St. Johanns neuer PI-Kommandant Gerhard Rudolf darüber, was ihn nach 36 Jahren bei der Polizei bewegt und hält.

Man sieht ihm an, dass er seine Freude eigentlich gerne ein wenig verstecken würde, aber sie leuchtet unübersehbar aus seinem Gesicht, als er davon erzählt: Gerhard Rudolf wurde mit 1. April dieses Jahres zum Kommandanten der Polizeiinspektion (PI) St. Johann in Tirol ernannt. „Ich freue mich, weil ich viele Jahre darauf hin gearbeitet habe“, sagt er. Schon immer habe er Chef werden wollen in St. Johann. Weil er sich hier, als er vor vielen Jahren zum ersten Mal in die Inspektion kam, gleich wohl gefühlt und gedacht habe, hier wolle er bis zur Pensionierung bleiben. „Jetzt ist das aufgegangen!“
Bis zum Ruhestand sind es aber noch ein paar Jährchen. Welche Ziele verfolgt der Kommandant, welche Schwerpunkte sieht er für die Polizeiinspektion St. Johann in Zukunft?
Aufgrund der Lage von „Sainihåns“ sei natürlich das Thema Verkehr fordernd. Aber es gebe auch weitere Schwerpunkte wie die Polizeiarbeit im Ort, antwortet Rudolf. „Für das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ist es wichtig, dass man Präsenz zeigt. Wir sind aber auch in Zivil unterwegs, zum Beispiel beim Wochenmarkt und in den Parkanlagen.“ Es gebe natürlich Schwerpunkte, die es zu setzen gilt. Als Polizist sei man mitunter aber auch nur Passagier, weil die Einflüsse von außen maßgeblich sind – wie in den Zeiten der Pandemie, so der 55-Jährige.

Zielstrebig

Gerhard Rudolf ist ein „Hauserer“, er ist also in St. Jakob daheim. Er absolvierte die Handelsschule in Kitzbühel und wusste danach, dass ein Bürojob für ihn nicht in Frage kam – er suchte nach einem spannenderem Aufgabengebiet und fand es bei der Gendarmerie. „Ich bin also ein gelernter Gendarm“, sagt Gerhard Rudolf mit einem Augenzwinkern. 2006 wurden Gendarmerie und Polizei zusammengelegt, darum prangt jetzt der Schriftzug „Polizei“ auf seinem Hemd. Drin steckt nach wie vor ein Gendarm. „Aber das spielt heute keine Rolle mehr“, sagt Rudolf. Sein erster Einsatzort als junger Beamter war Erpfendorf. In den 90er Jahren gab es noch weit mehr schwere Verkehrsunfälle auf der Loferer Straße; und damit schwierige und belastende Situationen, mit denen der junge Beamte umzugehen lernte. Später wechselte er nach Fieberbrunn, bevor er den zehnmonatigen „Fachkurs“ – den Grundausbildungslehrgang zum dienstführenden Gendarmeriebeamten – in Mödling absolvierte und 1996 seinen Dienst auf dem damaligen Gendarmerieposten Kitzbühel antrat. Hier entschied er sich, in den Kriminaldienst zu treten und widmete sich vor allem dem Ermittlungsbereich Suchtmittel. Aus familiären Gründen – er hatte inzwischen geheiratet und war Vater von zwei Töchtern geworden – wechselte er nach vier Jahren zum Posten­ Fieberbrunn, der näher bei seinem Wohnort liegt. 2006 ergriff er die Chance, in Kirchberg stellvertretender Kommandant zu werden, 2010 kam er auf die PI St. Johann. Zuerst als zweiter, dann als erster Stellvertreter des Kommandanten. Und nun hat er die Leitung über sein 26-köpfiges Team übernommen. Ziel erreicht. Gerhard Rudolf nickt lächelnd.

Internetdelikte im Vormarsch

Ein Schwerpunkt der Polizeiarbeit in St. Johann sei der Verkehr. Notorische Punkte, an denen sich die Unfälle häufen, sind die Egger- und die Schwendter-Kreuzung sowie die gesamte B 178. Maßnahmen wie die Dosierampeln haben sich jedoch gut bewährt, sagt Gerhard Rudolf. Einen großen Anstieg gebe es bei Internetdelikten. Zwei IT-Ermittler im Team kümmern sich um diese Vergehen. Leider nicht immer mit Erfolg, da die Spur oft ins ferne Ausland führt, so Rudolf. Er warnt davor, in E-Mails oder am Telefon Bankdaten bekanntzugeben. „Die Digitalisierung ist angewachsen, mit ihr auch die Kriminalität. Man sollte heutzutage wirklich sehr skeptisch sein, wenn sensible Daten angefragt werden.“
Ein wichtiges Thema ist auch das Thema Prävention. „Wenn jemand zum Beispiel Zweifel hat, ob seine Haustür ausreichend gesichert ist, beraten unsere speziell geschulten Beamten gerne.“ Oder auch Beamtinnen. Denn im Team gibt es mittlerweile zehn Kolleginnen. Sie sind für den Kommandanten gar nicht mehr wegzudenken. „Bei manchen Einsätzen braucht es einfach Frauen, sie haben sich sehr gut etabliert im Polizeiberuf und stehen ihren Mann“, sagt Rudolf und deutet mit den Fingern Anführungszeichen an. Gerade, wenn es um Gewalt in der Familie geht, seien Beamtinnen oft unverzichtbar. Das Thema spiele leider nach wie vor eine Rolle, auch in ländlichen Regionen wie St. Johann. „In schwierigen Zeiten, und die erleben wir gerade, merke ich schon, dass die Toleranz sinkt. Das ist zumindest mein persönlicher Eindruck“, so Rudolf.
Trotzdem sei er auch nach fast 36 Jahren immer noch sehr gerne Polizist. Weil er und sein Team viel Positives für die Menschen tun können, meint er. Das Strafen bei Delikten gehöre dazu, den größten Teil der Arbeit machen jedoch Sicherheits- und Ermittlungsdienste aus. Außerdem sei der Job sehr vielseitig und spannend, man wisse am Morgen eigentlich nie, was einen erwarte. Und man habe viele Möglichkeiten, sich zu spezialisieren: etwa als Alpinist, Kriminalist oder im Verkehrsdienst. „Man kann so viel machen bei der Polizei, man muss nur wollen. Er selbst habe die Chancen, die der Dienstgeber bietet, genutzt, sich weitergebildet und immer das tun dürfen, was ihn interessierte. „Und ich habe mich auf jeder Inspektion, auf der ich war, immer wohlgefühlt und habe viel Zusammenhalt und Kollegialität erlebt.“

Der Respekt ist gesunken

Es gebe aber natürlich auch belastende Einsätze, gerade bei Unfällen oder Gewaltverbrechen. Sein Job als Kommandant sei es, seine Leute in solchen Fällen aufzurichten und zu motivieren, so Rudolf. Die Teamführung nehme nun einen großen Teil seiner Arbeit ein. Etwas vom Wichtigsten sei für ihn, dass er und seine Kolleg:innen immer gesund von Einsätzen zurückkommen. „Das ist nicht selbstverständlich. Der Respekt und die Hemmschwelle sind gesunken, die Angriffe auf Uniformierte werden im Vergleich zu früher mehr.“
Und auch die Anzeigen: „Für fast jede Banalität wird heute die Polizei geholt.“ Dabei sei man in vielen Fällen gar nicht zuständig, so der Kommandant. Oft gehe es um Zivilrechtssachen wie zum Beispiel den Ast des Apfelbaums, der über den Gartenzaun des Nachbarn reicht. Da ist dann der Rechtsanwalt gefragt. Besser wäre freilich ein klärendes Gespräch zwischen den Nachbarn. „Aber die Leute machen sich heute vieles nicht mehr untereinander aus, sondern bemühen die Polizei oder Gerichte. Das ist schade.“
Oft aber ist natürlich die Polizei gefragt. Gerhard Rudolf erinnert sich an einen Fall, den er als junger Gendarm in Erpfendorf erlebte: Er und ein Kollege stoppten in der Nacht Diebe, die bei einem Händler in der Region kurz zuvor drei sehr wertvolle Autos aufgebrochen und gestohlen hatten und mit diesen auf der Flucht waren. Der Moment, an dem er ihnen die Handschellen anlegte, bleibt ihm unvergessen. Der Nervenkitzel bei der Jagd auf „böse Buben“ (oder auch böse Mädchen) ist Teil der Faszination für den Beruf. Für den Autohändler wäre mit Sicherheit großer Schaden entstanden, hätte die Polizei – oder damals die Gendarmerie – die Diebe nicht aufgehalten. Es gehe um Recht und Gerechtigkeit, sagt Rudolf. Auch deshalb empfindet er seinen Job als sinnstiftend und erfüllend. Als Kommandant kommt noch ein weiterer Punkt dazu: der Stolz auf ein engagiertes Team, das sich jeden Tag für die Menschen in der Region einsetzt.
Doris Martinz