Ein Gespräch mit Renate Magerle anlässlich des internationalen Weltfrauentags am 8. März.

Mama, was hast du bloß immer mit deinem Feminismus­ und dieser Emanzipation? Wir Frauen sind emanzipiert, wir können heute alles tun, was die Männer tun, uns stehen alle Türen offen.“ Das sagte kürzlich meine Tochter, 22, zu mir. Sie studiert Medizin, inzwischen gibt es mehr weibliche als männliche Medizinstudierende. Sie liegt richtig: Frauen genießen heute in Österreich dieselben Rechte wie Männer. „Zumindest theoretisch“, schränkt Renate Magerle* ein. „Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie eine Familie gründen und Kinder bekommen.“ Denn dann, so Renate, werde von Frauen –
heute wie vor 100 Jahren – erwartet, dass sie die Obsorge für die Kinder übernehmen und zuhause bleiben oder in Teilzeit arbeiten. Damit sinkt ihr Einkommen meist über einige Jahre eklatant, was sich später im Pensionsanspruch niederschlägt. Bleibt die Frau verheiratet, ist das eventuell nicht schlimm. Aber was, wenn der Partner stirbt, oder wenn die Ehe geschieden wird? Die Wahrscheinlichkeit für letzteres ist hoch, wenn man sich die Scheidungsraten ansieht. „Das Problem ist, dass für junge Frauen dieses – noch so reelle – Szenario zu weit weg ist, als dass es sie wirklich beschäftigt“, so Renate. Deshalb haben viele kein Problem damit, beruflich jahrelang zurückzustecken und vielleicht auch dann, wenn die Kinder eine Lehre absolvieren oder eine weiterführende Schule­ besuchen, nicht wieder in Vollzeit zu arbeiten. Der gute Job, den sie vor den Kindern hatten, ist inzwischen meist weg. Und im Haushalt ist immer noch viel zu tun. Die Väter sind ja nun wirklich nicht zuständig. Oder?
Renate erzählt, sie beobachte zu ihrem Erschrecken seit ein paar Jahren den Trend zum „Tradwife“, der von den USA ausgeht – zu Frauen, die ein konservatives Frauenbild propagieren, vor allem in den Sozialen Medien. Zurück an den Herd, zurück zur Fönfrisur! Und damit zur wirtschaftlichen Abhängigkeit. „Irre!“, sagt Renate. „Die vorgegaukelte Idylle ist ein Trugbild!“
Ein Dauerbrenner in den Diskussionen ist in den USA auch das Thema Abtreibung. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch wurde 2022 vom Supreme Court landesweit gekippt. Kippt der Ansatz auch nach Europa? Es steht zu befürchten. „Wo bleibt das Recht der Frau, über ihren eigenen Körper zu verfügen?“

Die Krux mit der „Herdprämie“

Können Mutter oder Vater daheim die Kinder versorgen,­ ohne später finanzielle Nachteile zu erleiden? Ja, mit dem Pensionssplitting. Dabei überlässt ein Partner dem anderen, der bei den Kindern bleibt, einen Teil seiner Pension. Beide Elternteile zahlen in dieser Zeit weniger ein. Das klingt nur gerecht. Warum greifen Frauen kaum auf dieses gesetzlich geregelte Angebot zurück? „Weil sie immer noch glauben, dass der Mann, den sie geheiratet haben, ihre Lebensversicherung ist. Schmarrn!, sagt Renate mit aufsteigender Emotion. „Frauen müssen für sich selbst Verantwortung übernehmen!“
Das Angebot einer Partei, Elternteilen in Zukunft 1.000,– Euro zu bezahlen, wenn sie daheim die Kinder betreuen, hält sie für den völlig falschen Ansatz. „Diese angedachte ,Herdprämie’ ist nicht pensionswirksam und führt dazu, dass immer mehr Frauen in die Altersarmut hineinschlittern, weil sie zu wenig Arbeitsjahre leisten, in denen sie für die Pension einzahlen.“ „Aber dafür spart man sich den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen“, setzt sie mit sarkastischem Unterton nach.
Warum ist in Österreich so schwierig, was in den skandinavischen Ländern und beispielsweise auch in Frankreich gut funktioniert? Frauen bleiben auch als Mütter der Arbeitswelt erhalten, auch Väter reduzieren ihr Arbeitspensum, es gibt ausreichend Kinderbetreuungsplätze. Renate ortet das Problem in der Vergangenheit: „Unsere Gesellschaftsstruktur ist ein Erbe der Nazis, die Frauen als Gebärmaschinen betrachteten und sie am Herd sehen wollten. Da kommen wir nur raus, wenn Mütter ihren Töchtern andere Werte vermitteln und sie lehren, selbsterhaltungsfähig zu sein.“
Die Welt braucht starke Frauen: Frauen, die selbstbewusst ihre Meinung sagen und sich nicht davor scheuen, berechtigte Forderungen zu stellen. Die wirtschaftlich unabhängig sind. Das alles habe nichts mit mangelnder Liebe zum Partner oder mit zu wenig Zusammengehörigkeitsgefühl zu tun, sagt Renate. Sondern mit Selbstwert. „Daran fehlt es oft. Vielen Frauen wurde als Kind das Gefühl vermittelt, dass sie weniger Wert sind. Deshalb denken sie, es ist in Ordnung wenn sie weniger verdienen und kaum Rente beziehen.“ Kinder und der Haushalt seien keine Werte, die viel wert sind in unserer Gesellschaft. „Bewertung geht über Leistung und Erfolg im Beruf.“ Da beißt sich die Katze in den Schwanz … 

Doris Martinz

*Renate Magerle ist Obfrau des Mädchen- und Frauenberatungszentrums in St. Johann, Mitglied des Soroptimist International Clubs Kitzbühel und engagiert sich seit Jahrzehnten in der Region für Frauen und ihre Themen.