Fidji Fiala und Martin Eberl über eine „Gaudi“, aus der die größte Hilfsvereinigung in der Region entstand.

Oft rennt bei den monatlichen Treffen der Schmäh, es wird gescherzt, gestichelt, gelacht. Man erzählt vom letzten Wochenende, vom coolen Konzert, das man besucht hat, nimmt einen Kollegen auf die Schaufel. Es gibt aber auch Momente, in denen die 35 „Manda“ des Vertreterstammtisches ganz still werden. Es geschieht dann, wenn gewisse Anfragen kommen. Wenn plötzlich ein Schicksal vor ihnen auf dem Tisch liegt, das in diesem Moment auch ihre eigene Welt verändert. „Es ist dann wichtig, dass man sich austauscht, darüber spricht, das geht einem schon sehr nahe“, sagt Präsident ­Fidji Fiala. „Man mag glauben, bei uns in der Region geht es eh allen gut, was soll schon sein? Aber das ist einfach nicht so. Wir haben noch nie so viele Anfragen gehabt wie in den letzten beiden Jahren.“
Seit 25 Jahren hilft der VST, der Kitzbüheler Vertreterstammtisch, Menschen in der Region, die in Notsituationen geraten sind. Angefangen hat alles aus einer „Gaudi“ heraus im Jahr 2000, „als das Internet noch in den Babyschuhen steckte“, wie es Vizepräsident Martin ausdrückt. Im „Stadtl“ waren damals viele Vertreter und Handelsreisende unterwegs. Man traf sich regelmäßig am Stammtisch: zum Netzwerken und Austauschen, und um dabei ein Gläschen oder zwei zu trinken. Eines Tages erzählte einer der Männer von einem Schicksal in seinem Umfeld: Von einer OP, die ein Bekannter brauchte, die jener aber mit eigenen Mitteln nicht finanzieren konnte. Spontan entschloss sich die Runde, beim Lärchenhof ein Charity-Golfturnier zu organisieren und das Geld zu spenden. Dass sie damit den Grundstein legten für das mittlerweile größte private Golf-Charity-Turnier im deutschsprachigen Raum, ahnten die Vertreter nicht.
Im folgenden Jahr trug man ihnen wieder Fälle zu, in denen sie helfen wollten und konnten. Sie gründeten einen Verein, den VST, und organisierten das Turnier erneut. „So ging die Geschichte weiter, wir wurden immer kreativer dabei, Spenden zu lu­krieren und stellten fest, wie glücklich und zufrieden uns das Helfen macht“, erzählt ­Fidji. „Man wird bemühter und strengt sich immer mehr an. Weil man kapiert: Je mehr Geld, desto mehr kann man helfen. Diese Grundformel lautet vor 25 Jahren schon so, sie hat sich nicht verändert“, erklärt Martin.
Einmal monatlich treffen sich die Mitglieder, um Anfragen zu besprechen und darüber abzustimmen. Es geht dabei um angefragte Therapien, Therapiehunde, Umbauten in Wohnungen, Trainingsgeräte, Spezial-Operationen im Ausland, rollstuhlgerechte Autos und vieles mehr – all das, was betroffene Familien aus eigener Kraft nicht finanzieren können.
2009 bekam der Verein das Spendengütesiegel verliehen – ein wichtiger Schritt, weil er die Seriosität und korrekte Abrechnung nach außen hin sichtbar – und Spenden steuerlich absetzbar macht.

Es braucht Vertrauen

Ungefähr eine halbe Million­ Euro setzt der VST inzwischen jährlich für Hilfszwecke bei im Schnitt fast 100 Fällen ein. Das bringt viel Verantwortung mit sich – nicht nur gegenüber jenen Menschen, denen der Verein hilft, sondern auch den vielen Spenderinnen und Spendern gegenüber. „Sie haben die absolute Sicherheit, dass das Geld bei uns verantwortungsvoll ausgegeben wird“, unterstreicht Fidji. Anträge würden sehr genau und mit Unterstützung der Ärztin Dr. Gabi Eichbauer-Sturm überprüft. Außerdem hole man zuerst alle anderen Stellen wie das Land Tirol, den Staat oder Krankenkassen mit ins Boot und nehme Förderungen in Anspruch, bevor der VST übernimmt. Abgerechnet wird ausschließlich nach Beleg. „Wir sind da, wo wir heute sind, weil uns die Menschen vertrauen“, unterstreicht Fidji. „Dieses Vertrauen haben wir uns in den Jahrzehnten erarbeitet. Das ist unser Erfolgsgeheimnis“, verrät Martin.
Spendengelder fließen längst nicht mehr nur über das jährliche Golfturnier, sondern das ganze Jahr über und von vielen Seiten. Zum Beispiel von Vereinen und Institutionen, die über Veranstaltungen Geld gesammelt haben und es dem VST zur bestmöglichen Verwendung anvertrauen. Aber auch von vielen Privatpersonen, die Gutes tun wollen – zum Beispiel Jubilare, die bei ihrer Geburtstagsfeier für den VST sammeln. Unter ihnen auch Zweitwohnbesitzer:innen, die große Beträge spenden, um in der Region Positives zu bewirken. „Das muss man auch einmal sagen“, unterstreicht Martin. „Ganz ehrlich: Wir würden nicht mal die Hälfte Geld auftreiben ohne diese Menschen.“
Zu den Unterstützern des VST gehört unter anderem auch der Kitzbüheler Ski Club, der für Kooperationen immer zu haben ist. Das Vertrauen, das dem VST von allen Seiten entgegengebracht wird, sehen Fidji, Martin und die ganze 35-köpfige Crew als großes Kompliment.
Größer soll der Verein übrigens nicht mehr werden, damit sich alle persönlich einbringen können. Die Mitglieder kommen aus den verschiedensten Branchen und Lebenswelten: Es sind Angestellte und Selbständige dabei, Junge und Pensionisten: Willi Steindl ist mit seinen 32 Jahren der „Jungspund“, Wulf Kruetschnigg mit stolzen 81 der älteste. „Das Schöne bei uns ist, dass sich die Generationen mit gegenseitigem Respekt, mit Toleranz und Akzeptanz begegnen“, beschreibt es Martin. „Es ist ein harmonisches Miteinander.“ Unsere Zeit sei unglaublich schnelllebig, meint er. Umso besser sei es, dass man ältere Mitglieder hat, die die Geschwindigkeit ein wenig herausnehmen. „Das ist oft angenehm.“ „Aber es braucht auch die Jungen, die die neuen Themen einbringen und das Tempo erhöhen“, ergänzt Fidji.

Große Projekte

Zu den größten und schönsten Projekten, die der VST in den letzten 25 Jahren unterstützt hat, zählen Präsident und Vizepräsident den Lilienhof in Schwoich. Für Martin ist es mit besonders vielen Emotionen verbunden. Er erinnert sich nämlich noch an die Anfänge des Vereins „Schritt für Schritt“ in Hopfgarten: „Wir sind einmal hingekommen, als sich die Räume noch in einem Keller ohne Fenster befanden. Da wurden zehn oder mehr zum Teil schwerst beeinträchtigte Kinder betreut.“ Mehr sagt er dazu nicht, aber die Betroffenheit in seinem Gesicht sagt alles. Auch auf Betreiben des VST-Teams hin konnte der Verein in den Lilienhof integriert werden, zirka 40 Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigung finden hier nun ein wunderbares Umfeld für ihre Therapien. „Wenn man sieht, was man bewirkt hat, was sich entwickelt hat mit deiner Hilfe: Es gibt nichts, was sich besser anfühlt“, sagt Martin mit Nachdruck, ein Schimmern in den Augen.
Derzeit engagiert sich der VST stark beim Projekt „Badhaus“ in Leogang. Dort werden Kinder betreut, die aus Familien kommen, in denen sie zum Teil Furchtbares erleben mussten. Unter ihnen auch einige aus dem Bezirk Kitzbühel.
Der VST wird übrigens nur aktiv, wenn sich alle Mitglieder einstimmig für eine Unterstützung ausgesprochen haben.

Ideen und Mut

Während Fidji zu den Gründungsmitgliedern zählt, kam Martin 2017 über ein anderes Mitglied zum Verein. Der Jochberger ist selbständiger Großhandelskaufmann und übernimmt im Verein Agenden wie Moderationen und das Auftreiben von Versteigerungspreisen. „Jeder bei uns wird nach seinen Talenten eingesetzt“, meint er mit einem Augenzwinkern. Was den VST so erfolgreich macht, sind aber nicht nur die Kontakte oder Ideen, sondern ganz generell der ungemeine Zusammenhalt der Männer. „Entgegen vieler anderslautenden Aussagen helfen wir Kitzbüheler zusammen“, stellt Fidji­ klar. „Der VST ist ein Kitzbüheler Produkt, wenn man so will, darauf sind wir schon ein wenig stolz.“
Heuer geht das Golfturnier, das inzwischen zum Golfclub Eichenheim übersiedelte, zum 25. Mal über die Bühne. Insgesamt fast fünf Millionen Euro konnte der VST in den Jahren einnehmen und in über 1.600 Fällen schnell und unbürokratisch helfen .
Wie soll es weitergehen im Verein? Ziel sei es, dass es die Gemeinschaft noch weitere 25 Jahre und länger gebe, meint Fidji, und dass man auch in Zukunft nie eine Anfrage abschlägig beantworten müsse, sondern immer helfen könne. Er und alle anderen Vereinsmitglieder setzen sich ehrenamtlich für die Agenden ein. Es wird sogar ein Mitgliedsbeitrag eingehoben, mit dem man die jährliche Weihnachtsfeier oder die gemeinsame Fahrt nach Grado finanziert. Jeder gespendete Cent geht in die Hilfsaktionen.
Fidji, Martin und die ganze Crew können keine Schicksals­schläge ungeschehen machen. Aber sie helfen den betroffenen Menschen dabei, besser mit ihnen umgehen zu können. „Das gute Gefühl, jeman­dem geholfen zu haben, würde ich vielen Menschen wünschen“, sagt Martin.
Für Fidji sind die Momente einer Spendenübergabe immer ganz besondere: „Das ist eine Sache, die dich sehr auf den Boden der Realität holt. Sie hilft, dein Leben von einem anderen Standpunkt aus zu sehen.“
Ihr wollt helfen beim Helfen? Spenden – ob groß oder klein – sind herzlich willkommen.
Doris Martinz

VST Charity Konto
RAIBA Kitzbühel-St. Johann, IBAN AT92 3626 3000 0404 3352