Katharina Sabernig stellt im Krankenhaus St. Johann Bilder von Gestricktem aus. Sie zeigen keine Socken oder Schals, sondern – Organe.
Schon der italienische Universalgelehrte Leonardo da Vinci wusste, was heute noch unumstößlich ist: Wer wissen will, wie es im Inneren eines Menschen aussieht, muss den Körper aufmachen. So stammt das Wort „Anatomie“ aus dem Altgriechischen und bedeutet „aufschneiden“. Der Anblick, der sich dem Aufschneidenden bietet, ist allerdings oft alles andere als appetitlich –
bis heute ist er für viele Menschen mit Ekel oder gar Furcht verbunden. Ein Umstand, der Mag. Dr. phil. Dr. med. Katharina Sabernig immer wieder beschäftigte. Die Medizinerin und Anthropologin befasst sich seit vielen Jahren mit anatomischen Illustrationen, visualisierter Medizin und tibetischer medizinischer Terminologie. Inspiriert von handgemalten tibetischen Rollbildern, den „Thankas“, suchte sie nach einer ansprechenden Form der anatomischen Darstellung – und fing 2015 an zu stricken. Als Vorlage dienten und dienen anatomische Atlanten – diese sind natürlich zweidimensional. „Es braucht schon ein intensives Auseinandersetzen mit der Anatomie, damit man das dreidimensional umsetzen kann. Anfangs habe ich viel aufgetrennt“, erzählt Sabernig lachend. Mit den Jahren hat sie viel an Übung gewonnen und alle großen inneren Organe wie auch die kleineren wie Bauchspeicheldrüse, Schilddrüse und vieles mehr gestrickt. Die Größe der Objekte entspricht in etwa der Größe der Organe eines erwachsenen Menschen.
Eine echte Herausforderung ist das Stricken eines Herzes: „Das ist ganz schön anspruchsvoll mit all den Gefäßen, es schaut ja in Wirklichkeit nicht so aus wie ein Herz-Emoji.“ Auch das Gehirn sei schwierig und kompliziert zu stricken, „aber das ist kein Wunder, das Gehirn ist nun einmal ein kompliziertes Organ.“
Zwischen Kunst und Wissenschaft
Mit ihren gestrickten Objekten bewegt sich Katharina Sabernig an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft, sie hinterfragt die Methoden der Darstellungen, Modelle und Visualisierungen, mit denen in der Wissenschaft gearbeitet wird. Ihre gestrickten Objekte sind Teil eines vom Österreichischen Wissenschaftsfonds geförderten Projekts, das an der Universität für angewandte Kunst Wien realisiert wird. Und sie bewähren sich im Alltag: „Wenn bei Konferenzen Visualisierungen notwendig sind, verwende ich mitunter Bilder der gestrickten Organe. Sie sind richtiger ,Eisbrecher’ und bringen die Menschen zum Schmunzeln. Die gestrickten Organe bleiben eher im Gedächtnis“, erzählt sie.
Die 53-jährige Linzerin, die in Berlin und Wien lebt und arbeitet, hat inzwischen Videos und sogar ein Kinder-Theaterstück produziert, das Schulen buchen können. Ihr Inhalt: Eine Reise durch den Körper, vorbei an naturgetreu gestrickten Organen. „Wolle weckt den Wunsch, die anatomischen Strukturen zu betrachten und berühren“, weiß Sabernig.
Mehr als zwanzig Bilder der gestrickten Anatomie sind noch bis März 2025 im neuen Stockwerk des Krankenhauses St. Johann ausgestellt. Schaut sie euch an!
Die Original-Objekte sind noch bis 22. Februar im Wiener Josephinum zu sehen.
Doris Martinz