Der St. Johanner Florian Lettner erzählt von seinen Erlebnissen als „rasender Reporter“ für den Sender Pro7.
Nach Abschluss des Studiums absolvierte der St. Johanner Florian Lettner ein Volontariat als TV-Redakteur und -reporter bei Pro7. In dieser Zeit erlebte er viel Lustiges und Skurriles und berichtete in den vergangenen Ausgaben darüber. Zuletzt jedoch erzählte er von einem Einsatz, bei dem ihm das Lachen verging: Er und sein Team begleiteten damals einen Tag und eine Nacht lang die Polizei von Miami. Während der Tagschicht durfte die Crew das Polizeiteam zu einem Doppelmord-Tatort im gefährlichen South District begleiten. Das war schon alles andere als lustig. Und dann kam die Nachtschicht – die „Dirt Shift“, also die Drecksschicht, wie man sie bei der Polizei in Miami nennt:
„Nach den Ereignissen des Tages wussten wir, dass man in diesem Stadtteil offensichtlich leicht einmal zur falschen Zeit am falschen Ort sein kann. Deshalb hatten wir ein mulmiges Gefühl, als wir uns mit Officer Ron trafen, den wir in der Nacht begleiten sollten. Er war aber ein supernetter Typ, erinnert sich Florian. Ron erklärte dem Team, warum die „Dirth Shift“ heißt, wie sie heißt: Weil die Kriminellen in der Nacht noch um vieles aktiver sind als am Tag und ihren schmutzigen Geschäften nachgehen. Das mulmige Gefühl im Bauch wurde dadurch nicht besser.
Abbrechen war aber kein Thema, das Team konnte schließlich nicht ohne Bericht zurückkehren nach Deutschland. Florian und seine beiden Kollegen richteten im Auto alles her, Kameras und Mikro und waren einsatzbereit. Los ging es mit einer Runde durch den Bezirk. Ron erzählte, dass er selbst aus dem Problembezirk stammte und viele seiner ehemaligen Freunde jetzt Kriminelle waren. Er selbst habe ganz knapp den Absprung geschafft und sich auf die gute Seite des Gesetzes gestellt. Er kannte „seine“ Leute und wusste, was sie brauchten. Er schuf für die Jugendlichen Möglichkeiten, Basketball zu spielen, damit sie über den Sport Tugenden wie Teamgeist und Fairplay erlernten. Als Ron mit Florian und seinen Leuten durch den „District“ fuhren, gab es keine besonderen Vorfälle, es war alles OK. Das Reporter-Team entspannte sich.
Blind durch die Nacht
Dann jedoch, es war mittlerweile dunkel geworden, steuerte Ron einen Wohnblock – einen bekannten Drogen-Hotspot – an. Auch hier lebten viele von Rons ehemaligen Freunden. „Ron erklärte, dass die Polizei da jeden Tag durchfährt, um Präsenz zu zeigen“, erzählt Florian. So weit, so gut.
Kurz, bevor man in das Viertel gelangte, bat Ron die Crew jedoch, jegliches Licht auszuschalten und selbst das Kopflicht der Kameras auszumachen. Es sollte im Wagen völlig dunkel sein, auch Scheinwerfer und Rücklicht wurden ausgeschaltet. „Ron meinte, er wolle nicht, dass das Auto sofort erkannt wird.“ Als er sie auch noch bat, die Sicherheitsgurte zu öffnen, damit sie im Fall eines Beschusses aus dem Auto springen und flüchten oder sich hinter die Sitze kauern konnten, war endgültig „Schluss mit lustig“. „Da haben wir es dann wirklich mit der Angst zu tun bekommen, in so eine Situation wollten wir definitiv nicht geraten, so war das nicht geplant.“ Der Kameramann meldete seine Bedenken an und sagte, er sei Familienvater, er fühle sich überhaupt nicht wohl, aber da rollte das Polizeiauto schon ganz langsam in den District hinein. Im Wageninneren sprach niemand mehr ein Wort, es herrschte beklemmende Stille. Auch draußen war alles ruhig, „doch wir haben förmlich gespürt, dass uns in der Dunkelheit unzählige Augen beobachteten.“ Ein paar lange Minuten ging das so, dann kam – zum Glück – ein Notruf herein, der Wagen wurde angefordert. Ron schaltete die Scheinwerfer und das Blaulicht ein, und man verließ das Viertel mit „Tatütata“. „Der folgende Einsatz war dann eine Kleinigkeit und ganz harmlos. Aber der Schrecken hat uns nicht mehr losgelassen“, erzählt Florian. Die Crew bedankte sich bei Ron und brach die Begleitung vorzeitig ab – man hatte alles „im Kasten“. „Wir wollten nur mehr raus aus dem South District und waren, als wir ins Hotel kamen, einfach nur froh, dass alles gut gegangen war.“ Nun wusste Florian auch, warum die Verantwortlichen auf eine umfassende Versicherung für die Crew bestanden hatte. „Wir haben uns zuvor nicht vorstellen können, dass es wirklich so gefährlich werden könnte.“ Als Familienvater könne er die Bedenken des Kameramanns, der damals schon Kinder hatte, heute gut nachvollziehen. „Zwölf Minuten Sendezeit sind es nicht wert, dass man sein Leben riskiert bei einer Drecksschicht.“
Von einer weiteren – wieder lustigen – Begebenheit berichten wir in der nächsten Ausgabe. Bleibt dran!
Doris Martinz