Folge 3: Viel Kultur und durch die Wüste Lut
In der Ausgabe Juli/August haben wir davon berichtet, wie Dieter Weihs und „Baumi“ (Walter Baumgartner) aufbrechen, um mit einem alten VW-Käfer nach Indien zu fahren sowie über ihre Erlebnisse auf den Streckenabschnitten bis zu einem einsamen Pass in Persien (Iran), wo der erste Achsbruch ihre Fahrt unterbricht. Der VW-Käfer wird damals auf die Ladefläche eines LKWs gehoben, die beiden Abenteurer müssen im Wagen bleiben. Die Fahrt wird zum Höllenritt: Der Fahrer rast wie der Teufel auf der kurvigen und holprigen Straße dahin; der VW-Käfer wird auf der Ladefläche hin und her geschleudert, Dieter und Baumi können sich in seinem Inneren kaum festhalten. Plötzlich reißt die Kette, die die Bordwand zusammenhält, den Dachträger des Käfers herunter, er knallt auf die Motorhaube. Es gelingt den Burschen nicht, den Fahrer durch Hupsignale zum Halten zu bewegen. Das Problem: Der Reservekanister ist geplatzt, das Benzin rinnt in Richtung Auspuff. Dieter und Baumi sehen sich im Geiste schon rettungslos inmitten eines Flammeninfernos gefangen. Da fasst sich Dieter ein Herz, springt aus dem Wagen, klettert während der Fahrt auf das Dach der Fahrerkabine und trommelt mit den Füßen gegen die Windschutzscheibe. „Wie im Film“, erinnert sich Dieter und schüttelt den Kopf. Der Fahrer bleibt endlich stehen, der Schaden am Kanister wird – so gut es geht – behoben. Es kann jedenfalls kein Benzin mehr in Richtung Auspuff fließen. Nun dürfen Dieter und Baumi die Fahrt endlich in der Fahrerkabine fortsetzen. Auch hier werden sie weiterhin gut durchgeschüttelt.
Sie passieren einen verunglückten LKW, der über einer Brücke hängt, und müssen warten. Tausend Gedanken gehen ihnen durch den Kopf – es sind wenig erfreuliche. „Die Weiterfahrt haben wir wie in Trance erlebt“, erzählt Dieter. Als sie in Ardabil ankommen, ist es bereits dunkel. Trotz der späten Stunde machen sich zehn Leute über den Wagen her – einen VW Käfer bekommen die Mechaniker nicht jeden Tag in die Finger. Der Meister hat das Sagen – er muss nur die Hand heben, und schon wird ihm ein Schraubenschlüssel gereicht. Er stellt fest: Der Torsionsstab ist gebrochen und lässt sich nicht herausziehen. Letzten Endes schaffen es die tüchtigen Mechaniker in der Nacht aber doch, das Gefährt wieder flott zu machen. Am Morgen können Dieter und Baumi die Reise fortsetzen.
Umschwärmt im Schwimmbad
Die Fahrt führt die beiden weiter über einen Pass und durch unterschiedliche Vegetationszonen nach Astara am Kaspischen Meer. Weil die Straße sehr schlecht ist, fahren die beiden über weite Strecken direkt am Sandstrand weiter. Bei Regen und dichtem Nebel meistern sie am nächsten Tag mit ihrem VW Käfer die 90 Kilometer lange Bergstrecke auf das Elburs-Gebirge. Bei der Fahrt den Pass hinunter werden sie von freundlichen Einheimischen auf ein Picknick eingeladen. Später passieren sie einen grün glänzenden See und können der Versuchung nicht widerstehen, kurz ins kalte Wasser zu springen. Das Vergnügen währt jedoch nicht lange: Ein Polizeiboot kommt angebraust und die Polizisten erklären den beiden jungen Männern, dass dieser Stausee das wichtigste Trinkwasserreservoir für Teheran und das Baden daher streng verboten ist. Ups!
Die Hauptstadt Teheran lassen die beiden links liegen – zu groß, zu laut, kulturell wenig interessant. Bald tauchen die Kuppeln und Minarette der heiligen Stadt Qom auf – ein überwältigendes Bild. Dieter und Baumi freuen sich auf die Besichtigung. Und stellen bald zu ihrer Enttäuschung fest: Selbst die Annäherung an die Moschee mit der goldenen Kuppel ist für Nicht-Moslems verboten. Was tun? Einfach aufgeben und weiterfahren kommt nicht in Frage. Sie wenden sich stattdessen an die Polizei, werden dort von einem Beamten zum nächsten geschickt und erreichen schließlich, dass man ihnen erlaubt, bis zu einer Absperrung vorzutreten. Von dort aus genießen sie den faszinierenden Blick auf das Bauwerk. Wenige Jahre später sollte Qom zum Machtzentrum des Ayatollah Khomeini werden.
Als sie schließlich weiterfahren wollen, hält sie ein junger Perser an und lädt die Männer zum Mittagessen ein. „So eine Einladung schlägt man natürlich nicht aus!“, erzählt Dieter. Die beiden gehen schnell noch zum Friseur und kaufen frische Rosen für die Hausfrau. „Das Essen im Kreise der männlichen Familienmitglieder war dann wirklich sehr eindrucksvoll“, erinnert sich der St. Johanner. Von den Frauen war nichts zu sehen, „nur einmal schaute eine der Damen verstohlen durch eine angelehnte Tür in den Raum, um einen Blick auf uns, die exotischen Gäste, zu erhaschen.“ Die beiden Tiroler wurden rundum verwöhnt. „Und danach sind wir mit den vielen Brüdern des Gastgebers noch ins Schwimmbad gefahren. Dort waren wir sofort umschwärmter Mittelpunkt. Unter dem Applaus der rein männlichen Schwimmbadbesucher mussten wir vom Fünfmeterturm springen.“
Erst am Abend setzen sie ihre Reise fort und übernachten wie so oft bei einer Tankstelle. Bei der Weiterfahrt am nächsten Morgen erblicken sie bald von einem Hügel aus die Kuppeln und Dächer der märchenhaften Stadt Isfahan. Mit ihren reichen Kunstschätzen, ihrer prachtvollen Architektur und der ruhmreichen Geschichte gehört Isfahan zu den schönsten Städten der Welt. Nur schwer können sich die Abenteurer nach dem Besuch von diesem Ort lösen. Weiter geht es zu den Königsgräbern der Achämeniden in Naqsh-e Rostam und nach Persepolis. Hier befand sich einst die Hauptstadt der Achämeniden – heute eine der interessantesten Ruinenstädte der Welt und für Dieter und Baumi eines der wichtigsten Ziele ihrer Reise. 331 vor Christus wurde die Palastanlage durch einen Großbrand vernichtet, nachdem Alexander der Große das Perserreich erobert und siegreich hier eingezogen war. Die beiden Tiroler sind die einzigen Besucher der Stätte.
Die Vorhölle …
Im Anschluss starten die beiden Männer in eines der größten Abenteuer ihrer Reise: die Durchquerung der Wüste Lut auf den Spuren Alexander des Großen. 1.500 Kilometer staubiger Piste in der Sand- und Steinwüste liegen vor ihnen, sie müssen mit Temperaturen von bis zu 50 Grad im Schatten rechnen. Am dritten Tag des „Wüstenritts“ fahren Dieter und Baumi, nachdem sie ihren VW bei einem Mechaniker reparieren haben lassen (der Ölkühler war zentimeterdick mit Staub belegt gewesen) in der Mittagshitze von Kerman aus in Richtung Bam. Wirbelstürme nehmen ihnen teilweise die Sicht. Aus den Fenstern bläst heiße Luft wie von einem Föhn herein, die Männer binden sich zum Kühlen nasse Handtücher um den Kopf. Die Hitze ist furchtbar und kaum auszuhalten. Nach 14 Kilometern Fahrt passiert es: der zweite Achsbruch, rechts hinten. Mitten in der Gluthitze der Wüste scheint es kein Fortkommen mehr zu geben. Oder? Doch, es geht: Wenn einer der beiden auf dem gegenüberliegenden vorderen Kotflügel sitzt, ist die Achse entlastet, und der Wagen kann im Schritttempo zurück in die Stadt rollen. „Das war die Vorhölle!“, erinnert sich Dieter. Die glühend heiße Luft peitscht jenem, der draußen auf dem Kotflügel sitzt, den Sand ins Gesicht. „Man hatte fast das Gefühl, als würde man bei lebendigem Leib gegrillt.“ Sie schaffen es zurück in die Stadt, wo der Wagen repariert werden kann. Aber das größere Problem sollte erst noch kommen … Mehr darüber lest ihr in der Oktober-Ausgabe der St. Johanner Zeitung.
Doris Martinz