistungssport auszurichten. „Aber die Leistung steht nit über allem, des wår für uns klår, Gesundheit und Spaß an der Bewegung sind bei uns des Wichtigste“, betont der Vereinsobmann.
Tiroler Meister in der höchsten Liga
2010 wurde der Verein neu strukturiert, die Damenmannschaft aufgebaut – auch, weil es in St. Johann sonst kaum einen Mannschaftssport für das weibliche Geschlecht gab und gibt. „Stars“ des Teams waren Ria Diamanti, Tassos Frau, und Krissi Kasperski, eine ehemalige deutsche Nationalspielerin. Um sie herum formte sich die Mannschaft, gecoacht von Tassos. Das Konzept ging auf: 2017 wurden die St. Johanner Damen Tiroler Meister in der höchsten Liga. Peter erlebte den Sieg als einen der schönsten Momente in seinem Leben – „weil ihm so viel Arbeit voran’gången is“, sagt er, „weil damit a Traum wåhr g’worden is.“
Tassos wechselte danach ins Sportmanagement des Vereins und arbeitet inzwischen beim Ortsmarkting in St. Johann. Seine Stelle als Damentrainer übernahm Daniel Gavan, ehemaliger österreichischer Nationalspieler rumänischer Herkunft. Auch Daniel macht einen großartigen Job: St. Johanns Volleyball-Damen spielen in der obersten Tiroler Liga immer ganz vorne mit.
Die Herren haben sich zu einer Spielgemeinschaft mit dem VC Mühlbach in Salzburg zusammengeschlossen und werden von Ria Diamanti, Tassos Frau, gecoacht. Auch sie sind immer im Spitzenfeld der Liga zu finden. Peter ist überglücklich mit der aktuellen Konstellation. „So håb i mir des immer vorg’stellt“, sagt er strahlend. „Die Trainerstellen bei den Kampfmannschaften san mit Top-Leuten besetzt, då lernen scho die Kloan von den Besten.“
Familienbetrieb
Die derzeitige Struktur verschafft Peter Freiraum für die Nachwuchsarbeit. Unterstützt wird er dabei von Tochter Brigitte und auch seiner Frau Monica. Der VC St. Johann ist in gewisser Weise also ein Familienbetrieb. Über 80 Kinder trainieren regelmäßig, insgesamt sind auf der Mitgliederliste des Clubs bis zu 170 aktive SpielerInnen eingetragen. Damit ist der Volleyball- nach dem Fußballverein der zweitstärkste Club in „Saini Håns“. Die jüngsten, die sich im „Baggern“ und „Pritschen“ – den beiden Grundtechniken beim Volleyball – üben, sind sechs Jahre alt.
Der VC bietet Trainings und Matches in mehreren Hallen an. Besonders stolz ist Peter auf die eigene Beachvolleyball Site – die JoeRASSic Beacharena, die wie viele andere Beachvolleyplätze in der Umgebung von Josef Rass gebaut wurden. Aber auch der Sport selbst hat viel zu bieten: Teamgeist, Ballgefühl und Athletik begeistern und machen Volleyball zur weltweit am häufigsten gespielten Mannschaftssportart.
Da der Ball nicht auf den Boden fallen darf und dabei recht schnell unterwegs ist, bleiben für die Reaktion teilweise nur Bruchteile von Sekunden. Die SpielerInnen sind körperlich und geistig also enorm gefordert. Das Spielfeld ist zwar vergleichsweise klein, aber man muss sich sehr schnell und viel bewegen. Wer einmal zugesehen hat, weiß, wie viel Dynamik und Power in einem Match stecken.
Ein Geben und Nehmen
Genauso wichtig wie der Sport, ist für den Obmann auch der gesellschaftliche Aspekt. Der Club erhält Fördergelder von der Gemeinde und vom Land Tirol, „und mei Verständnis ist, wenn i wås kriag, dass i a wås zurückgebe“, sagt Peter. Es bedeutet ihm viel, dass sich der Verein als Teil der Dorfgemeinschaft sieht und sich einbringt, wann und wo immer es möglich ist – etwa zu Jåggasen, beim Weihnachtsmarkt, bei der St. Johanner Faschingsgaudi … Für Peter hat der Verein auch die Aufgabe, das Dorfleben mitzugestalten und zu beleben. Freilich nicht ganz uneigennützig, wie er gesteht: „Je mehr ma in der Öffentlichkeit steht, desto leichter is’s, Sponsoren aufzutreiben.“ Der St. Johanner Wirtschaft, den eingesessenen, heimischen Betrieben, streut er dabei Rosen: Sie seien es, die das Dorfleben mit aufrecht erhalten würden – durch das Beisteuern von Tombolapreisen sowie ihre finanzielle und ideelle Unterstützung. „Des muss ma a amoi såg’n“ betont er. „Es is a Geben und Nehmen, und des klappt bei uns super.“
Für funktionierende lokale Strukturen brauche es immer das gute Zusammenwirken von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, stellt er fest. Seit 2010 ist Peter Mitglied des Gemeinderats in St. Johann – um von innen heraus mitgestalten zu können. Seine politische Einstellung entspreche dabei nicht dem Mainstream in der Marktgemeinde, sagt er. Ich rate also und frage ihn, ob er denn „Pink“ sei oder ein „Grüner“. Er lacht und antwortet: „Na, i bin rot. Dunkelrot, a richtiger Sozialist.“ Das sei aber kein Problem im Miteinander. „I kimm mit Andersdenkenden gånz hervorragend aus, wir håm då a super Ebene zum Diskutieren, man akzeptiert sich gegenseitig.“
Volleyball ist wie Radfahren
Um den Nachwuchs macht man sich beim VC keine Sorgen. Es hat sich wohl herumgesprochen, dass die Kids hier gut aufgehoben sind. Mobbing zum Beispiel hat beim Volleyballspielen keinen Platz. Peter weiß als Pädagoge, wie man Strukturen für ein faires Miteinander schafft. Für ihn ist Volleyball eine der schönsten Sportarten überhaupt. Der Einstieg sei gar nicht einfach, weil der Ball ja nie den Boden berühren darf, aber man mache schnell Fortschritte, „und dånn is des wia a Sucht!“ Was vielen besonders gefällt: Es kommt zu keinem direkten Kontakt mit dem Gegner, es gibt also keine „Fouls“. Das verringert das Verletzungsrisiko.
Besonders schön ist es für Peter, wenn er sieht, wie Frauen, die er vor 30 Jahren in der Mädchen-Schülerliga betreute, mit ihren Kindern jetzt wieder in den Sport einsteigen. Das sei gar nicht so schwierig, denn „Volleyballspielen ist wia Radlfåhrn, des verlernt ma nit.“ Immer ging es Peter vor allem darum, seinen SchülerInnen und den SpielerInnen im Verein Freude an der Bewegung zu vermitteln. Dass die Mädchen von einst heute als Mütter wieder kommen, ist ein Beweis dafür, dass ihm das wohl gelungen ist.
Nicht gelungen ist es ihm heuer, den Beachcup nach St. Johann zu holen – doch das lag nicht an Peter oder am Verein, sondern an Covid-19. Dafür laufen die Planungen für 2021: Zum vierten Mal sollen nächstes Jahr internationale TopspielerInnen im Sand, der vor der Gemeinde aufgeschüttet wird, BeachVolleyball vom Feinsten zeigen. Eine „Beachweek“ soll es gar werden mit Side-Events und Kindertrainings und und und. Tassos als Eventmanager ist bereits am Planen und Organisieren. Peter unterstützt ihn dabei. Als Lehrer und Gemeinderat hat er „nebenbei“ aber auch noch einiges zu tun. Kein Wunder also, dass seine Kollegen ihn hin und wieder als gestresst erleben. Ihm scheint das nichts auszumachen. Wenn er von „seinem“ Verein spricht, leuchten die Augen. Beim Volleyballspielen holt er sich viel Energie …
Doris Martinz