Der ehemalige St. Johanner Alpenvereins-Obmann Horst Eder hat zum Feuerbrennen ein paar Geschichten zu erzählen.

„Wenn in der Sommer-Sonnwendnacht …

das Feuer still verglimmt, weiß jeder, und das Herz ihm lacht, die Kletterzeit beginnt“ heißt es im bekannten Bozner Bergsteigerlied. Ganz stimmt das nicht: die Kletterzeit beginnt heutzutage nicht zur Sonnenwende, es wird fast ganzjährig geklettert, zum Beispiel in unserem bekannten Klettergebiet Schleierwasserfall: windgeschützt und der Sonne zugewandt, beliebt und stark frequentiert. Aber am längsten Tag des Jahres, also um den 21. Juni herum, lacht dem Bergsteiger und Kletterer das Herz: da wird auf unseren Gipfeln der alte Brauch des Feuerbrennens weitergelebt, zu Ehren des Lichts, zur Freude des Sommers und des Wachstums.

Die Jugend brennt am Niederkaiser

Als Mitglied der Alpenvereins-jugend war es für uns üblich, mit unserem Jugendwart Richard Pranzl die Feuer am Niederkaiserkamm abzubrennen. Da ging es zuerst mit den Rädern nach Gasteig, und dann von Schadern über die Bacheralm und Metzgeralm auf die Kammhöhe, wo Richard die Einteilung vornahm. Der Jugendwart hielt dann die Feuerstellen und das „Personal“ und auch die Aufteilung der Raketen, gesponsert vom damaligen FVV (heute TVB), genau in seinem Tourenbuch fest. Als Brennmaterial diente das umherliegende Holz, auch Radreifen oder Mopedreifen waren damals beliebte „Brandhelfer“. So gab es über den gesamten Kamm verteilt mehr als ein Dutzend Feuerstellen, die von St. Johann aus gesehen ein schönes Bild ergaben. Es ist sehr erfreulich, dass bei diesen Unternehmen mit oft über 20 Jugendlichen nie etwas passierte. Gefahrenpotential war ja vorhanden: der Niederkaiser bricht gegen Süden senkrecht felsig ab, und trockenes Laub und Holz hätten unter Umständen auch einen Brand auslösen können. Da hat der Bergsteigergott brav „ochag’schaugg“ und aufgepasst. Es war immer ein Erlebnis, wenn wir dann so um Mitternacht heimgekommen sind und noch das eine oder andere Feuer am Niederkaiser aufflammen sehen konnten.

Regalpturm statt Niederkaiser

Beim Feuerbrennen im Jahr 1959 war für mich – als Fünfzehnjähriger – also auch der Niederkaiser mein Ziel, wir trafen uns mit den Rädern bei Richard Pranzl in der Kaiserstraße. Aber es kam anders: da steht Lenz Linsinger aus Oberndorf mit seinem Auto da und erklärt mir, dass er in arger Personalnot sei, sein geplanter Partner für den Reg­alpturm ist beruflich ausgefallen, er sei allein, habe aber zwei Pechkistl dabei. Also deponiere ich kurzentschlossen meinen Drahtesel und fahre mit Lenz zur Griesneralm. Wir beide wissen zwar, wo der Regalpturm steht, wir wissen aber auch, dass er nicht leicht zu besteigen ist, aber das beschäftigt uns vorerst nicht bei unserem Weg zur Pflaumhütte. Kurze Rast, dann geht’s auf dem schneebedeckten Regalphang hinauf Richtung Regalpscharte, es wird immer steiler, und Lenz rutscht aus, es geht beängstigend schnell bergab mit ihm, bis er eher unsanft gestoppt wird. Ein ordentlich aufgeschürftes Wadl ist die sichtbare Bestätigung, dass die Kletterpatschen für den harten Sommerschnee zu wenig waren. An der Scharte angekommen, stellen wir Rufkontakt zum Regalpspitz her, wo meine Schwester Erika und ihr Fritz bereits oben sind. Und der Fritz kommt vom Gipfel herab, er ist erstaunt, dass ich – natürlich ungeplant – hier bin, und geht mit uns auf den Regalpturm, wobei wir die Unterstützung auch sehr notwendig hatten. Fritz eilt wieder auf den Spitz, wo inzwischen auch Pepi Fischer und seine Käthe von der Regalpwand herübergekommen sind. Bald darauf wird es dunkel und die Pechkistl vom Lenz brennen, dass es eine Freude ist! Vorsichtiger Abstieg, die letzten Meter beim Abseilen eher schwach angeleuchtet von der Spitz-Mannschaft. Dann haben wir also sicheren Boden unter unseren Füßen, der Abstieg südseitig vom Schönwetterfensterl hinunter nimmt noch einige Zeit in Anspruch, aber so gegen zwei Uhr verkriechen wir uns am Heuboden der Reg­alm. Die Sennin hat keine Freude mit uns, aber unser Schlafbedürfnis überzeugt sie schließlich. Am Sonntag gehen wir zwei mit dem Bendler Helmuth über das Kleine Törl ins Griesnerkar, respektvoll, weil die Schneeflanke dort auch ordentlich steil ist, aber wir kommen gut hinunter.

Yola, die Köchin auf der Pflaumhütte

Die Kaisergipfel waren – und sind – seit jeher eingeteilt, im Ostkaiser war bis zur Regalp­wand Kitzbüheler Gebiet, weiter ostwärts, also Regalpspitz, Regalpturm, die beiden Grubachspitzen, das Ackerl, die Mauk und das Lärcheck „gehörten“ den Sainihånsern. Die Gipfel ums Goinger Törl wurden von unseren Goinger Freunden gebrannt. Unser Stützpunkt war also die Fritz-Pflaum-Hütte. Und so ergab es sich glücklicherweise, dass sich unser Münchner AV-Mitglied Yolanthe Dürnhofer zum Feuerbrennen Jahr für Jahr auf den Weg zum Pflaumei machte, schwer beladen mit Rucksack und zwei Taschen, um uns, wenn wir von den Gipfeln zurückkamen, Feines aufzutischen. Und dabei lernten wir auch Neues kennen, Auberginen und Zucchini zum Beispiel, es schmeckte hervorragend, und wir ließen unsere Yola ordentlich hochleben, schon mit dem Hintergedanken, dass wir auch im nächsten Jahr wieder fein bekocht werden. Wir hatten die Jahre bis zum Tod von Yola netten persönlichen Kontakt zu ihr, an ihrer Verabschiedung in Lenggries im September 2009 nahm ein starker Freundeskreis aus St. Johann teil.

Ausweichziel Niederkaiser

Wenn die Wetterprognose eher schlecht war, wurde der Niederkaiser als Ausweichziel in Betracht gezogen. Der Auf- und Abstieg ist wesentlich kürzer, man kann länger zuwarten und man ist in einem leichteren Gelände. So ergab es sich einmal, dass es einem Freund am Samstag, beim offiziellen Termin, nicht gelang, seine Holzpyramide am Schaderberg richtig zum Brennen zu bringen, sie blieb also unverbrannt stehen. In St. Johann war es damals üblich, dass am Bergbahn-Parkplatz alljährlich genau am Tag der Sonnenwende, dem 21. Juni, ein riesiges Feuer abgebrannt wurde, initiiert vom TVB. 1983 war das ein Dienstag. Da kam uns die Idee, am Niederkaiser als Hintergrund für die Feier im Tal ein schönes Feuer zu machen, die Feuerstelle war ja schon vorhanden! Also Aufstieg über den Maiklsteig, und wir werden oben von Blitz und Donner und Wolkenbruch empfangen. Schnell unter den Biwaksack, zu viert eine enge Angelegenheit, aber noch das Beste. Nach einer Stunde verlässt uns das Gewitter und als wir auf den Gipfel kommen, staunen wir nicht schlecht: in der Schüssel brennt schon ein Feuer – und niemand da! Die Lösung: das hat der Blitz angezündet, wir leeren nur noch unseren mitgebrachten Sprit nach und unser Feuer strahlt groß und hell ins Tal. Die Pyramide am Schaderberg ist uns zu weit entfernt, sie kommt also nächstes Jahr dran.

Was nicht alles brennt

Im Laufe der Jahre war ich auf verschiedenen Kaisergipfeln zum Feuerbrennen, am Regalpturm, am Regalpspitz, auf der Westlichen Hochgrubach und dann am Lärcheck. Erstmals 1978 brannten mein Freund Gerd Hahn und ich am Nebengipfel des Lärch­ecks, des östlichsten Kaisergipfels, weil der Haupt­gipfel „vergeben“ war. Nach ein paar Jahren aber war dann der Hauptgipfel frei und wurde unser Feuerplatz, so auch 1993, als Hanni und ich mit unserem Bergfreund, dem Tischlermeister Eder Wast durchs Kleine Kar aufstiegen. Es war schönes Wetter, nach ungefähr drei Stunden waren wir oben. Da machte der Wast eine Entdeckung, die ihn nicht erfreute: in seinem Rucksack war ihm Sprit ausgeronnen, der Rucksack und die Hose waren ordentlich nass. Kann man nix machen! Oder doch. Wir zündeten unser Gemisch aus Sprit und ein paar „Hutten“ an, es gab ein schön loderndes Feuer in der Schüssel. Ich war gerade im Begriff, eine alte Hose ins Feuer zu geben, als sich der Wast diese anschaute und für gut befand. Und so schnell konnten wir nicht schauen, da entledigte er sich seiner benzingetränkten Hose und warf sie in die Flammen, die nochmals großartig aufloderten. Im Jahr drauf war dann die „Ausweichhose“ dran und wurde verfeuert.

2:0 für Portugal

24. Juni 2000, Fußball-EM in den Niederlanden, bei uns Feuerbrenn-Termin, aber Regen, der Hochkaiser natürlich abgesagt. Es geht auf 19 Uhr zu, als sich mein „Bua“ Christoph und ich ganz kurzerhand entschließen, doch noch schnell auf den Niederkaiser zu gehen. Im Fernsehen ist gerade der Anpfiff zum EM-Spiel Portugal gegen die Türkei. Über den Maiklsteig flott hinauf, am Gipfel rechts (heute „Ursulablick“) schnell angezündet, es regnet, also flotter Abstieg und heim. Und da sehen wir noch die letzten Minuten des Fußballmatches, Portugal schlägt die Türkei 2:0. Die Portugiesen freuen sich über den Sieg, aber wir freuen uns noch mehr, dass uns trotz „Sauwetter“ doch noch ein bescheidenes Sonnwendfeuer am Niederkaiser gelungen ist.

Horst Eder