Warum die Redakteure der ehemaligen „Krenwuschz“ mit der Schere Zeitung lasen und was es mit der Computer-Handarbeit auf sich hat…
Vor ihnen war nichts sicher: keine Person, kein Amt, kein Projekt, nicht das Weltgeschehen, und die „Vororte“ in der Nachbarschaft“ schon gar nicht. Sie kritisierten, überzeichneten, zeigten auf und stellten manchmal auch ein wenig bloß. Es konnte jede und jeden treffen. Die Redakteure der „Krenwuschz“ fanden in ihrem Heft Platz für alles: für Witziges, Skurriles, Sonderbares, Amüsantes, Schrilles, Bedeutendes.
Im Jänner dieses Jahres sitzen sie wieder gemeinsam an einem Tisch – im Besprechungsraum der Firma Schenk. Nein, es wird leider keine Auferstehung der Faschingszeitung geben, dafür leben viele Erinnerungen auf an das Blatt, das Horst Eder, Peter Schenk und Peter, Peda* Fischer 20 Jahre lang immer am unsinnigen Donnerstag herausbrachten. Die Herren haben sich länger nicht gesehen – aus bekanntem Grund – aber die Vertrautheit ist gleich wieder da. Sofort fallen ihnen Geschichten ein – weiß du noch, der eine Artikel, das eine Foto? – es werden Pointen aufgewärmt und Ausgaben durchgeblättert. Die Stimmung ist ausgelassen. Horst, Peter und Peda amüsieren sich prächtig. Das war schon immer so, wenn es um die „Krenwuschz“, ging.
Wie kamen die drei ursprünglich darauf, eine Faschingszeitung herauszubringen? Eigentlich hatte schon vor ihnen jemand die Idee dazu. In den Jahren 1964 und 1968 erschien bereits eine „Krenwuschz“, federführend gestaltet von Franz Wilhelm. Ein Exemplar fällt eines Tages Peda und Peter in die Hände. „Es wäre doch lustig, die wiederauferstehen zu lassen,“ meinen sie und suchen Horst auf, der damals, 1991, als Alpenvereinsobmann jede Woche Sprechstunde hält. „Eines Abends kemman då dia zwoa mir wohl bekannten jungen Manda daher und erzählen, wås sie mechtn. Und i sag: Wenn’s es moants, dånn tamma des hoit“, erzählt er. Ab Dezember gibt es wöchentliche Treffen, abwechselnd bei einem der drei Redakteure. Es werden Themen notiert, jeder bekommt einige zugeteilt und bringt in der darauffolgenden Woche seinen Vorschlag dazu.
Jeder Umlaut ist Handarbeit
Für die erste Ausgabe werden die Artikel auf einem Computer geschrieben. Es ist ein Gerät der ersten Generation – oder sogar einer noch früheren. Es gibt kein scharfes „ß“ und keine Umlaute, keine Ös oder Üs. Die Punkte auf den Selbstlauten werden händisch angebracht. „Computer-Handarbeit“ nennt es Peter lachend. Horst, als Mitarbeiter bei Ritzerdruck in Kitzbühel mit der Materie vertraut, schneidet die Artikel aus, ordnet sie auf A5-Blättern an und klebt sie auf. Dann sind seine Kollegen dran, sie kopieren die Blätter auf dem kleinen Kopierer der Firma Schenk. Zuerst einmal 200 Stück. „De zwoa håm kopiert und wahrscheinlich a Kist’n Bier daneben stehn g’håbt“, meint Horst lachend. „Um zwoa in der Friah håms mi ugruafn, dass’ die Zeitung fertig is.“ Die beiden haben damals wohl eine etwas schwere Zunge, wie Horst meint – mit anderen Worten, als jene, mit denen ich sie hier wiedergebe. Horst kümmert sich später um die Fertigstellung in der Druckerei, Peter ist für die Zustellung zu den Trafikanten zuständig. Da die erste Ausgabe der „Krenwuschz“ eigentlich ja schon im Jahr 1964 erfolgt ist, betitelten die Redakteure ihre Ausgabe 1992 als 28. Jahrgang und Nummer 3. Sie ist ein voller Erfolg. Schon bald rufen die Trafikanten an, dass man weitere Exemplare benötige. Peter und Peda kopieren (und trinken) also wieder, insgesamt werden zirka 600 Stück ausgegeben – auch in den folgenden Jahren sollten es nicht mehr werden. Die Zeitung soll „rar“ bleiben.
Die Titelseite ziert ein Holzschnitt, gefertigt von Professor Heinrich Tilly, einem Künstler, der heute in Telfs lebt. Das St. Johanner Wappen wird später von den dreien für das spezielle Blatt etwas abgeändert kommt aber sehr nahe an das Original.
Eine Nacht- und Nebelaktion
Später übernimmt ein Freund das Setzen der Zeitung. Weil jener nach Niederösterreich übersiedelt und in Wien arbeitet, reist Peda mit dem Zug in die Bundeshauptstadt, um das Druckwerk gemeinsam mit dem Freund in einer Nacht- und Nebelaktion zu setzen und die Daten auf einer Diskette und später auf einer CD zum Ritzerdruck zu bringen. Dort herrschte absolutes Schweigegebot – der Inhalt der „Krenwuschz“ ist „top-secret“ und darf nicht vor dem Erscheinungstermin bekannt werden. Sonst wäre die Überraschung ja verdorben, und das gilt es zu verhindern. Der Aufwand war nicht klein, räumen die drei ein. „Owa die Sitzungen wår’n irre lustig“, sagt Peda und lacht herzlich. Die letzten Ausgaben entstehen dann in St. Johann, Herbert Wagger setzt sie am Computer.
Auf die Idee folgt die „Blitzidee“
„Wenn ma des heit’ liest, woaß ma nit immer, wo die Pointen send“, sagt Horst kopfschüttelnd. In den Jahren ihres Erscheinens jedoch ist die „Krenwuschz“ topaktuell, lustig, voller versteckter Anspielungen und Wortspiele. Die LeserInnen lieben das Blatt. Auch den Redakteuren bringt sie viel Spaß – und viel Arbeit. „I håb mit da Schere Zeitung g’lesn“, erinnert sich Horst. Will heißen, er sammelt übers Jahr unzählige Zeitungsartikel, sortiert sie und legt sie in Mappen ab. Im November, wenn die Vorbereitungen für die nächste „Krenwuschz“ beginnen, wird ausgemistet und reduziert. Und dann wieder verteilt. Gemeinsam bespricht man dann das Ergebnis der „Heimarbeit“. „Des wår witzig“, meint Peter und grinst über das ganze Gesicht. In seinem Kopf spielen sich wohl gerade die komischsten Szenen ab. „Der eine hatte eine Idee“, erklärt Peda, „und der andere hatte die Blitzidee“, setzt Horst fort. Alle lachen. Man übertrumpft einander während der Kreationsphase mit Einfällen, eine „Spinnerei“ jagt die andere. „Wisst’s no, die Beschneidungsanlage?“, fragt Horst in die Runde. Klar, die Erwähnung des Artikels löst in der Runde allgemeine Erheiterung aus. Eine Zeitschrift in Deutschland warb einst in einem Inserat für den Wintersport in St. Johann und die neue „Beschneidunganlage“. Ein Tippfehler, gefundenes Fressen für die Redakteure der Faschingszeitung. „Des kunnt’ ma heit’ vielleicht eh nimma bringen“, meint Peda und murmelt etwas von „political correctness“. Seine Kollegen stimmen ihm zu, heute müsste man wohl mehr darauf achten, „politisch korrekt“ zu bleiben.
Scharfes Zahlungsmittel
Der Preis für die „Krenwuschz“ betrug übrigens anfangs 20 Alpendollar oder zwei Kilo frischgeriebenen Kren. Zwei Leser bezahlten tatsächlich in letzterer Währung, die der Trafikant auch annahm. Einer der beiden meinte aber, in Zukunft würde er lieber wieder in Schilling bezahlen, die Schärfe des Krens habe ihm sehr zugesetzt, er habe viel weinen müssen bei der Herstellung des Zahlungsmittels.
Zuletzt kostete ein Exemplar 2,50 Euro. Damit konnten die Herausgeber die Druckkosten abdecken und sogar einmal mit ihren Frauen essen oder ins Theater gehen. Reich wurden sie mit ihrem Medium nicht, aber darauf kam es ihnen nicht an. Zumindest schützten sie sich vor Verlusten: Schon bei der ersten Zeitung richtete man eine Rücklage von 20,- Schilling ein. „Falls ma verklagt worden war’n“, erklärt Peda und lacht. Zum Glück musste man nie auf dieses Geld zurückgreifen, Klagen kamen nie. Obwohl schon immer wieder einmal ein Leser oder eine Leserin eingeschnappt war. „A Bekånnter håt mi jahrelang nimmer angeredet“, erzählt Horst, „aber jetzt passt’s wieder.“ Peter weiß offensichtlich, um wen es sich handelt: „Wir håm bei ihm wieder ‘s Dåch g’måcht, ois ok.“
Die Redakteure lassen sich nicht dreinreden
So mancher Leser meinte , er könne die „Krenwuschz“ für seine Zwecke nutzen und versorgte die Redaktion mit vorgefertigten Texten, die gedruckt werden sollten, um einem Mitbürger/einer Mitbürgerin eins auszuwischen. „Aber då håm ma nit mitg’måcht“, sagt Peter. „Wir håm uns unsere Themen scho selber ausg’suacht.“ Einige waren der Ansicht, die Artikel sollten „schärfer“ formuliert werden. „Aber wenn sich die Schärfe dånn gegen sie selber g‘richt‘ håt, dånn wollten‘s nix mehr davon wissen“, so Horst. Die drei machen damals alles selber, sogar die „Werbung“. Zum Beispiel jene für den neuen „LewinSki“ aus den USA – eine Anspielung auf den Fall Monika Lewinksy, der 1995 für Furore sorgte. Oder das Inserat, das für das Blutzucker senkende Mittel „Marke Blauensteiner“ wirbt. „Über mögliche und erwünschte Nebenwirkungen informiert Sie die Boulevardpresse“, steht in der „Krenwuschz“ zu lesen. Wer erinnert sich noch an die Halbe-Halbe-Aktion von Frauenministerin Helga Konrad? „Ganze Männer trinken zuerst eine Halbe und dann die nächste Halbe. Eine Initiative der vereinigten St. Zwetthanner Brauereien.“ So zumindest war es in der „Krenwuschz“ zusammengefasst – vielleicht nicht ganz im Sinne der Regierung.
In einigen Ausgaben wurde auch das Unwort des Jahres publiziert. 2004 lautete es: Unterrichtsstundenreduzierungsbestimmung. Dagegen ist das Unwort des Jahres 2020 ein „Shorty“. Es heißt Coronaparty.
Peter erinnert sich an ein Schild, das einen Wickeltisch am Damen-WC eines örtlichen Gastgebers auf englisch bezeichnete: „Baby-change-table“ war da zu lesen. „Des wår super, då håt ma Babys umtauschen können“, lacht Horst. Einmal taufen die Redakteure der „Krenwuschz“ den Steinlechnerplatz in „Alpenvereinsplatz“ um, man bringt sogar eine Tafel an. Nach einer Woche ist jene wieder Geschichte. Andere Artikel wiederum wirkten nachhaltiger, sie geben da und dort den Anstoß, etwas zu verändern. „Mia wårn zum Teil schon a meinungsbildend“, meint Peda.
Nachfolger gesucht
20 Mal, von 1992 bis 2011, kommt die „Krenwuschz“ immer am unsinnigen Donnerstag heraus. Beim Erstellen haben die Redakteure immer Riesenspaß, nach dem Erscheinen die LeserInnen. Dann, am 11.11.2011, um 11 Uhr 11 kommt die Redaktion auf höchster Ebene (im Huber-Bierturm) zum dreistimmigen Beschluss, dass keine weitere Ausgabe folgen soll. „Irgendwånn wår’s dånn g’nuag“, sagt Peda, seine Kollegen nicken zustimmend. Man hätte sich gewünscht, dass jemand die Zeitung weiterführt, doch dem Aufruf in einer Presseaussendung folgte niemand. Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht jederzeit jemand das Projekt wieder aufgreifen könnte. „Owa des muaß hoit jemand Schneidiger sein“, meint Horst, der heute gut ein dreiviertel Jahrhundert alt ist. Man müsse sich schon etwas trauen, wenn man die Leute aufs Korn nimmt. „Und ma muaß des gånze Jåhr mit offene Augen durch die Welt gehen!“
Stoßen die drei heute auf eine außergewöhnliche Geschichte, auf Lustiges oder Schräges, denken sie mit etwas Wehmut an ihre Faschingszeitung. „Ah, des war wås für die Krenwuschz“, heißt es dann. Es gäbe auch heute noch genug Themen, deren man sich mit Humor annehmen könnte. Vielleicht gibt es ja doch noch ein paar Leute, die sich zusammentun, viel Spaß haben und den SainihånserInnen nächstes Jahr ein Faschingsgeschenk machen wollen?
Doris Martinz