Anna Kofler pflegt Mensch und Tier. Über eine „coole Socke“, ihre Abteilung“ und flauschige Vierbeiner.
Blaue Augen, gewinnendes Lächeln und sanfter Tonfall: Wenn man einen medizinischen Notfall hat, dann wünscht man sich wohl definitiv Anna an seine Seite. Sie strahlt Ruhe aus und Souveränität. So schnell bringt sie nichts aus dem Konzept, das spürt man. Sie lacht. „Das mag sein, mich haut so schnell nichts um!“
Im Krankenhaus St. Johann kümmert sich die 34-jährige diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin in der Notaufnahme für Innere Medizin um Menschen, die oft in gesundheitlichen und damit auch emotionalen Extremsituationen ins Krankenhaus kommen. Sie hat aber auch ein gutes Händchen für die Galloway-Rinder auf dem „Baumoos“-Bauernhof, ihrem Zuhause in St. Johann. Und für Klein-Isabella, ihrem sechs Monate alten Sonnenschein. Sie ist ein Mensch, der viel gibt: Aufmerksamkeit, Respekt, Zuwendung. Und dafür bekommt sie viel zurück an Respekt und Liebe.
Von der Bank ins Krankenhaus
Die Balance muss wohl stimmen, denn sie strahlt mich an bei unserem Treffen im Café Rainer und erzählt, wie sie zum Pflegeberuf kam. Es geschah auf Umwegen: Sie interessierte sich nämlich in der Schule eher für Buchhaltung und Rechnungswesen und nahm nach Ablegen der Matura einen Job in einer Bank an. „Ich habe mir gedacht, damit verbinde ich Wirtschaft und Menschen“, erzählt sie. „Aber es war dann nicht so, wie erhofft. Mir fehlte die Sinnhaftigkeit in meinem Tun.“
Als der Vater einer Freundin schwer erkrankte, erlebte sie, wie ihn Pflegekräfte auf seinem Weg begleiteten. Und wie sehr sie ihm halfen. Sie beschloss, in Kufstein die Pflegeausbildung zu absolvieren. „In St. Johann gab es den Medicubus ja noch nicht.“ 2016 nahm sie ihre Arbeit im Krankenhaus St. Johann auf – vorerst in der „internen Notaufnahme“, bis Platz in der Intensivabteilung sei – da wollte sie unbedingt hin. „Aber ich bin in der Notaufnahme hängengeblieben“, so Anna. Es wurde „ihre Abteilung“, in der sie sieben Jahre lang mitarbeitete, zuletzt als Pflegeleiterin. Das tolle Team, die anspruchsvolle Tätigkeit und oft auch Dramatik der Situation, die gute Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft – all das wurde für sie unverzichtbar. Als 2020 die Pandemie ausbrach, war an einen Wechsel ohnehin nicht mehr zu denken. „Wir mussten die Welt retten“, sagt Anna mit einem Augenzwinkern. Doch es steckt viel Ernst in ihren Worten. Die Pandemie ging vorbei, sie trieb ihre Ausbildung voran und machte den Bachelor mit Schwerpunkt Pflegemanagement. Dann kam die kleine Isabella zur Welt.
„Care-Arbeit“ mit Rindern
Anna ist also derzeit in Karenz und kümmert sich um ihre Tochter. Aber nicht nur um sie, sondern auch um viele Vierbeiner. Sie und ihr Mann Peter haben nämlich von Annas Eltern den „Baumoos“-Hof übernommen und von Milchwirtschaft auf Mutterkuhhaltung zur Fleischgewinnung umgestellt. 52 flauschige, gelockte Galloway-Rinder haben ihr Zuhause auf „Baumoos“ beziehungsweise auf der Baumoos-Kegel-Alm auf dem Kalkstein gefunden. Anna hat die Ausbildung zur Landwirtschaftlichen Facharbeiterin gemacht – Know-how ist auch in diesem Bereich wichtig.
Das Galloway-Rind stammt aus Schottland, es ist flauschig, friedliebend und extrem geländegängig. Sein Fleisch ist fein marmoriert, hat wenig Cholesterin und ist damit auch für diätische Kost geeignet. Kein Wunder, dass der Krankenhaus-Küchenchef zu Annas Kunden gehört. Die Tiere sollen den Hof erhalten, auch wenn Anna wieder zurück in ihren Beruf geht. Denn das wird sie: „Ich komme zurück, zumindest in Teilzeit“, sagt sie mit einem Unterton, der mehr nach einer Drohung als nach einem Versprechen klingt. Sie lacht. Sie könne sich ein Leben ohne „ihre Station“ nicht vorstellen, sagt sie. Nächstes Jahr soll es soweit sein, dann ist ihre Tochter alt genug für die Kinderkrippe. „Sie ist eine coole Socke“, so Anna über ihren Schatz. Sie lacht wieder herzlich.
Regionaler geht’s nicht
Inzwischen gilt ihre ganze Zuwendung der kleinen Isabella und den „Rindviechern“. Letztere können das ganze Jahr über ins Freie, den Sommer verbringen sie auf der Alm. Die Tiere fressen nur Heu und Gras, der Hof hat gerade erst seine BIO-Zertifizierung erhalten. „Wir schauen darauf, dass es den Tieren bei uns rundum gut geht“, sagt Anna. Die Kälbchen bleiben möglichst lange bei der Mutter, geschlachtet werden die Rinder erst im Alter zwischen 24 und 36 Monaten – natürlich in der Region. Sie liefern Fleisch in bester Qualität, Anna verkauft es in „Genusspaketen“. Wer will, kann sich die „Galloways“ auf dem Kalkstein ansehen. „Regionaler und nachhaltiger kann man Fleisch nicht produzieren“, so Anna.
Wenn das mit den Rindern gut läuft – vielleicht ist das ja ihre Zukunft, und der Pflegeberuf tritt in den Hintergrund? „Nein!“ sagt Anna sofort und mit Nachdruck. „Meine Station gebe ich nicht auf!“ Sie freut sich darauf, nächstes Jahr wieder ihr Fachwissen umzusetzen. Darauf, Menschen in der Krise beizustehen und dabei ihre Selbstwirksamkeit zu erfahren. Darauf, souverän zu sein, um andere auffangen zu können. Klar bringe der Job auch schwierige Momente, so Anna, das gehöre dazu. Aber die schönen, in denen sie für Menschen Positives bewirken kann, überwiegen. Das ist es, was zählt.
Doris Martinz