Nach nahezu 200 Jahren schloss das Hutgeschäft seine Türen.

Es war ein netter Zufall, dass unser Museum bei der heurigen „Langen Nacht der Museen“ das Thema „Hut“ hatte und dabei Obmann Armin Rainer einen interessanten Vortrag mit fundierten Erklärungen in Wort und Bild gebracht hat. Mit etwas Wehmut wurde dabei erwähnt, dass das Hutgeschäft Mariacher, der „Hua­terer“, dabei ist, seine Pforten nach nahezu 200 Jahren zu schließen. Das Ende einer echten St. Johanner Institution sollte also mit einem Rückblick in Erinnerung gebracht und gewürdigt werden.

Sprüche rund um den Hut

Über den Hut gab und gibt es allerhand Lustiges und Nachdenkliches in der Sprüchewelt, so zum Beispiel: • Das ist doch ein alter Hut. • Alles unter einen Hut bringen. • Den Hut aufhaben. • Den Hut draufhauen. • Da brennt der Hut! • Mit dem Hute in der Hand kommt man durch das ganze Land. • Das geht über die Hutschnur. • Hut ab! • Unter einem alten Hut steckt oft ein guter Kopf. • Das kannst du dir auf den Hut stecken.
Diese Auswahl zeigt, welche Bedeutung dieser Kopfbedeckung seit jeher zukam, worüber man sich Gedanken gemacht hat.

Osttiroler Wurzeln

Der Stammbaum der Familie Mariacher lässt sich in Virgen bis in das Jahr 1627 verfolgen, die meisten Mariacher dieser Linie waren Hutmacher und hatten den Vornamen Jakob, so auch der 1825 geborene und dann nach St. Johann „ausgewanderte“ Jakob Mariacher, der die Familientradition der Hutmacherei hier also gegründet hat. Der Nachfolger hieß (natürlich) auch Jakob, geboren 1859, der Großvater vom heutigen „Hua­terer“ Christian Mariacher.
Wenn man Bilder in den Geschichtsbüchern oder in alten Filmen heute sieht, fällt eines auf: Mann trug Hut! Es war also sicher eine goldene Zeit für die Hutmacher und es gab auch dementsprechend viele im Land. Über die letzten Jahrzehnte war aber dann die Hutmacherei Mariacher eine der wenigen im Tiroler Unterland.

Hans Mariacher im Fernsehen

Christians Vater, Johann, Jahrgang 1908, hatte Ende der 1960er-Jahre einen Auftritt bei der damals sehr populären deutschen Fernseh-Serie „Was bin ich?“ mit Robert Lembke. Ein prominentes Rateteam sollte den Beruf des Kandidaten durch gescheites Hinterfragen ermitteln, was bei Hans Mariacher zwar fast, aber doch nicht ganz gelang. Der „Hutmacher“ wurde erraten, nicht aber der „Seidenschnurhutmacher“. Werbung für das Geschäft, aber auch für St. Johann war’s auf jeden Fall. Noch eine kurze Anmerkung: Eine weitere St. Johanner Persönlichkeit, Franzi Hilbert, die „Leichter-Franzi“, schaffte es zu Robert Lembke, und zwar als „Innsbrucker Bötin“.
Die Mutter der Mariacher-Buam Jakob, Hans, Heribert und Christian war Gertraud, geb. Grander, sie stammte vom Höllererbauern in Oberndorf. Gertraud Mariacher war der Tradition unserer Tracht, insbesondere dem „Kassettl“ sehr verbunden. Die Fahne der Kassettl-Frauen war zu dieser Zeit stets beim „Huaterer“ in Verwahrung.
Hans Mariacher hatte in seinem Betrieb zwei bis drei Mitarbeiter, sein Vater beschäftigte sogar sieben bis acht Gesellen.

Vom Konditor zum Hutmacher

Christian, der jüngste Sohn, erlernte vorerst den Beruf eines Konditors, war dann einige Zeit in der Weltgeschichte unterwegs, absolvierte anschließend die Lehre als Hutmacher bei seinem Vater und übernahm den Betrieb Mitte der 1970er-Jahre. Im Jahr 1986 heirateten Gitti und Christian, fortan lebten drei Generationen unter einem Dach in der Kaiserstraße Nr. 15, Gitti und Christian mit ihren drei Söhnen und die Eltern. Unmittelbar daneben, sozusagen im gleichen Haus, war die Bäckerei von Jakob und Annaliese Mariacher, der „Mariacher-Bäck“, auch lange Zeit ein St. Johanner Traditionsbetrieb.

Ein breites Sortiment

Es ist interessant, was Christian und Gitti über ihr „Huaterer“-Dasein zu sagen haben. Der Hut war natürlich immer das Hauptgeschäft, und das Sortiment musste umfangreich sein, jede Kundschaft hatte ihre Vorstellung und ihren Wunsch. Der Trachtenhut wurde von den Traditionsvereinen wie Schützen oder Musikkapellen bestellt, das waren immer die „größeren“ Aufträge. Ein starker Kunde von Hüten war die Jägerschaft, darüberhinaus waren es der Tiroler, der Salzburger, der Ausseer, der Steirer Hut – jeder hat sein Charakteristikum, seine Eigenheit und noch etwas: er macht seinem Träger Freude. Der Hutschmuck, wie Gamsbart und Federn, musste natürlich in einer guten Auswahl vorhanden sein. Das war dann Gittis Bereich, vor allem auch bei den Damenhüten konnte sie als Modistin mit gutem Geschmack beratend wirken.
Bis in die 1980er-Jahre war beim „Huaterer“ noch etwas gefragt: Zubehör zum „Doggl­machen“. Das waren die Vorderkappen, die Fersenkappen und die Einfassungs-Plüschbandeln sowie die Schneidnadeln, alles also, was man brauchte, wenn man die Hausschuhe selbst machte; und das waren gar nicht so wenige Leute.
Filzpantoffeln waren auch ein Teil des Sortiments im „Huaterer“-Geschäft, also von Kopf (Hut) bis Fuß (Patschen) – beim „Huaterer“ gab’s alles, auch noch Halstücher, Schals, Hosenträger und Gürtel und Handschuhe.
Stammkunden hatten Christian und Gitti nicht nur aus unserer Gegend, sondern sehr viele Feriengäste, die immer wieder – auch über 30 Jahre – die beiden im Geschäft besuchten, es entstanden nette Bekanntschaften und Freundschaften.

Hutmachen ist Handarbeit

Das Hauptutensil des Hutmachers ist das Model, die Kopfform, und da sammelten sich in mehreren Generationen einige Dutzend dieser Holzrundlinge an. Das Bügeleisen, der Dampfstrahler, die Tourmaschine, die für eine schöne Rundung sorgt, die Schablonen für den Schnitt der Krempe und diverses Kleingerät waren die Hilfsmittel, die Hauptsache (das kann man auch wörtlich nehmen) ist die Handarbeit und das Geschick des Hutmachers. Eine besondere Herausforderung war stets der Hut zu unserer Tracht, dem „Kassettl“. Das Material, der Zylinder-Plüsch (ein dünner Samt) ist schon seit einiger Zeit nicht mehr erhältlich, es musste auf andere Materialien ausgewichen werden. Nach der Herstellung eines Hutes gab’s noch Arbeit für Gitti: Bänder, Schnüre und Futter einnähen, zeitaufwendige Handarbeit.
Eine kleine Episode: Christian hatte im Geschäft eine teure Pelzkappe, die niemand kaufte, vielleicht auch preisbedingt. Bis ein Kunde kam, der sie unbedingt haben wollte, nur die Größe passte nicht. Kein Problem: dehnen. Und bei diesem Arbeitsgang, der mit großer Hitze vor sich geht, übersah Christian die Zeit, das gute Stück ging in Flammen auf. Damals bitter, heute kann er lachen. (Sonst hätte er es nicht erzählt.)

Der sportliche „Huaterer“ nimmt den Hut

Christians Herz schlug seit jeher für den Sport. Als Bub und Jugendlicher ein begeisterter Fußballer, hat er es bis in den Tiroler Kader geschafft, dann kam das Klettern, natürlich in oberen Schwierigkeitsgraden, das Langlaufen mit Teilnahme an zahlreichen Volksläufen und das Paragleiten. Alle Sportarten übte er mit großem Eifer und Ehrgeiz aus. „Und bei jeder Sportart hab’ ich mich verletzt“ fügt er schmunzelnd hinzu. Bei der Erschließung des Klettergebietes „Schleierwasserfall“ war er mit „Number One“ vorne dabei, diese Tour ist sein persönliches Highlight in Sachen Sportklettern, ebenso wie sein Engagement für den Kletterturm in der Tourismusschule.

Dank

Gitti und Christian blicken auf rund 50 Jahre Tätigkeit im „Huaterer-G’schäft“ zurück, nach fast zwei Jahrhunderten hat das Huthaus Mariacher Ende Oktober geschlossen, es bleiben viele schöne Erinnerungen, etwas Wehmut und der Dank an die treue Kundschaft aus St. Johann und Umgebung und weit darüberhinaus.Horst Eder