Edith Mallaun und Gudrun Schwärzler führen die Kleinsten mit dem „Bilderbuch im Kino“ in die Welt der Cineasten ein.
Beim Weihnachtsevent ist immer viel los, und die Spannung ist so groß, dass du in der Stille eine Stecknadel fallen hören könntest“, erzählt Gudrun mit leuchtenden Augen. Seit 2009 laden sie und ihre Freundin Edith Mallaun mehrmals jährlich zum „Bilderbuch im Kino“ in die Alte Gerberei in St. Johann. Dabei werden nach und nach die Seiten von zumeist drei Bilderbüchern auf die große Leinwand geworfen. Gudrun liest den Text, Edith sorgt mit dem Spiel auf ihrer Harfe sowie dem Einsatz von Schlag- und Effektinstrumenten für die passende Untermalung. Sie klopft und rasselt, raschelt und knistert und zupft schon einmal mit Stricknadeln an den Saiten ihrer Harfe, um ihr die ungewöhnlichsten Klänge zu entlocken – je nach Buch, je nach Geschichte. Zirka 80 Bilderbücher haben sie auf diese Weise bereits vorgestellt.
Das junge Publikum, zu dem immer wieder auch Schulklassen zählen, ist hingerissen und fiebert mit. Viele der Kleinsten erleben zum ersten Mal das aufregende Gefühl, das sich einstellt, wenn es dunkel und still wird im Raum und sich die Konzentration aller auf die Bilder auf der Leinwand und die beiden Damen auf der Bühne richtet. „Auch für uns ist es immer wieder ein tolles Gefühl, dass wir die Kinder so in den Bann ziehen können“, beschreibt es Gudrun. Bei der klassischen Weihnachtsgeschichte, gesteht sie, müsse sie selbst aufpassen, dass sie nicht zu rührselig werde und ihr nicht die Stimme breche. „Weißt du, mit den kleinen Kindern ist das einfach so schön.“
Nicht nur für kleine Leute
Heuer besteht diese Gefahr wohl nicht, denn zum ersten Mal haben sich Gudrun und Edith entschlossen, keine klassische Weihnachtsgeschichte zu bringen. Sondern unter anderem ein Buch, das von der Weihnachtsfrau erzählt: Ihr Mann, der Weihnachtsmann, ist krank geworden; sie hilft ihm aus der Patsche und verteilt am Weihnachtsabend für ihn die Geschenke. „Das Buch ist total lustig und nett, ich habe schon ein paar Ideen, wie ich es vertonen werde“, erzählt Edith. Dass es in dem Buch um eine starke Frau geht, sei kein Zufall, so Gudrun augenzwinkernd.
Auf die Idee für „Bilderbuch im Kino“ brachte die beiden Frauen eine Vorführung in Innsbruck, die Gudrun besucht hatte. Hans Oberlechner vom Verein MuKu war sofort einverstanden, das Bilderbuchkino in die Alte Gerberei zu bringen. Seitdem ist es ein fixer Bestandteil des jährlichen Kinderfilm-Festivals, der „Cineale“ und des vorweihnachtlichen Programms in der Alten Gerberei. Übrigens kommen – wie man meinen könnte – nicht nur Familien mit Kindern. An den netten Geschichten, den spannenden Vertonungen und an der Begeisterung der Kinder, die interaktiv ins Geschehen miteinbezogen werden, erfreut sich auch so manche Mutter, deren Nachwuchs inzwischen (leider) zu „erwachsen“ geworden ist für „Bilderbuch im Kino“.
Das Bilderbuchkino – ein Bildungsauftrag
Viele Jahre lang, so erklärt Gudrun, haben sie und Edith das Bilderbuchkino aus Spaß und Freude veranstaltet. Inzwischen sehen die jeweils dreifachen Mütter in der Veranstaltung jedoch auch einen wichtigen Bildungsauftrag: „Aus meiner Erfahrung als Logopädin weiß ich, dass den Kindern heutzutage viel zu wenig vorgelesen wird“, berichtet Gudrun. Zwar würden viele Familien daheim eine „Toniebox“ (ein Audiosystem, über das Geschichten und Musik gehört werden können, Anmerkung der Redaktion) verwenden, aber dabei fehle das Haptische, das Kuscheln beim Vorlesen. Und auch das Schriftbild sowie die Möglichkeit, zurückzublättern und Passagen noch einmal zu lesen. „Es geht nicht ohne Buch, ohne Haptik“, weiß die gebürtige Vorarlbergerin, die der Liebe wegen vor zwanzig Jahren nach Kirchdorf kam und dort ihre Praxis betreibt. Immer mehr Kinder benötigen logopädische Therapie, so Gudrun.
Edith Mallaun nickt dazu. Als Musikschullehrerin – sie unterrichtet Harfe, Klavier und Orgel – macht sie oft die Erfahrung, dass es den Kindern heute schwerer fällt sich zu konzentrieren, dass die Aufmerksamkeitsspanne allgemein kürzer wird. Die Ursache liegt für Gudrun und Edith klar auf der Hand: Es ist der zu frühe und zu intensive Gebrauch von Laptop, Tablet und Handy. „Selbst Babys beherrschen heute schon die Wischbewegung mit dem Zeigefinger fürs Handy, das ist schon bedenklich“, meint Gudrun. Fünfjährige würden stundenlang „zocken“, also Videospiele spielen, weiß sie. Auch solche Spiele, bei denen geschossen wird und die daher definitiv nicht für Kinder geeignet sind. Gudrun stellt im Zuge ihrer Arbeit immer wieder fest, dass es den Kids an Wortschatz fehlt. Und an der Fähigkeit, die Mitvergangenheit zu bilden: „Die wird ja nicht gesprochen, sondern nur geschrieben verwendet“, so die gebürtige Milserin und Wahl-St. Johannerin.
Mit dem Bilderbuchkino wollen Edith und Gudrun zum Vorlesen animieren. Und zum Kuscheln. Was gibt es Schöneres in der Vorweihnachtszeit?
Doris Martinz