Mitten in der Covid-Krise wurde Peter Seiwald zum Obmann der Wirtschaftskammer Kitzbühel ernannt. Warum das auch sein Positives hat …
Im Herbst 2020 wurde Peter Seiwald zum Obmann der Wirtschaftskammer Kitzbühel gewählt. Er ist zugleich auch Bezirksobmann der Volkspartei und des Wirtschaftsbundes im Bezirk Kitzbühel, stellvertretender Wirtschaftsbund-Ortsobmann St. Johann und so weiter und so fort. Da drängt sich die Frage auf: Was bewegt einen Menschen dazu, mehrere Ämter zu übernehmen? Warum tut man sich das an?
Emotionale Momente
Peter Seiwald lächelt. Wir sitzen Mitte Dezember 2020 in seinem Büro bei der „Softcon“, seiner eigenen Firma. Auf dem Schreibtisch des Chefs fällt der überdimensionale, gebogene Screen ins Auge, so breit wie drei große Bildschirme. An der Wand hängen bunte Kinderzeichnungen mit Strichmännchen und Schnecken, die aus Papier ausgeschnitten und aufgeklebt wurden. Es sind die Werke seiner Kinder. Seiwalds Tochter Johanna ist 20 Jahre, Sohn Peter 10 Jahre alt, die „Wandverzierung“ wurde also schon länger nicht „upgedated“. Sympathisch.
Aber warum nun all die Ämter? „Weil man etwas bewirken kann, etwas weiterbringen für die Unternehmen“, antwortet Seiwald. In seinen Augen blitzt etwas auf – die Leidenschaft für das, was er tut. Der 43-jährige St. Johanner bezeichnet sich selber als „Networker“ mit vielen Verbindungen in alle Richtungen. Sein Netzwerk schließe Innsbruck genauso ein wie Wien – mit Ministerin Margarete Schramböck telefoniere er regelmäßig, erzählt er. „Ich bringe da was weiter! Nicht nur für die Unternehmen, sondern für die Menschen, die ja hinter den Betrieben stehen.“
Er erzählt von einem Fall, der ihn sehr berührte: Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 geriet eine Unternehmerin in der Region in Schwierigkeiten, sie hatte auch große gesundheitliche Probleme. Seiwald sorgte über die Wirtschaftskammer dafür, dass eine Betriebshilfe das Unternehmen für einige Zeit leitete und half auch in anderen Belangen. Das alles sicherte das Überleben des Betriebs und brachte für die ganze Familie der Unternehmerin eine große – auch emotionale – Entlastung. „In dem Moment, in dem die Dame vor mir stand, mit Tränen der Freude und Erleichterung in den Augen, in dem Moment wurde mir wieder einmal klar, warum ich das mache.“ Natürlich sei es schön, ganz allgemein für Unternehmen wichtige Dinge auszuverhandeln, aber so ein einzelner Fall sei eben speziell.
Hilfe in der Krise
Dass er aus der Welt der Digitalisierung kommt, sei in Zeiten wie diesen, in denen sich mehr oder weniger alle Branchen im Umbruch befinden, von Vorteil, so Seiwald. „Ich glaube schon, dass ich der richtige Mann bin, um genau in dieser Phase meine Expertise einzubringen.“
Klar sei die Zeit schwierig, herausfordernd. Und doch könne man gerade jetzt viel tun für die UnternehmerInnen. Insbesondere in der Krise stellen viele fest, wie wichtig Einrichtungen wie die Wirtschaftskammer sind. „Wenn man vor einigen Jahren mit Unternehmern geredet hat, wurde oft geschimpft und die WK in Frage gestellt. Jetzt weiß man, dass es sie – gerade auch auf Bezirksebene – braucht.“ Denn vor Ort könne man schnell und unmittelbar helfen, Auskünfte erteilen, beraten. Seiwald will deshalb die Bezirksstelle halten und in Zukunft sogar stärken.
In und außerhalb von Pandemie-Zeiten ist die WK in die Gesetzgebung involviert, indem sie fachlichen Input gibt und Gutachten für Gesetzesvorlagen verfasst. Das Team führt Gehaltsverhandlungen mit den Sozialpartnern und kümmert sich beispielsweise auch um die Saisonier-Regelung im Bezirk. „Wir schauen, dass Schlüsselarbeitskräfte, auf die die Gastronomie/Hotellerie nicht verzichten kann, in die Region kommen dürfen.“
Wirt auf der Alm
Seiwald hat selbst einen starken Bezug zur Gastronomie: Seine Frau Barbara betreibt die „Wiegalm“ am Gaisberg. „Das ist ein toller Rückzugsort für mich, denn da oben auf 1500 Meter Seehöhe gibt es kein Internet, es funktioniert auch kein Handy. Wenn man wie ich die ganze Woche mit IT und unzähligen Telefonaten verbringt, ist das perfekt“, schwärmt Seiwald. Kein Signal – für die Gäste, gerade für die jungen, sei das anfangs recht schwierig, erzählt er. Aber nach anfänglichem Schmollen entdecken sie dann die Natur rund um die Hütte. Seiwald schildert, wie Kinder ihn einmal ganz aufgeregt auf eine spielende Wiesel-Familie aufmerksam machten – zuvor hatten sie sich noch über das „Funkloch“ beschwert.
An den Wochenenden unterstützt Seiwald seine Frau als Wirt, er kellnert und scherzt mit den Gästen. „Da oben sind die Leute viel entspannter“, weiß er. Tochter Johanna und Sohn Peter helfen mit. Johanna studiert Wirtschaftsrecht in Innsbruck; dass sie zuvor die Tourismusschule in St. Johann besuchte, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Direktorin Anita Aufschnaiter die Schwester von Peter Seiwald ist …
Während einer Arbeitswoche ist Peter Seiwald in der Firma und in seinen Funktionen viel unterwegs, im Sommer gibt er gerne den Wirt auf der Alm. Er ist ohne Zweifel ein sehr kontaktfreudiger Mensch. „Ja“, bestätigt der WK-Obmann, „deshalb ist die aktuelle Situation für mich wirklich schwierig. Ich halte mich natürlich an die Bestimmungen, aber der Austausch mit Freunden und guten Bekannten fehlt mir sehr.“
Schattenseiten
Für die Softcon war 2020 ein gutes Jahr. Womit Seiwalds eigener Betrieb wie viele andere aber immer wieder kämpft, ist der Fachkräftemangel gerade im technischen Bereich. Der WK-Obmann setzt sich deshalb für eine entsprechende Ausbildungsstätte im Bezirk ein. Eine Schule, ein College, auch eine ausgelagerte Klasse einer HTL wären denkbar. Das wäre wieder so eine Sache, für die zu kämpfen Sinn macht, deren Gelingen andere, negative Aspekte seiner Arbeit überdecken würde. Denn die gibt es natürlich auch. Seiwald erzählt davon, dass er nicht nur einmal, wenn er privat mit der Familie unterwegs war, von Leuten in gänzlich unangebrachter Weise mit Dingen konfrontiert wurde, für die man ihn nicht verantwortlich machen kann – Entscheidungen und Beschlüsse werden schließlich immer in Teams beschlossen. „Ich musste erst lernen, mit solchen Dingen umzugehen.“ Seiwald betont, dass er sich nicht beklage, das bringe ein Leben in der Öffentlichkeit eben mit sich.
Starke Betriebe bieten Arbeitsplätze
Dass es im Frühling auch in der Region vermehrt zu Konkursen kommen wird, hält Seiwald für wahrscheinlich. Auch, wenn die WK versucht, mit Steuerstundungen und weiteren Maßnahmen Erleichterungen für die Betriebe zu schaffen. Als positiv bewertet er, „dass der Bezirk nicht nur vom Tourismus lebt, sondern dass es Aushängeschilder wie Steinbacher, Egger oder die Gebro gibt, die in Zeiten wie diesen sehr gut laufen und viele sichere Arbeitsplätze bieten.“ Handwerk, Bau und Baunebengewerbe funktionieren auch noch sehr gut, in den kommenden Monaten wird es hier jedoch wohl zu Problemen kommen, so Seiwald. Nicht, weil Bauträgern und Unternehmen das Geld für ihre Vorhaben fehlt, sondern weil die Bezirkshauptmannschaften so intensiv mit Contract Tracing beschäftigt sind, dass weniger Bauverhandlungen sowie Standort- und Gewerbeverhandlungen stattfinden können. „Das werden wir im Sommer spüren“, meint der WK-Obmann. Deshalb sei es wichtig, dass die Impfung schnell komme. Zugleich hofft der WK-Obmann aber auch, dass die Menschen nach der Krise nicht gleich wieder weiterleben wie zuvor: „Die Krise brachte auch Positives“, ist er überzeugt. Er selbst sei früher für Besprechungen laufend quer durchs Land gefahren, jetzt geht alles per Videokonferenz. „Da fängt man schon zu überlegen an, ob man wirklich für jede Sitzung persönlich vor Ort sein muss.“
Zusammenhalt ist gefragt
Für die Zukunft wünscht sich Seiwald, dass der Zusammenhalt in der Region noch stärker wird. „Ich sage oft: Wenn wir so weitermachen, werden unsere Kinder später alle Paketwagenfahrer, denn andere Jobs als in der Logistik gibt es dann nicht mehr.“ Das ist natürlich überspitzt formuliert, doch im Prinzip zutreffend. Seiwald wird noch deutlicher: „Jeder, der vor Ort einkauft, sichert einen Arbeitsplatz. Jeder, der bei Amazon einkauft, zerstört einen Arbeitsplatz.“ Wenn es um dieses Thema geht, wird Seiwald emotional. Und das ist gut so. Denn nur Menschen, die für das brennen, was sie tun, können etwas bewegen. Wir wünschen Peter Seiwald viel Erfolg und freuen uns darauf, immer wieder einmal mit ihm über aktuelle Themen zu plaudern und darüber zu berichten …
Doris Martinz