Bürgermeister Stefan Seiwald blickt zurück auf 2022 und nach vorne auf das Jahr, das vor uns liegt.
1,6 Millionen Euro. So viel wird die Gemeinde St. Johann heuer zirka für Energie ausgeben müssen. Dabei ist die Panorama Badewelt noch gar nicht eingerechnet. Vor der Energiekrise waren es rund 480.000,- Euro jährlich. „Natürlich hat diese enorme Steigerung Auswirkungen auf die Budgetplanung, wirtschaftlich ziehen auch in der Gemeinde dunkle Wolken auf“, sagt Seiwald. Man werde gewisse Bautätigkeiten zurückstellen müssen, so der Bürgermeister.
Es gibt aber auch gute Nachrichten und Projekte, die auf jeden Fall weiter vorangetrieben werden. Zum Beispiel: Während in anderen Tiroler Gemeinden Badeanstalten dem Rotstift zum Opfer gefallen sind, wird die Panorama Badewelt ohne Einschränkungen in Betrieb bleiben, technische Optimierungen sollen eine spürbare Energieersparnis bringen.
Ein ausgefeiltes, digitales Energiemonitoring soll generell den Energieaufwand in allen Gebäuden der Gemeinde weiter optimieren und senken helfen. Die Daten sind tagesgenau einsehbar auf der Gemeinde-Homepage. Auch ein Luftgütemonitoring ist bereits installiert, es liefert Ergebnisse über die Luftqualität in den Klassenräumen der Schulen. Wenn Schülerinnen und Schüler in Zukunft müde werden und vielleicht sogar während des Unterrichts eindösen, sollte das also definitiv nicht mehr an einem Mangel an Frischluft liegen. Mit dem Monitoring sei die Gemeinde St. Johann in Tirol Vorreiter in ganz Westösterreich, sagt Seiwald nicht ohne Stolz.
Das Gewerbegebiet wäre wichtig
Seit zehn Jahren arbeite man in St. Johann daran, ein Gewerbegebiet zu bekommen, so Seiwald, es bestehe dringender Bedarf. 2023 soll das Jahr werden, in dem das interkommunale Gewerbegebiet „Unterbürg“ mit Beteiligung der Gemeinden Going und Reith bei Kitzbühel endlich umgesetzt werden kann. Stolpersteine waren zuletzt der große Flächenverbrauch, der seitens der Landwirtschaftskammer und der Grünen angeprangert wurde sowie die Unterschutzstellung des Unterbürghofs durch das Denkmalamt.
„Man muss beide Seiten verstehen“, zeigt sich Seiwald versöhnlich. Natürlich bedeute die Errichtung eines Gewerbegebiets gewissen Bodenverbrauch, jener lasse sich jedoch durch gute Planung und perfektes Grünflächenmanagement in Grenzen halten. Auch die Sanierung und Erhaltung des Bauernhofs, der seit Jahrzehnten dem Verfall preisgegeben war, hält er für machbar. „Ich traue mich schon gar nichts mehr zu sagen, aber das Verfahren beim Land läuft und die Widmung könnte bis März da sein, dann kann es losgehen.“
Klar sei es sehr wichtig, meint Stefan Seiwald, leistbaren Wohnraum im Ort zu schaffen. „Aber auch leistbare Betriebsflächen sind ganz wichtig – für den Erhalt des Wirtschaftsstandortes und der Arbeitsplätze in St. Johann.“
Weitere dringende Projekte
Zu den nicht aufschiebbaren Projekten zählt Seiwald auch die Entschärfung der Egger-Kreuzung, sie soll nicht am fehlenden Geld scheitern.
„Bauherr ist in diesem Fall ja das Land Tirol, die Zusammenarbeit läuft in bestem Einvernehmen. Aber die Abklärung der rechtlichen Belange dauert halt.“ Die Planungen würden auf jeden Fall weiter laufen, Seiwald hofft auf einen Spatenstich im Jahr 2024. Auch der Hochwasserschutz hat weiterhin Priorität.
Verfolgt wird nach wie vor das Projekt „Haus der Generationen“, das auf dem Grundstück der alten „Pension Riedel“ neben dem Altersheim entstehen soll. Die Planungen sollten 2023 abgeschlossen werden.
Ein Thema ist auch das Koasastadion, bei dessen altem Teil aus den 80ern jährlich Sanierungsarbeiten anfallen. Seiwald will dem „Flicken“ ein Ende setzen und strebt einen Neubau an – er soll noch heuer geplant werden.
Weiter verfolgt wird auch der „Masterplan 2030/2050“ zwischen Brauweg und Poststraße in Richtung Krankenhaus.
Wirtschaftlich schwierigere Zeiten bedeuten also keinen Stillstand in St. Johann – diese Nachricht mag so manchem Zuversicht verleihen. Sie wird dringend gebraucht: „Man spürt überall im Ort die Unsicherheit und Sorge der Leute vor der Zukunft, speziell auch im Sozialbereich“, so Seiwald. Die Gemeinde versuche, Notsituationen mit Mietzinsbeihilfe und Energiekostenzuschuss abzufedern. Seit ersten Jänner dieses Jahres können Bürgerinnen und Bürger auch eine kostenlose Kinderbetreuung in Anspruch nehmen. Der Antrag dazu ist über das Land Tirol zu stellen.
Endlich wieder gemeinsam
So herausfordernd das Wirtschaftliche gerade ist, so erfreulich und erlösend ist für den ersten Mann im Ort die Tatsache, dass die Menschen endlich wieder ohne Einschränkungen zusammenkommen dürfen. „Endlich wieder Jaggasn, das war 2022 ein echter Höhepunkt für den Markt“, sagt Seiwald. Gerade für St. Johannerinnen und St. Johanner mit ihren 148 (!) Vereinen sei die Situation während der Pandemie sehr belastend gewesen. „Das Gesellige macht Sainihåns ja aus, wenn es kein Vereinsleben gibt, leidet die ganze Gesellschaft.“ Umso mehr würden die Leute es jetzt genießen, die Veranstaltungen zu besuchen. Er ortet mehr Wertschätzung und auch Dankbarkeit für die wiedergewonnene Freiheit.
Er selbst ist auf jeden Fall froh und dankbar dafür, dass er als Bürgermeister wieder in vollem Umfang arbeiten, dass er wieder Events und Vereinsversammlungen besuchen und den Kontakt zu den Menschen halten kann. Es ist das, was für ihn das Amt mit ausmacht. In guten wie in schlechten Zeiten: „Auch wenn es momentan schwieriger ist, gibt es doch auch viele kleine und größere Erfolge und gute Momente. Und Menschen, die zu schätzen wissen, dass man sich engagiert.“ Dass es zu neunzig Prozent Beschwerden, Anliegen oder zumindest Wünsche sind, mit denen die Leute zu ihm kommen, sei normal. „Die anderen zehn Prozent machen es aus, die motivieren. Man kann es nicht allen recht machen, man kann nur sein Bestes geben.“
Froh ist Seiwald auch darüber, dass im Gemeinderat Parteipolitik keine Rolle spielt. Es gehe um die Sache, nicht um „Farben“: „Das ist auch nicht nur so dahingesagt. Bei uns wird nicht gestritten und nicht politisiert, sondern man löst Probleme für St. Johann. Da sind alle cool! Ich glaube, unsere Situation ist ziemlich einzigartig im Bezirk, und dafür gebührt allen Beteiligten Dank.“
Worauf freut sich der Bürgermeister im kommenden Jahr? Die Antwort kommt prompt und ohne Nachdenken: „Freuen würde ich mich, wenn endlich der Goldene Löwe gebaut wird!“ Seit sechs Jahren prozessiert man, das letzte gerichtliche Verfahren sollte im Frühjahr abgeschlossen sein. Die Planung des Bauprojekts ist abgesegnet – sobald der Gerichtsakt geschlossen ist, werden die „Baubücher“ aufgeschlagen. Sollte es hoffentlich wirklich so kommen, hätte 2023 auf jeden Fall schon sehr Positives gebracht: Die Füllung der ungeliebten „Löwengrube“ und einen glücklichen Ortschef.
Doris Martinz