Der talentierte Rennfahrer Kilian Soder über Geschwindigkeit, Ausdauer und Adrenalin pur.
Der Lärm ist ohrenbetäubend – die zahlreichen Motoren der Motocross-Fahrer haben sich wie zu einem überdimensionalen Hornissennest gebündelt das sich nach dem Startschuss wütend über die Strecke aus sandiger Erde, Sprungschanzen und engen Kurven ausbreitet. Kilian ist vorne mit dabei, die dröhnende „Bestie“ hat er fest im Griff. Er atmet den Benzingeruch ein, nimmt es aber kaum wahr. Es ist heiß, es ist dreckig, aber vor allem – einfach genial!
Vom „Gatsch-Hupfer“ zum Höhenflug
Seine Leidenschaft zum Moto-Crossen entdeckt Kilian bereits mit vier Jahren. Der lässige Lockenkopf sitzt mir im Café Rainer bei einer heißen Schokolade gegenüber und erzählt mir von der ersten Minicross, die ihm sein Papa geschenkt hat. „Unser Nachbar fuhr Motocross-Rennen und ich sah ihm gerne zu, dem Papa hat das auch getaugt. Als ich die Minicross bekam, fuhr ich die ersten Runden auf der Ministrecke vom Nachbarn, später auf der Strecke in Kundl.“ Mit sechs Jahren war Kilian bereit für das nächstgrößere Modell, seine erste „richtige“ Motocross wie er sagt, eine 50 cm³ KTM, womit er seine Rennkarriere in der X Bowl Arena in Salzburg sowie in Südtirol begann. Mit sieben ging es rennmäßig richtig los, er fuhr bei der Südbayerischen Meisterschaft mit, wo er sich den Vizemeistertitel holen konnte.
Im Supercup in Thüringen fuhr er auf Platz drei, (die Führung hatte er aufgrund eines dummen Fehlers, der ihm heute noch das Gesicht leicht verziehen lässt, abgegeben.) Kaum war er auf die nächststärkere Maschine, eine 65 cm³ umgestiegen, wurde er in das Redbull KTM Kini Juniorteam rund um den mehrfachen Motocrossweltmeister Heinz Kinigadner aufgenommen. „Das war immer schon mein Traum, für dieses Team zu fahren,“ erzählt Kilian. Er holte 2017 beim Alpencup den Gesamtsieg, 2018 wurde er bei der KTM 65 cm³ Challenge Vizemeister. Sein Umstieg auf 85 cm³ erfolgte noch zu Saisonende, was die Vorfreude auf die neue Saison befeuerte.
Der Wendepunkt
Endlich war es soweit, und im März 2019 startete Kilian auf der neu angelegten Strecke in Telfs in eine vielversprechende Rennsaison. Er erzählt mir von dem einen Streckenabschnitt, der erst gegen Abend fertig wurde und ihm quasi „fehlte“ und ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. „Wir sind schon stehengeblieben, waren alle nach dem intensiven Training ein wenig müde und geschafft – aber ich bin dann nochmal raus.“ Was in jenem Moment genau passiert ist, weiß Kilian heute nicht mehr. Jedenfalls kam er statt etwa 30 Metern, wofür die Sprungschanze gebaut worden war, nach etwa 60 Metern aus einer viel zu großen Höhe auf. „Ich sehe mich noch, wie ich vom Sprung runtergeschaut habe – und erinnere mich erst wieder, wie ich im Sand liege und von Notärzten umringt bin.“ Kilian wird mit zwei zertrümmerten Sprunggelenken in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht. „Ich weiß noch, wie ich voller Sand und Dreck an den Skifahrern vorbeigeschoben worden war – das war schon irgendwie lustig im Nachhinein,“ schmunzelt Kilian.
In der ersten Zeit nach dem Unfall war keine Rede vom Motorsport, es war nicht einmal 100 % sicher, dass Kilian je wieder normal laufen würde können. Er erzählt von seiner sechsstündigen Operation und der langen Heilungsphase, die er über mehrere Monate im Rollstuhl verbrachte. Nach einem vorsichtigen Test musste er für sich feststellen: „Nach dem Unfall hab ich den Rhythmus verloren, kam nicht mehr richtig rein.“
Neue Wege und verschlungene, wurzelige Trails
Später, es war schon 2020, ging Kilian aus Gaudi mit seinen Freunden Downhillen in Leogang. Das hat Spaß gemacht! So sehr, dass sich Kilian dem Adrenalin eines Rennens wieder aussetzen wollte – und das mit Erfolg:
Er gewinnt 2021 das Future Bike Festival in Oberndorf und wird 2022 Tiroler Meister in der U17 Klasse in Enduro und Downhill, in der Österreichischen Downhill Staatsmeisterschaft belegte er den 3. und 4. Platz. Kilian kann als Einsteiger mit langjährigen Bikern mithalten und wird im Österreichischen Nationalteam- Nachwuchskader aufgenommen – das stärkt sein Selbstvertrauen und zeigt ihm, dass er auch beim Downhillen vieles schaffen kann. 2023 wird er von einem Virus ausgeknockt, doch 2024 blickt er wieder optimistisch entgegen.
Außen Remmidemmi, innen Ruhe
Was fasziniert Kilian am Rennfahren, was zieht sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Sportarten? „Man arbeitet immer darauf hin und es fühlt sich am Ende einfach gut an,“ antwortet er mit fester Stimme. Er erzählt vom Nervenkitzel am Anfang, dem Adrenalin und der Gewissheit: Er muss runterfahren was geht, darf sich aber auch keine Patzer leisten. „Ein Fehler kostet in etwa drei bis vier Sekunden – das ist für eine Topplatzierung schon zu viel.“ Seine Vorbilder sind der kanadische Radrennfahrer Finn Iles und der deutsche Motocrossprofi Ken Roczen. Für sein Mindset holt sich Kilian auch gerne Tipps von Formel-1-Legende Max Verstappen: „Mir gefällt sein Renngeist und wie er den Sport ernst nimmt.“ Kilians Ritual bevor der Startschuss ertönt: Aufwärmen, Puls nach oben bringen. Dann, kurz vor dem Start – wieder ruhig werden, nach innen gehen und sich konzentrieren. „Gut ist auch, positiv zu denken und sich vorzustellen, wie mega es wäre, zu gewinnen,“ so das Nachwuchstalent.
Abseits der Rennstrecke macht Kilian „so normale Sachen“, wie er selbst sagt: Er besucht die HAK in Kitzbühel, interessiert sich besonders für Fächer wie Wirtschaft, Buchhaltung und Marketing. Er trifft gerne Freunde, geht Skifahren und regelmäßig ins Fitnessstudio. Auf seiner Wunschliste stehen natürlich weitere Top-Platzierungen bei Rennen, und eines Tages den Bikepark in Whistler Mountain, Kanada, zu befahren. Sein besonderer Dank gilt seinen beiden Hauptsponsoren Sport Patrick und Andi Klausner. Ein ambitionierter junger Mann, dieser Kilian! Wir dürfen gespannt sein, was wir von ihm noch alles hören werden.
Viktoria Defrancq-Klabischnig