Im BKH St. Johann entsteht ein Kardiologie-Schwerpunkt. Dr. Peter Rainer hat in seinem ersten Jahr als Primar der Abteilung Innere Medizin bereits viel bewirkt.

Er ist jener Arzt, der seinen Patientinnen und Patienten tief, sehr tief ins Herz blickt. Allerdings ohne jegliche Romantik: Bei der Herzkatheteruntersuchung beispielsweise führt Dr. Rainer einen feinen, biegsamen Schlauch von der Leiste oder vom Arm aus durch ein Blutgefäß bis zum Herzen, um eine eventuelle Erkrankung auf einem Bildschirm sichtbar zu machen. Und nicht nur das: Engstellen können sofort über den Herzkatheter behandelt werden. Solche Untersuchungen beziehungsweise Behandlungen werden in Tirol bislang nur an der Klinik in Innsbruck sowie am Krankenhaus in Lienz vorgenommen. „Wir sehen deshalb die Notwendigkeit eines Herzkatheterstandorts im Tiroler Unterland, in St.Johann, um unsere Patientinnen und Patienten adäquat, wohnortnahe und ohne lange Wartezeiten versorgen zu können.“ Der entsprechende Antrag an das Land Tirol sei bereits gestellt worden, so der vor einem Jahr neu bestellte Primar für Innere Medizin. Es seien bereits Herzschrittmacher und Defibrillatoren implantiert worden, bestätigt Dr. Peter Rainer. Der Termin für unser Gespräch in seinem Büro ist genau eingetaktet, wir haben eine halbe Stunde. Es ist viel zu tun. Und viel zu besprechen.

In die Staaten und retour

In Bad Hofgastein geboren, nahm Peter Rainer in Graz das Medizinstudium auf. „Die Begeisterung für die Medizin und die Gewissheit, dass es das richtige Metier für mich ist, kam eigentlich erst mit der Zeit“, erinnert er sich. Was ihn bis heute fasziniert, ist die Tatsache, wie umfassend die Themen sind. Dass er sich auf Innere Medizin und Kardiologie spezialisierte, hängt mit einem Vorgesetzten zusammen, der ihn während der Ausbildung in­spirierte und dafür begeisterte.
Als Internist und Kardiologe befasste er sich von Beginn an intensiv mit Herzschwäche, Herzmuskelentzündung und weiteren Krankheitsbildern des Herzens. Er versorgte Herzinfarktpatient:innen, arbeitete mit Herzkatheter und mehr. Während eines „Fellowships“ – einer vertiefenden Ausbildung – in Amerika sammelte er weitere Erfahrungen. Insgesamt vier Jahre lang verbrachte er in Baltimore, USA. Was nahm er von den Staaten mit nach Hause? „Die Gewissheit, dass das Gesundheitssystem in Österreich mit Sicherheit solidarischer ist als in den USA. Unser Netz hat viel kleinere Maschen, da fällt man nicht so schnell durch.“ Und in fachlicher Hinsicht? „Die Erkenntnis, dass alle nur mit Wasser kochen, ob in einer Spitzenklinik in den USA oder in einem vergleichsweise kleinen Haus in St. Johann. Es wird überall gute Medizin gemacht, die Erfordernisse sind jedoch unterschiedlich.“ Zurück in Österreich, arbeitete Dr. Rainer einige Jahre am Uniklinikum Graz.
Durch das geöffnete Fenster ist das Dröhnen des Martinshorns zu hören. Es kommt „Nachschub“. Vielleicht ein Herzpatient oder eine Herzpatientin? „Man fragt sich, wo die Betroffenen hinkommen. Im Winter oft in die Unfallchirurgie“, sagt Dr. Rainer. Das dürfte sich in Graz anders verhalten haben.

Ein großes Paket an Aufgaben

Als Dr. Rainer auf die Ausschreibung der Primar-Stelle für Innere Medizin des Krankenhauses St. Johann stieß, kam er mit seiner Familie – mit seiner Frau und den vier Kindern im Alter zwischen zehn und zwei Jahren – in die Marktgemeinde, um sich Haus und Region anzusehen. Beides sagte ihnen auf Anhieb zu: „Es ist ein gutes Haus, eine gute Abteilung mit hoch qualifiziertem Personal, bei der Ärzteschaft wie bei der Pflege.“ Was ihm ebenso gefallen habe, sei die spürbare Aufbruchsstimmung gewesen. Die Aussicht, als Salzburger nach den Jahren in Graz wieder in den Bergen zu leben, tat ein Übriges. Dr. Rainers Frau, eine Dermatologin, stammt ursprünglich aus dem Bezirk Kufstein. Dass die Kinder ihren Großeltern mit dem Umzug geografisch näher gerückt sind, ist ein weiteres Plus. Die ganze Familie hat sich inzwischen gut eingelebt. Innerhalb weniger Minuten draußen in der Natur oder bei der Bergbahn zu sein, empfinden alle als wunderbar.
Die Berge müssen aber oft warten. Denn das Aufgabengebiet des Primars ist umfangreich. Es gelte, bestmögliche Medizin machen, so Dr.Rainer, und den Versorgungsauftrag im Bezirk zu erfüllen. Seine Abteilung deckt das gesamte Spektrum der inneren Medizin ab, inklusive Notfall­aufnahme und – gemeinsam mit engagierten Konsiliarärzten – auch die Mitversorgung psychiatrischer und neurologischer Patient:innen. Die einzelnen Subdisziplinen, die sich mit Krebserkrankungen, mit Magen-Darm- und Leber­erkrankungen, mit Nieren­erkrankungen und Dialyse oder etwa Zuckerkrankheit beschäftigen, sind auf dem aktuellen Wissensstand zu halten und weiterzuentwickeln. Auch die angegliederte Sportmedizin, wo Hobby- und Spitzensportler betreut werden, ist ein wichtiger Teil der Abteilung. „Die Halbwertszeit medizinischen Wissens ist kurz“, meint Dr. Rainer dazu, ständige Fortbildung sei also ein Muss. Zugleich gelte es, eine gute und breite Allgemeinversorgung sicherzustellen. Es ist kein kleines Paket, das er schnürt.
Gemeinsam mit seinem Team und den Kolleginnen und Kollegen anderer Abteilungen wie der Radiologie, Chirurgie und Gefäßchirurgie, Anästhesie und Intensivmedizin wird der 43-Jährige daran arbeiten, das medizinische Angebot in St. Johann weiter auszubauen. Wie zum Beispiel mit der Akutgeriatrie und Remobilisation, die gemeinsam mit einem breit aufgestellten Team ausgearbeitet wurde und seit Jänner dieses Jahres angeboten wird: Ältere Menschen werden nicht nur medizinisch versorgt, sondern auch mithilfe verschiedenster Therapien mobilisiert, damit sie daheim so selbständig wie möglich leben können.

Angekommen

Worin sieht Dr. Rainer für seine Abteilung die größten Herausforderungen in der Zukunft? „Es gilt, die Bereiche weiterzuentwickeln, ohne dabei auf Gutes und Bewährtes zu vergessen“, so Dr. Rainer. Man müsse junge Mitarbeiter:innen gut und breit ausbilden und dennoch Raum für Spezialisierungen ermöglichen. Eine „Challenge“ sei es auch, den Personalstand zu halten. Derzeit sei man in der glücklichen Lage, dass man Patient:innen aufnehmen und sich um sie kümmern könne, solange es notwendig ist. Dass man die soziale Situation berücksichtigen könne: ob der Patient/die Patientin daheim entsprechend versorgt werden kann oder nicht. Um diesen Standard zu halten, braucht es ausreichend Mitarbeiter:innen. Jene bekomme man wiederum, wenn man sich als Arbeitgeber attraktiv mache und entsprechende Aktivitäten setze. Es sind also viele Themen, mit denen sich Dr.Rainer auseinanderzusetzen hat. Langweilig wird ihm so schnell nicht.
Bei der Fülle von Aufgaben habe er den Wechsel nach St.Johann aber noch keine Sekunde bereut, ganz im Gegenteil, so Dr. Rainer. Das Schönste für ihn: „Dass ich das Gefühl habe, dass meine ganze Familie angekommen ist. Ein Umzug mit sechs Leuten ist ja eine Riesenumstellung, aber es ist alles gut gegangen. Wir fühlen uns alle wohl in St.Johann und beruflich wie privat willkommen. Das ist sehr, sehr positiv.“
Mitte September wird aller Voraussicht nach der Anbau, an dem aktuell noch gearbeitet wird, fertiggestellt sein. Die Abteilung Innere Medizin wird dann rund hundert Betten umfassen. Die neuen Räumlichkeiten werden noch mehr Möglichkeiten und noch mehr Arbeit bringen. Gut, dass Berge auch dann wunderschön sind, wenn man sie vom Fenster aus betrachtet. Und am Sonntag geht’s dann mit den Kindern hinauf …
Doris Martinz