Max Hüttner hat von KR Carl Hofinger das Amt des Prozessionsleiters übernommen. Ein Gespräch über Traditionen, Werte und mehr.
Jahrzehntelang kümmerte sich Carl Hofinger in St. Johann darum, dass bei kirchlichen Festen alle Beteiligten richtig Aufstellung nahmen und Prozessionen in geordneten Bahnen abliefen. „Zeremonienmeister“ nannten ihn manche – ein Ehrentitel, der freilich nirgendwo offiziell aufscheint. Und doch wissen in St. Johann viele, wer damit gemeint ist. Carl Hofinger macht bei unserem Gespräch eine abwehrende Handbewegung, als „Zeremonienmeister“ will er sich nicht bezeichnen lassen. „Es war mir eine große Ehre, über eine so lange Zeit diesen Dienst an der Gemeinschaft leisten zu dürfen. Ich war mir immer aber auch der Verantwortung bewusst, die das Amt als Prozessionsleiter mit sich brachte“, sagt er.
Es ist ihm wichtig, in diesem Zusammenhang auch den „zweiten Mann“ erwähnt zu wissen, „weil man ja nicht vorne und hinten zugleich sein kann“: Ernst Huber stand Carl Hofinger viele Jahre lang zur Seite.
Im Rahmen der Herz-Jesu-Feierlichkeiten im Juni dieses Jahres bedankten sich Dekan Erwin Neumayer und Bürgermeister Stefan Seiwald bei Carl Hofinger für seinen Einsatz.
Sein Wissen gab Carl in mündlicher und schriftlicher Form in den letzten drei Jahren an seinen Nachfolger Maximilian Hüttner weiter. „Es ist wichtig, dass die nächste Generation das Bestehende fortführt und dabei auf das Wissen und die Erfahrungen der vorderen Generation zurückgreifen kann.“ Heuer hat Max das Amt bereits eigenständig ausgeübt. „Carl war aber noch meine Sicherungskopie“, erzählt er lächelnd bei unserem Gespräch.
Es braucht eine Ordnung
Carl wählte seinen Nachfolger sorgfältig aus: „Er sollte über Kenntnisse betreffend der kirchlichen Abläufe verfügen, traditionelle Inhalte kennen, glaubwürdig in Kirche und Vereinen verankert sein, über Organisationstalent verfügen und bereit sein, beizeiten die Nachfolge zu planen“, so formuliert er es. „Max erfüllt diese Anforderungen durch seine bisherige Tätigkeit in Marktgemeinde und Pfarrgemeinderat, in Bestattungswesen und Vereinen bestens. Eines Tages wird es an ihm liegen, das Wissen und die Erfahrungen rund um die kirchlichen Feierlichkeiten weiterzugeben“, sagt Carl. Wenn alles funktioniere, wenn die Prozession geordnet ablaufe, schaue alles leicht aus, so Carl. Es habe aber einen Grund, warum man in der Feuerwehruniform ausrücke: „Bei den vielen Vereinen, Abordnungen und Gläubigen braucht es eine gewisse Ordnung und Disziplin. Dafür Sorge zu tragen, dass jene herrschen, ist in der Uniform leichter, denn alle schätzen die Feuerwehr.“
Werte leben
Max nickt zu Carls Worten. Auch für ihn ist es eine Ehre, dass er sich nun als Prozessionsleiter beweisen darf. Schon als kleiner Bub, noch bevor er Ministrant wurde, sei er gerne bei Prozessionen mitgegangen, erzählt er. Er sei früh in das Vereinswesen hineingewachsen, genauso, wie in das Bestattungswesen – sein heutiges Metier. Er spricht vom Wert von Brauchtum und Tradition als Stütze unserer Gesellschaft, von Prinzipien und Werten – erstaunlich für einen jungen Mann von 25 Jahren. Andere in seinem Alter sind der Meinung, dass die ganzen Traditionen, die die Alten pflegen, keinen Sinn mehr ergeben – das weiß ich aus eigener Erfahrung. „Diesen Eindruck gewinne ich in meinem Freundeskreis nicht, ganz im Gegenteil“, meint Max. „Es kommen wieder mehr junge Leute nach bei der Landjugend, bei den Schützen und in den Trachtenvereinen.“
Er freut sich darüber, denn er weiß: „Wir brauchen unsere Traditionen, sie sind Teil unserer Identität, sie verbinden uns.“ Oft diskutiere er darüber mit seinen Freunden. Viele stimmen ihm bei den Traditionen zu, das Kirchliche und Religiöse jedoch polarisiere. Manchenorts herrsche auch Ablehnung oder gar Angst vor anderen Glaubensrichtungen. „Ich frage dann: Wer geht denn bei uns in die Kirche, wer bekennt sich zu unserer Kultur? Man muss sich doch schon fast schämen, wenn man betet und die Heilige Messe besucht! Wie sollen wir so unsere Werte und Kultur verteidigen? Die Antwort lautet: Wir verteidigen unsere Werte am besten, indem wir sie leben.“
Alt und neu
Die Traditionen der Region stoßen im Prinzip also auf viel Akzeptanz bei der Jugend, so Max. Doch es brauche auch das Moderne, die Veränderung und Innovation. „Die Kunst liegt darin, beides zu verbinden, das mache ich auch im Beruf“, sagt er.
Carl Hofinger verweist auf Sun Tzu, den chinesischen Staatsphilosophen und Feldherrn (500 v. Chr.) und seine „13 Thesen, wie man ein Reich zerstört“: These Nummer acht lautet: Entwertet Überlieferungen und Traditionen! „Eine Gemeinschaft zerfällt, wenn sie nicht durch Werte und gemeinsame Rituale zusammengehalten wird“, so Carl. Er denkt in diesem Zusammenhang auch an Peter Rosegger, der „Volkserzieher“, der sagt: „Einem, der das Althergebrachte nicht ehrt, bezweifle ich die Treue.“ Und: „Wenn die positiven Dinge im Leben heraustreten sollen, muss es Institutionen geben, die sie leben.“
Max stimmt dem zu. Junge Leute fänden wieder mehr Halt und Orientierung in den Vereinen, im Austausch mit den vorderen Generationen, so seine Einschätzung. Festlichkeiten wie das große Schützenfest oder „Jaggas’n“ machten das Miteinander und rege Vereinsleben im Ort sichtbar. „Da geht mir das Herz auf“, meint Max.
Deshalb ist es ihm eine Ehre, sich bei kirchlichen Feierlichkeiten einzubringen. Wie Carl wird er bei einem plötzlich auftretenden Gewitter dafür Sorge tragen, dass die „Röcklg’wandfrauen“ mit ihren kostbaren Kleidern Schutz vor dem Regen finden, dass die Blasmusik zum richtigen Zeitpunkt einsetzt und beim Erntedankfest alle Körbe für die Weihe Platz finden.
Doris Martinz