Herbert Schachner über notwendige Fehlerkultur, warum er ein „Stempel“ sein will und mehr.
Seit Herbst 2022 ist er interimistisch eingesetzter Schulleiter an den Tourismusschulen Am Wilden Kaiser in St. Johann, seit zwanzig Jahren unterrichtet er dort das Fach Religion – und das, obwohl er eigentlich gar nie Lehrer werden wollte. Herbert Schachner lächelt. „Das hat sich halt alles so ergeben“, meint er.
Der 47-jährige Ellmauer absolvierte die HTL in Innsbruck und studierte danach Theologie. Warum ausgerechnet Theologie? „Weil ich als religiös sozialisierter Mensch vor der Entscheidung stand, mich entweder intensiver mit meinem Glauben und damit mit mir selbst und meinen Wahrheiten auseinanderzusetzen – oder es überhaupt zu lassen. Ich wählte ersteres.“ Fächer wie Latein, Griechisch, Psychologie und Philosophiegeschichte bedeuteten einen starken Kontrast zu dem, was der junge Herbert damals bislang in der Schule gelernt hatte. Das empfand er zuerst als sehr fordernd, letztlich aber als eine große Bereicherung. Er machte sich wenig Gedanken darüber, was er beruflich machen würde. „Ich lebte immer im Vertrauen, dass man mich schon irgendwo brauchen wird.“ Lehrer zu werden, danach stand ihm nicht der Sinn. Auch als Priester sah er sich nicht, als Pastoralassistent schon eher. Da in diesem Bereich in der näheren Umgebung gerade keine Stelle frei war, absolvierte er das Lehrerpraktikum. An die Tourismusschule kam er dann eigentlich, um seine Frau Sandra Schachner-Ivic zu unterstützen, die hier Deutsch und Religion unterrichtete. So wurde Herbert Schachner Lehrer. Und übernahm letztes Jahr die Funktion des Schulleiters von seiner Vorgängerin Anita Aufschnaiter.
Für Fehler, gegen Angst
Die Beschäftigung mit jungen Menschen erfüllte ihn von Anfang an mit Freude. Was ihn bis heute weniger freut, ist das Schulsystem – ein System, das Jugendliche in manchen Bereichen eher ausbremst als fördert. Und in dem Fehler nicht gerne gesehen sind. Dabei mag Herbert Schachner Fehler, wie er sagt. „An Fehlern wächst man. Wenn man keine machen darf, wird einem die Möglichkeit des Wachstums entzogen.“ Strafen machen nichts besser, davon ist er überzeugt: „Eine Strafe ist oft nur eine Strafe, sie macht uns vielleicht nur wütend und hilft nicht.“ Ungewohnte Töne sind das aus dem Mund eines Schulleiters. Wo andere auf Leistung pochen, macht er sich für eine Fehlerkultur stark. Das kommt nicht von ungefähr: Er weiß aus seiner Erfahrung im Unterricht, dass die jungen Leute ohnehin Leistung erbringen wollen und können. „Mein Hauptziel als Schulleiter ist es, die Angst aus der Schule rauszubringen, die Angst vor Fehlern, vor dem Versagen, vor dem Lehrer/der Lehrerin, dem/der Vorgesetzten. Es braucht Lockerheit. Mit Angst ist noch nie jemand besser geworden, sie fördert nur unser Versagen und hat in der Schule nichts verloren!“
Angst sei ohnehin ein sehr präsentes Thema, auch außerhalb der Schule, so Schachner. Viele Jugendliche machen sich Sorgen um ihre Zukunft. „Corona hat da viel ausgelöst, die Klimakrise noch mehr.“ Es gebe SchülerInnen, die in dieser Hinsicht bereits resigniert hätten. Dem gelte es entgegenzutreten. Mit guter Ausbildung inklusive Persönlichkeitstraining. Und mit intensiven Gesprächen mit den Jugendlichen – auch und besonders in den Religionsstunden. Schachner redet mit ihnen zum Beispiel über das Tabuthema Suizid, über Depressionen und darüber, wie die SchülerInnen Freundinnen und Freunde mit suizidalen Gedanken unterstützen können. Der Theologe war zwölf Jahre lang Mitglied des Kriseninterventionsteams in Kufstein und oft mit dieser Thematik konfrontiert. Gemeinsam mit der Schulärztin und der Schulpsychologin ist er für die Jugendlichen da, wenn sie Rat und Hilfe brauchen. Das ist nicht nur pädagogisches, sondern auch theologisches Arbeiten. Macht er das als Schulleiter ebenfalls? „Das hoffe ich doch, ich will und kann diesen Teil von mir nicht abschalten!“
Erfahrungen machen
So kritisch Schachner das Schulsystem sieht, so überzeugt ist er von den Tourismusschulen. „Ganz ehrlich gesagt halte ich gewisse andere Schultypen und deren Denkmuster nicht aus. Da geht es oft nur um Wirtschaftlichkeit. Das ist natürlich ein wichtiger Punkt, aber eben nur einer von mehreren“, so Schachner. Durch den Dienst am Gast decke die Ausbildung an „seiner“ Schule ein breiteres Spektrum ab, ist er überzeugt. Wobei er das „Dienen“ ausschließlich positiv bewertet: Die Absolventinnen und Absolventen seien stolz in ihrem Dienen und dabei kein bisschen unterwürfig. Sie meistern ihre Aufgaben mit Stil, Würde und sicherem Auftreten und nehmen diese Aspekte ihrer Persönlichkeit mit ins Leben, so Schachner. Auch darüber spricht man im Religionsunterricht.
Herbert Schachner und seine Frau Sandra haben zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, sie sind jetzt 18 und 15 Jahre alt. Beide besuchen die Tourismusschule, ihre Eltern haben ihnen dazu weder geraten noch abgeraten. Schachner will ihnen und all seinen SchülerInnen mitgeben, dass sie sich gerade in der Jugend Herausforderungen stellen sollen. Dazu sind die AbsolventInnen der Tourismusschulen Am Wilden Kaiser ohnehin angehalten – bei Praktika im In- und Ausland. „Meine Tochter wird dank ihrer Aufenthalte in Frankreich, Italien und im Norden Deutschlands mit 19 Jahren Erfahrungen gewonnen haben, die andere gar nie machen“, so der Schulleiter. Dabei geht es längst nicht nur um Fachwissen, sondern um Kulturen und darum zu erfahren, wie Menschen in anderen Ländern „ticken“.
Was Schachner an den Tourismusschulen ebenfalls schätzt, ist die Vielseitigkeit des Lehrkörpers. „Vom Mathematiker über Germanisten, Marketing- und Wirtschaftsexperten bis zum Sommelier und Patissier decken wir ein breites Spektrum ab. Ich finde das lässig.“
Ist es schlecht, ein Gutmensch zu sein?
Als Schulleiter will Schachner die Kultur des guten Miteinanders intensiv pflegen und vielleicht selber so etwas wie ein „Stempel“ im positiven Sinne sein, wie er es ausdrückt. Stempel sein, Multiplikator für das Positive: Kann das funktionieren, oder sind es die Illusionen eines Gutmenschen? Schachner lacht, wird dann aber schnell wieder ernst. „Das ist doch wirklich bedenklich: Wenn man die Worte ,gut‘ und ,Mensch‘ zusammensetzt, kommt etwas Negatives, ja fast ein Schimpfwort heraus. Dabei brauchen wir doch Idealismus, wir alle sollten zuerst einmal das Gute annehmen von einem Menschen!“ (Ich kann ihm in diesem Punkt nur zustimmen, die Welt braucht noch viel mehr „Gutmenschen“.)
Es verwundert nicht, dass die schönsten Erlebnisse an der Schule für ihn jene sind, in denen die Schulgemeinschaft zum Tragen kommt. Bei Weihnachtsfeiern ist das der Fall, beim Schul-Fußballturnier oder beispielsweise auch bei der Verabschiedung von LehrerInnen und MitarbeiterInnen, die in den Ruhestand oder in eine andere Schule wechseln. Da wird gedichtet und musiziert, auch wenn die Schule keinen Musikunterricht anbietet. Da wird organisiert und gemeinsam an etwas Schönem gearbeitet – und das ist genau das, was den aktuellen Schulleiter glücklich macht.
Wahrscheinlich schreibt man in den kommenden Monaten die Position des Direktors/der Direktorin der Tourismusschulen Am Wilden Kaiser offiziell aus, Genaues steht noch nicht fest. Bis dahin wird Schachner sein Amt als Schulleiter ausführen. Ohne Angst vor Fehlern. „Theologisch“. Vielleicht auch als „Gutmensch“. Aber mit klaren Vorstellungen und viel Herz.
Doris Martinz