Wie der Hygienebeauftragte des BKH St. Johann, Lucas Thummer, beruflich und privat „tickt“.

Er fällt auf. Zum einen natürlich wegen seines spiegelnden Hauptes. Zum anderen wegen seines breiten Lächelns und seiner lockeren, netten Art. Einen Hygienebeauftragten habe ich mir definitiv anders vorgestellt: Irgendwie „zugeknöpfter“. Das trifft auf ihn definitiv nicht zu.

Lucas Thummer ist gebürtiger Jochberger, Jahrgang 1970. Nachdem er in Wien die Ausbildung zum diplomierten Krankenpfleger absolviert hatte, arbeitete er im OP-Bereich im AKH Wien. 1998 ging er zurück nach Tirol und arbeitete beim Sozial­sprengel Kitzbühel, bevor er zwei Jahre später seinen Dienst als Pflegefachkraft im OP des Krankenhauses St. Johann aufnahm – als einziger Mann unter vielen Kolleginnen. „Ich habe jede Minute im OP geliebt, das war mein Traum“, erinnert sich Lucas.
Später übernahm er die Bereichsleitung. Als man ihm anbot, die Ausbildung „OP-Management“ zu absolvieren, sagte er Ja. Dann wurde die AEMP, die Zentralsterilisation (hier werden die Medizinprodukte aufbereitet) in eine eigene Abteilung ausgelagert. Als man ihm die Leitung der AEMP inklusive Projektmanagement anbot, sagt er wieder Ja und stürzte sich in seine neue Aufgabe. „Sonst wollte ja niemand“, erzählt er und lächelt breit. Es folgten weitere Ausbildungen im Projekt- und Prozessmanagement. 2015 bot man ihm an, die entsprechende Ausbildung zu machen und den Bereich Hygiene zu übernehmen. Wieder war er der Einzige, der wollte. „Ich mag es, Neues anzugehen“, erklärt er und fügt hinzu: „Es war ein Grundprinzip in meinem Leben, dass ich zu Chancen immer Ja gesagt habe. Ich habe es nie bereut.“

Fordernde Zeiten

Ein Hygieneteam im Krankenhaus besteht aus mindestens einem beauftragten Arzt/einer Ärztin mit Zusatzausbildung und einem Hygieneexperten. Im Bezirks-Krankenhaus St. Johann sind dies Dr. Katharina Auckenthaler und Lucas. Zu den Aufgaben des Hygieneteams gehören die Hygieneplanung, Präven­tion, technische Hygiene, Wasser­hygiene, Raumlufthygiene,­ Beprobungen und mehr.
„Meine Arbeit ist immer auf Wissenschaft aufbauend, ich weiche keinen Millimeter davon ab“, betont Lucas. Glaube habe in seinem Metier keinen Platz, hier zählen nur Fakten. Schon bald wurde digitalisiert, Lucas baute ein internationales Netzwerk auf. Und dann kam die Pandemie.
Die Hygieneabteilung war bereits gut vernetzt, man wusste schnell, was auf die Gesundheitseinrichtungen zukam; es wurde Schutzausrüstung und alles Notwendige besorgt. Man war gewappnet und musste beispielsweise nie FFP2-Masken vom Bund beziehen. Lucas drehte Videos über das richtige Anlegen der Schutzausrüstung, die von anderen Krankenhäusern gerne in Anspruch genommen wurden. Die drei Jahre, die folgten, waren für alle eine sehr fordernde Zeit. „Ich bin heimgekommen und habe bis Mitternacht noch Studien gelesen“, erinnert sich Lucas. Die Jahre seien aber auch eine Zeit des Zusammenhalts, der Kollegialität, der „Wir-schaffen-das-Mentalität“ gewesen, sagt er. Und intellektuell stimulierend – bei allen Herausforderungen. Sein Ziel damals: „Das Mutterschiff gut durch die Zeit bringen und das Beste für Patient:innen und Mitarbeiter:innen erreichen.“ Bei unserem Gespräch drückt er es so aus: „Ich will nicht, dass sich jemand – egal ob Patient:in oder Mitarbeiter:in – sich bei uns im Haus mit einem pathogenen Erreger ansteckt. Das war in der Pandemie so und ist immer noch mein Hauptfokus.“ Damit das nicht passiert, wird Prävention betrieben und Outbreak-Management, wenn bei­spielsweise ein Norovirus ausbrechen sollte oder andere Infektionskrankheiten. Alle wissen dann, was zu tun ist, und Lucas koordiniert die Maßnahmen.

Vorreiter in Sachen Hygiene

Unter seiner Leitung war das BKH St. Johann das erste Haus in Tirol, das ein modernes Computerprogramm zur Überprüfung der Händehygiene bekam, Lucas hielt dazu Vorträge in anderen Einrichtungen. Er führte an seinem Arbeitsplatz eine Risikobewertung auf Basis der Infektionsprävention ein. Das BKH St. Johann war das dritte Haus in ganz Europa, das über ein solches Werkzeug verfügte – Teams aus vielen Institutionen kamen, um es sich vor Ort anzusehen und sich bei Lucas zu informieren. Sogar das deutsche Gesundheitsamt schickte eine Delegation. Er begann, gemeinsam mit einem Kollegen auch außerhalb des Krankenhauses als Referent zu arbeiten und betreut bis heute viele Einrichtungen.
Das Bezirks-Krankenhaus St.Johann wurde zum Vorreiter in Sachen Hygiene. „Das geht nur, wenn du die kollegiale Führung hinter dir hast, und das war bei uns immer der Fall“, sagt Lucas. Er arbeitet inzwischen daran, auch Künstliche Intelligenz zu nützen, um Infektionen frühestmöglich aufzuspüren und bekämpfen zu können. Das fängt bei der Hygiene an: „Hygiene im Krankenhaus ist nicht alles. Aber ohne Hygiene ist alles nichts.“

Daheim ist alles anders

Von höchst dramatischen Themen wie gefährlichen Infektionen und dem „Outbreak-Management“ spricht Lucas ganz gelassen, er lächelt viel. So ganz „oben ohne“ sieht er fast wie ein Buddha aus. Die Haare habe er sich als OP-Pfleger abgeschert, das sei praktischer gewesen mit der Haube, die er damals tragen musste, erzählt er lachend. Die Frisur habe er dann beibehalten, sie habe sich bewährt. Tatsächlich habe er sich aber mit dem Buddhismus beschäftigt und sich in das „Haus der Stille“ in Salzburg zurückgezogen – in einer Zeit, in der er sich überlastet und ausgebrannt gefühlt habe. Sie liege nun schon etliche Jahre zurück. In der Stille habe er sich den nötigen Abstand zu den Dingen geholt. Das sei ganz wichtig, auch in der Hygienearbeit, sagt Lucas. Deshalb trennt er beim Thema Hygiene strikt die Bereiche Arbeitsplatz und zuhause. „Bei mir daheim verwende ich nur ganz selten Desinfektionsmittel“, betont er.
Lucas wohnt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Fieberbrunn. Die Familie lebt „relativ reduziert“, wie er es ausdrückt. Die Thummers fahren selten auf Urlaub, sie halten Hühner und Enten, bauen Obst und Gemüse im großen Garten an, und auf dem Speiseplan steht immer wieder auch Wildfleisch, für dessen Nachschub Lucas als leidenschaftlicher Jäger selbst sorgt. Die Ruhe des Waldes ist für ihn der perfekte Ausgleich für den Arbeitsalltag. „Ich sitze oft stundenlang am Hochsitz und schaue“, erzählt er. Runterkommen, die Schönheit der Natur genießen, all das werde für ihn wichtiger, je älter er werde. Gerne geht er auch mit Freunden auf die Jagd oder ist – im Winter – mit Spürnase „Trigon“, einer Border-Collie-Spitz-Mischung, auf Schneeschuhen unterwegs.
Er bezeichnet sich selbst als bodenständigen Naturmenschen. „Und der ist alles andere als steril“, meint er. Ein Stück Seife und ein Handtuch genügen daheim.

Ganz anders im Krankenhaus: Hier setzt er sich dafür ein, dass an jedem Bett zukünftig ein Desinfektionsmittelspender angebracht werden soll, um Pflegenden und Mediziner:innen den Zugang zur Desinfektion so einfach wie möglich zu machen. Wenn andere in der Früh im Büro die Zeitung aufschlagen, um nachzusehen, was es Neues gibt, öffnet Lucas das Infektionsprogramm und schaut, was alles so los ist im Haus und ob etwas Besonderes ansteht. Viren und sonstige Erreger sind seine täglichen Herausforderer, auch im Krankenhaus geht er auf die Jagd. Hier ist er der „Keim-Jäger“ und zu unser aller Sicherheit im Einsatz. Weidmannsheil!

Doris Martinz