Michael Egger junior über das Aufwachsen im Familienunternehmen, über seine Schulzeit und mehr.
Sie sind mir bei der Begrüßung nicht gleich ins Auge gefallen, aber während des Gesprächs wandert mein Blick immer wieder unter den Tisch zu den sportlichen, auffälligen Schuhen meines Gegenübers. Es sind knallblaue Sneakers mit weißen und roten Applikationen. Ein interessanter Kontrast zum korrekten Business-Outfit.
Viel Zeit zum Schauen bleibt mir aber nicht, denn Michael Egger jun. hat sich auf das Interview natürlich vorbereitet und liefert Infos wie auf Knopfdruck. Das Halbjahresergebnis, so stand in der Presse bereits zu lesen, sei zufriedenstellend gewesen, die Nachfrage nach EGGER-Produkten habe jedoch merklich nachgelassen. „In den letzten beiden Jahren war die Nachfrage nach unseren Holzwerkstoffen extrem hoch, wir haben zum Teil nicht aktiv verkauft, sondern mussten unsere Kunden lediglich über Kontingente informieren. Jetzt sind wir wieder zurück im Vertrieb, und das Verkaufen macht uns allen mehr Spaß als das Verteilen. Die Situation normalisiert sich“, so der 38-Jährige. Man freue sich darüber, mit der Beteiligung an einem italienischen Familienunternehmen nun auch in Italien zu produzieren – es ist das 21. Werk der Firmengruppe. „Wir haben ja schon lange mit dem Gedanken gespielt, in Italien ein Werk zu errichten. Aber das wäre in die Verdrängung gegangen. Es ist jetzt viel schöner, als Familie in ein Familienunternehmen einzusteigen.“
Michael Egger junior stieg selbst einige Monate zuvor als Familienmitglied in die Gruppenleitung auf. Auf meine Frage, wie es für ihn als Kind war, in einer Unternehmerfamilie aufzuwachsen, sagt er: „Es war vor allem schön!“ Seine Eltern hätten ihm immer freigestellt, zu machen, was ihm gefällt. Seine Schulzeit bezeichnet er als hart – für ihn und die Eltern. „Ich war nicht der Fleißigste und besuchte mehrere Schulen in St. Johann. Ich hatte damit mehr Mitschüler als andere und habe ein breites Netzwerk aufgebaut“, erzählt Egger lachend. „Das liegt vielleicht in der Familie, wir waren nicht immer die Bravsten und Besten in der Schule. Aber wenn es uns dann interessiert hat, dann waren wir ganze vorne mit dabei.“ Als Egger seinen Vater Michael Egger senior informierte, dass er – auf seinen Spuren und jenen seines Onkels Fritz Egger – das Holztechnikum mit HTL in Kuchl besuchen würde, meinte der Vater scherzhaft: „Dann musst du sicherstellen, dass meine Lehrer alle in Pension sind, sonst hast du keine Chance!“
Im Labor „geparkt“
Das Thema Holz scheint dem jungen Michael in die Wiege gelegt. Von klein an begleitete er den Vater im Betrieb, am Wochenende war er mit ihm dort unterwegs. „Es hat mich immer interessiert, was da passiert, wie die Prozesse funktionieren.“ Für die Mitarbeiter sei es wahrscheinlich nicht immer leicht gewesen, manchmal sei er als Knirps im Labor „geparkt“ worden. „Dann wollte ich wissen, was wir da analysieren.“ Aufregend sei es gewesen, auf dem Stapler zu sitzen und mit den großen Zangen die Papierrollen zu greifen. „Das ist heute aus sicherheitstechnischen Gründen ja alles nicht mehr möglich, aber für mich war es fantastisch!“ Die Firma sei schon immer eine spannende Welt für ihn gewesen – aber auch eine große Familie, in der man sich mit Respekt begegnet, und das sei heute noch so.
Nach Abschluss der HTL stieg er 2006 in die Firma ein. Im Werk in Wismar (D) durchlief er alle Produktionsprozesse und lernte das Metier der Fertigung von Holzwerkstoffen von der Pike auf. Das war wichtig, für Michael junior aber nicht genug. Er erinnert sich an ein Gespräch mit dem Vater daheim auf der Terrasse: Im Zuge der Unterhaltung eröffnete er ihm, dass er gerne studieren würde. Des Vaters Reaktion: „Tu mir das nicht an!“ – er hatte wenig gute Erinnerungen an die Schulzeit seines Sohnes. Das Studium der Unternehmensführung an der FH Kufstein jedoch verlief ganz ohne Probleme, Egger schloss 2010 ab. Und dann? „In der Egger Unternehmenskultur ist es so, dass man sich als Sohn seine Sporen außerhalb verdienen muss.“ Drei Jahre lang arbeitete Michael junior bei Blum in Vorarlberg, einem Betrieb, der Führungen und Schienen für die Möbelindustrie fertigt – zuerst im Qualitätsmanagement, dann im Vertrieb. „Da habe ich gemerkt, dass mir der Vertrieb Spaß macht. Dass ich es mag, bei den Kunden draußen zu sein, mit den Mitarbeitern zu agieren, zu innovieren, neue Ideen zu kreieren.“ Zurück im Familienbetrieb, war Egger viel auf Reisen und besuchte die Werke in aller Welt. 2017 ging er nach Brilon, fünf Jahre war er dort als Werksverkaufsleiter tätig. Die Gegend? Nicht unbedingt reizvoll für einen Tiroler. „Aber wer Zeit hat, zum Fenster hinaus zu schauen, hat eh schon was falsch gemacht.“ Außerdem herrsche im Werk Brilon dieselbe Kultur wie daheim, und so konnte er sich auch 700 Kilometer entfernt von St. Johann wie zuhause fühlen. Seine heutige Frau folgte Michael junior nach Brilon, das Paar wohnte im nahen Paderborn. Die beiden hatten sich bei Blum kennen gelernt, auch sie kommt also aus der Möbelbranche. „Ich bin sehr froh, dass sie mich überallhin begleitet.“
Zur Werkverkaufsleitung in Brilon übernahm Michael Egger junior zwei Jahre lang bereits auch die „Divisionsleitung Mitte“ für den Bereich Industrie.
Vier pushen sich gegenseitig
Im März letzten Jahres kam Michael Egger junior zurück ins Stammwerk nach St. Johann. Geplant war, dass er nun auch die Divisionsleitung Mitte für den Handel übernehmen sollte, doch dann fiel Gruppenleiter Ulrich Bühler krankheitsbedingt aus. Vater Michael senior und Onkel Fritz Egger traten an Michael junior heran und fragten ihn, ob er nicht die Gruppenleitung übernehmen wolle. Er wollte – aber er wollte es nicht alleine tun. Ulrich Bühler unterstützt und hilft, in die großen Fußstapfen hineinzuwachsen. Seit Juli letzten Jahres ist die Gruppenleitung in dieser Konstellation: Michael Egger junior (Vertrieb und Marketing), Thomas Leissing (Finanzen und Verwaltung), Hannes Mitterweissacher (Technik und Produktion) und Frank Bölling (Logistik). „Gemeinsam tragen wir die Verantwortung für 11.000 Mitarbeiter:innen“, so Egger. „Wir pushen uns gegenseitig. Bei uns ist nicht der Einzelne der Macher, das Team trägt alles mit. Deshalb sind wir heute dort, wo wir sind“, so Egger.
Wie sehr man sich auf die Mitarbeiter:innen verlassen kann, zeigt eine persönliche Erfahrung von Michael Egger junior bei einem Brand im Werk Brilon vor über 15 Jahren: Ein Recyclinghaufen hatte sich trotz größter Sorgfalt bei der Lagerung entzündet. In den schwierigsten Momenten zeigte sich der große Zusammenhalt des Teams: Alle kämpften gemeinsam bis zum „Brand aus“, selbst wenn die eigentliche Schicht schon längst vorbei war. „Das war für mich ein Schlüsselmoment und zeigte mir, dass wir wirklich alle eine Familie sind.“
Was wird die Zukunft bringen?
Wenn es nach Michael Egger junior geht, vor allem sichere Arbeitsplätze: „Die Generationen vor uns haben es 62 Jahre lang geschafft, Arbeitsplätze zu schaffen und zu halten, wir wollen das in den nächsten 60 Jahren auch tun.“ Es gelte, beim anstehenden Generationswechsel das Wissen der Mitarbeiter:innen zu bewahren, „damit auch die Jungen sprießen können.“ Er und seine Kollegen in der Gruppenleitung werden sich auf keinen Fall „auf die faule Haut“ legen, so Egger, sondern die 21 Werke erhalten und entwickeln und ihren Teams Perspektiven bieten. Und vor allem die EGGER-Vision weiterleben: Den Rohstoff Holz so nachhaltig wie möglich zu nutzen und verarbeiten. Aus Recyclingmaterial und den Sägenebenprodukten der Industrie immer neue, hochwertige Produkte zu produzieren, ist der Anspruch.
Was bleiben wird, ist die Unternehmenskultur. „Die Generation vor uns hat vielleicht nicht alles, aber sehr vieles richtig gemacht. Das Schöne bei EGGER ist, dass es auch erlaubt ist, Fehler zu machen. Was zählt ist, aus diesen zu lernen. Wichtig ist, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen. Jede einzelne Person leistet einen wichtigen Beitrag zum großen Ganzen. So haben es die Generationen vor mir gelebt und ich werde das so beibehalten“, so Egger.
Wenn er „im Lande“ ist, trifft er sich mit dem Vater täglich auf eine Tasse Kaffee, man stimmt sich ab. Ihr Verhältnis zueinander entspricht nicht der klassischen Vater-Sohn-Beziehung, es ist vielmehr freundschaftlich. Das ist auch Michael juniors Verbindung zu Onkel Fritz. „Wir führen konstruktive Gespräche. Die beiden können sich auf mich verlassen, und ich mich auf sie.“
Vieles führt Michael junior so weiter, wie es Vater und Onkel vorgelebt haben. Aber nicht alles. Bei der Wahl der Schuhe geht Michael junior offensichtlich seinen ganz eigenen Weg. Wie ich erfahre, trägt er nicht nur am Tag unseres Gesprächs Sneakers, sondern – vorzugsweise weiße – auch zum Anzug. Vieles bewahren, aber seinen eigenen Stil und auch einmal den Mut haben, anders zu sein: Das klingt nach einem guten Rezept für die Zukunft – auch für die des Unternehmens.
Doris Martinz