Christoph Holz über eine „Kränkung 4.0“, über seine „on/off“-Beziehung zu Gott und mehr.

In unserer letzten Ausgabe haben wir gemeinsam mit Informatiker Christoph Holz das Thema KI, Künstliche Intelligenz, unter die Lupe genommen und einige grundsätzliche Fragen dazu erörtert. Fertiggeworden sind wir damit natürlich nicht, denn die KI ist ein weites Feld. Deshalb setzen wir hier nun fort:
Softwaretechnik und KI spielen mittlerweile auch in der Autoindustrie eine wichtige Rolle. Deutschland, in den letzten Jahrzehnten unangefochtene Nummer eins bei der Produktion von kleinen und großen „Flitzern“, befindet sich auf einem absteigenden Ast – oder ist eigentlich schon vom Ast gefallen, wenn man so will. Warum ist das so? Spielt KI dabei eine Rolle? „In der Autoindustrie ist mittlerweile nicht mehr die Mechanik, sondern die Software Kern der Innovation“, erklärt Christoph. Elon Musk sei mit der Marke Tesla deshalb so erfolgreich, weil er bei der Entwicklung des Autos nicht mit Motor und Karosserie begann, sondern mit der Software. „Bei Tesla gibt es einen einzigen Computer, um den herum wird alles gebaut.“ Diese Verschiebung von Metall hin zur Software stoße klassische „Engineering“-Länder wie Deutschland oder auch Österreich vor den Kopf, sie tun sich mit dem Wandel schwer. „Weil es so weh tut. Weil all das, was man in den letzten 150 Jahren geleistet hat, nun an Bedeutung verliert. Der ganze Stolz einer Branche ist verletzt.“ „Kränkung 4.0“ nennt Christoph die Gemütsverfassung der einst so hochgelobten Ingenieure. Kraftvolle Motoren und stabile Karosserien verlieren gegenüber der „Intelligenz“ an Boden. Ganz neu ist diese Entwicklung nicht, wenn man die Evolution betrachtet: Der Bauer verdrängte einst den Jäger, Industrie setzt sich gegenüber dem Bauern durch. Der „Brainworker“ ersetzt Industriearbeit. Kopf ersetzt Muskelkraft. „Endlich ist der Informatiker sexy“, sagt Christoph lachend.

Information ist alles?

Nach Abschluss des Kombinationsstudiums aus Informatik und Raumfahrttechnik in München im Jahr 1992 und einem ersten Job bei einem Zulieferer von BMW wechselte Christoph Holze an ein Institut für angewandte Softwaretechnologien. Er war dabei, als sich Bayern digitalisierte, arbeitete am ersten Internetauftritt einer Landesregierung (der bayerischen) mit und unter anderem auch für die WHO (Weltgesundheitsorganisation).
Seine damalige Freundin jedoch lebte in St. Johann. Die beiden hatten sich bei der katholischen Jugend in St. Johann kennengelernt. Ich stutze. Wie jetzt? Christoph ist katholisch oder war es zumindest? Passt das zu einem Informatiker? Er sei seit seiner Jugend Lektor in der Pfarrkirche, erzählt er. Das habe ihm als Redner ungemein geholfen. Im Prinzip sei er aber ein „Teilzeitatheist“, seine Beziehung zu Gott sei „on/off“.
„Wir haben es nicht immer leicht miteinander.“ Er würde gerne an die Auferstehung glauben, vermutlich sei das aber nur eine beruhigende Geschichte, meint Christoph. Auf der anderen Seite wisse er, dass es mehr gebe als Materie. „Nobelpreisträger Zeilinger sagt, dass Information wahrscheinlich fundamentaler ist als Energie und Materie. Es gibt gute Gründe zu glauben, dass das, was die vielen Universen, die existieren, dass das, was die Welt im Innersten zusammenhält, Information ist.“
Darüber könnte man lange reden, philosophieren und ­schreiben, das machen wir vielleicht ein anderes Mal. Ich will von Christoph zunächst eine andere Art von Information, die herkömmliche – nämlich über seinen Familienstand. „Glücklich verheiratet mit einer Anästhesistin, zwei Kinder im Alter von 10 und 13 Jahren“, antwortet er. Geht doch.

Vom Informatiker zum Redner

1994 geht der heute 57-Jährige zurück in die Heimat und braucht einen Job. Er schreibt 60 Bewerbungen, aber niemand hat Verwendung für einen Softwareingenieur. Also gründet er in Innsbruck seine eigene Internetagentur, eine der ersten in ganz Europa. Mit dieser Agentur betreut er in Tirol fast alle großen Unternehmen und baut für das Land Tirol die Internetseite „tirol.at“ auf. Für die Entwicklung der Videomautlösung der ASFINAG erhält Christoph den Innovationspreis des Landes. Die Agentur führt er bis zum Jahr 2018.
Schon zuvor, 2012, gründet er ein Start-up-Unternehmen,­ das eine Art „Wetterbericht“ für Facebook und Twitter kreiert. Es analysiert zum Beispiel, wie sich Kommunikationsströme bewegen und visualisiert „Shitstorms“, die sich zusammenbrauen, als bunte Wolken. Christoph zieht „mit Kind und Kegel“ ins Silicon Valley, um dort auf allen Bühnen sein Start-up vorzustellen. Und merkt, dass ihm das Präsentieren, das Sprechen auf der Bühne, noch mehr Spaß macht als das Entwickeln von Software. Er wird Keynote-Speaker und hält seitdem – sehr erfolgreich – inspirierende Kurzvorträge zu den Themen Informatik, KI und mehr.
Mit dem Start-up ist er zwar für den Staatspreis in der Kategorie Digitalisierung nominiert, es scheitert dann aber daran, dass sich amerikanische Investoren zurückziehen.

Digitalisierung: Fluch oder Segen?

Christoph bezeichnet sich als „Wanderprediger“, der die Frohbotschaft der Digitalisierung verkündet. Aber ist die Digitalisierung wirklich eine Frohbotschaft? Oder ist sie – ganz im Gegenteil – vielleicht schon bald Schuld am Niedergang der Welt? Hat sie den „Brexit“ bewirkt und Donald Trump zum Präsidenten der USA gemacht? Wenn ja, wird es ihr heuer erneut gelingen? Sind nicht eigentlich „Nerds“, also Software- und KI-Entwickler wie Christoph Holz, Schuld an allem, was derzeit schiefläuft? Es ist eine ganze Menge, wenn man sich ansieht, wie zum Beispiel Jugendliche abhängig sind von den sozialen Medien oder wie sehr wir alle immer wieder von „Fake News“ irregeführt werden. „Das alles kann man wunderbar der Digitalisierung in die Schuhe schieben“, meint Christoph dazu. „Da tun sich Abgründe auf. Allerdings sind es keine technischen, sondern menschliche Abgründe. Die Technik mobbt nicht, sie verbreitet keine Fake News. Es sind Menschen, die das tun.“ Bequem sei es, nach Regulierung zu schreien. Dann brauche man nicht über sich selbst nachzudenken, sagt er.
Wir beenden an dieser Stelle den Artikel. Ich muss nachdenken. Über mich und vieles andere. In der nächsten Ausgabe geht es weiter, und dann wirklich mit den Auswirkungen der KI auf die Arbeitswelt. Dazu sind wir in diesem zweiten Teil gar nicht gekommen. Weil „Nerd“ Christoph Holz aber auch immer andere spannende Themen in den Raum stellt …

Doris Martinz