Dr. Stefan Jochberger über seine Wurzeln in Jochberg, ein Afrika-Projekt und internationale Vernetzungen.
Sympathische Ausstrahlung, ein gewinnendes Lächeln … schade eigentlich, dass man Anästhesisten als Patientin oder Patient so wenig zu Gesicht bekommt. Was Dr. Jochberger betrifft, wäre es eine angenehme Begegnung, denke ich. Zumindest ist unser – nicht medizinisch indiziertes – Gespräch in seinem Büro im BKH St. Johann ein durchaus angeregtes.
Im April dieses Jahres wurde der Primar der Anästhesie, Dr. Bruno Reitter, zum hauptamtlichen ärztlichen Direktor des BKH St. Johann ernannt, Priv.-Doz. Dr. Stefan Jochberger folgt ihm als Vorstand der Abteilung nach. Der 50-Jährige, der in Dornbirn geboren ist und in Innsbruck sein Studium absolvierte, fand bei seiner Ankunft in St. Johann eine ausgezeichnet geführte, moderne Abteilung vor: „Was Bruno Reitter hier geleistet hat, ist wirklich bemerkenswert“, so Dr. Jochberger anerkennend. Eines seiner vorrangigsten Ziele sei es, die Abteilung auf dem hohen Niveau zu halten. Er habe aber auch sonst noch so einiges vor und sich an seinem neuen Arbeitsplatz einige Ziele gesetzt, verrät er. Und das, obwohl er das Krankenhaus St. Johann als Arbeitsplatz ursprünglich nicht „auf dem Radar“ hatte. Dabei kannte er die Marktgemeinde aus Kindheitstagen ganz gut – eine Großtante hatte hier gewohnt, er hatte sie mit den Eltern immer wieder besucht, war in St. Johann Ski fahren und wandern gegangen. Damals, als Kind, besuchte er auch einmal Jochberg. Die Familie Jochberger stammt nämlich tatsächlich aus der Gemeinde am Pass Thurn, wie der Vater von Dr. Jochberger im Zuge einer Ahnenforschung herausfand. Die Vorfahren des neuen Primars wanderten schon vor etwa 400 Jahren aufgrund der großen wirtschaftlichen Not, die damals in der Region herrschte, nach Südtirol aus. Der Urgroßvater von Dr. Jochberger, geboren 1866, stand in Diensten der kaiserlichen Eisenbahn und wurde nach Bludenz versetzt, so wurden die Südtiroler Jochberger zu „Xibergern“. Was man unter einem „Jochberger“ ebenfalls verstehen kann, erfuhr der Mediziner an der Uni von einem Studienkollegen: Jener erzählte ihm von einer Semmel mit einer Scheibe Schwarzbrot als Einlage – quasi einem „Hamburger für Arme“. „Das war für mich als Jochberger ganz neu“, erzählt er schmunzelnd.
Anschaulicher Vergleich
Dr. Jochberger war 17 Jahre alt, als in ihm das Interesse für Medizin erwachte. Im Laufe des Studiums stellte sich bald heraus, dass ihn die Bereiche der Physiologie und Pharmakologie sowie Blutdruck und Herz-Kreislauf-Funktionen besonders begeistern – er schlug die Fachrichtung der Anästhesiologie ein. Der Anästhesist werde häufig mit einem Piloten verglichen, die Operation mit einem Langstreckenflug, so Dr. Jochberger. Im Normalfall läuft zum Beispiel ein Flug nach Kapstadt, Südafrika, nach dem Start ganz ruhig ab, alle Systeme laufen, die Crew ist entspannt. Über dem Äquator jedoch gibt es häufig hohe Wolken und Gewitter mit Turbulenzen. „Da muss der Pilot interagieren, mit dem Tower kommunizieren und schauen, dass das Flugzeug gut durch diese Phase steuert und sicher in Kapstadt landet. So ist es auch beim Anästhesisten: Wenn die OP gut läuft, sind alle entspannt. Tritt jedoch eine schwerwiegende Komplikation auf, dann ist der Anästhesist gefordert und muss die Lage meistern.“
Nach vielen Jahren als Facharzt findet es Dr. Jochberger immer noch faszinierend, dass Menschen aufgrund des Verabreichens eines Medikaments innerhalb von Sekunden keine Schmerzen mehr spüren oder in eine tiefe Bewusstlosigkeit sinken und zu atmen aufhören. Erst dieser Zustand mache es möglich, dass Operationen durchgeführt werden können, so der Neo-St. Johanner.
Ein sinnstiftender Beruf
Das Schönste an seinem Beruf sei für ihn die Interaktion mit Menschen, dass er den Patientinnen und Patienten Gutes tun kann und am Heilungsprozess beteiligt ist. „Es ist ein schöner, sinnstiftender Beruf“, so Dr. Jochberger. Er ist ein Teamplayer und begeistert von der Kompetenz und Einsatzfreude seiner Mannschaft in St. Johann. „Alle sind wahnsinnig nett und freundlich, überhaupt alle da in der Gegend.“ Das ist einer der Gründe, warum ihm bald Ehefrau und der gemeinsame Sohn in die Marktgemeinde folgen und hier ihren Lebensmittelpunkt haben werden.
Gemeinsam mit ihnen wird er die Bergwelt der Kitzbüheler Alpen entdecken, Dr. Jochberger ist ein ambitionierter Skifahrer und auch Bergwanderer; den Harschbichl hat er schon erklommen: „Gefällt mir gut!“
Der Berg muss jedoch warten, wenn die Wissenschaft ruft: Der Primar ist in der wissenschaftlichen Arbeit sehr involviert und international gut vernetzt. Viele seiner Publikationen fanden in Fachkreisen Beachtung. Zum Beispiel jene über die Situation der Anästhesie in Sambia. Während mehrerer Urlaubsreisen im Süden Afrikas hatte sich ihm die Frage aufgedrängt, wie Anästhesie wohl in Ländern mit zum Teil schlechter medizinischer Infrastruktur durchgeführt wird, wie Intensivmedizin gehandhabt wird – auch dort benötigen Menschen eine Narkose für Operationen, auch dort gibt es Blinddarmentzündungen und Unfälle. Noch als Assistenzarzt an der Uniklinik in Innsbruck machte er es sich – gemeinsam mit einem Freund und Studienkollegen – zur Aufgabe, Antworten zu finden. Er erstellte einen Fragebogen mit insgesamt 120 Fragen und schickte ihn – in Absprache mit dem sambischen Gesundheitsministerium – an die 80 Krankenanstalten des Landes. Für jeden vollständig ausgefüllten Fragebogen stellte er ein Hilfspaket für die Anästhesie in Aussicht. 78 % der Bögen kamen ausgefüllt retour: „Ein überwältigend gutes Ergebnis, mit dem niemand gerechnet hatte.“ Dr. Jochberger wertete sie aus und erarbeitete auf Basis der gewonnenen Daten eine viel beachtete Publikation. Sie zog unter anderem die Aufmerksamkeit von Steven Shafer auf sich, der zu den besten und bekanntesten Anästhesisten der Welt zählt. Dr. Jochberger traf ihn in Südafrika. Finanziert wurde das Projekt übrigens aus eigener Tasche. „Freunde von mir sind bei der Bergrettung aktiv oder bringen sich anderweitig für die Gesellschaft ein, dieses Projekt war quasi mein Beitrag“, meint er bescheiden.
Er wiederholte es später in der Mongolei und in weiteren Weltgegenden. Dabei knüpfte er viele Verbindungen rund um den Globus und hat heute besonders gute Kontakte nach Afrika und zur Universität Stanford, Kalifornien.
International vernetzt
2016 rief Dr. Jochberger als leitender Oberarzt den Fachbereich der „Geburtshilflichen Anästhesie“, den es bis dahin in Österreich nicht gab, ins Leben und nützt auch in diesem Bereich seine internationalen Kontakte. Der Austausch über die Grenzen hinaus ist ihm wichtig: „Es wäre schön, wenn man Leute aus anderen Ländern für wissenschaftliche Kooperationen nach St. Johann bringen könnte“, meint er. Er könne sich auch vorstellen, im Winter zum Beispiel Fachkräfte aus den Niederlanden oder Großbritannien nach St. Johann zu holen und Urlauber:innen nach einem Unfall nicht in ihre Heimatländer zurückzuschicken, sondern sie vor Ort zu behandeln. „Ich denke, das wäre gut für die Region und würde dem Haus helfen, sich weiterzuentwickeln.“ Dr. Jochberger spürt nicht nur in der eigenen Abteilung eine absolut positive Grundstimmung: „Nach den Veränderungen in den letzten Monaten habe ich den Eindruck, dass Aufbruchstimmung herrscht, das Krankenhaus St. Johann ist ein aufstrebendes Haus.“ Während man in anderen Krankenanstalten aufgrund Personalmangels reduzieren müsse, investiere man in St. Johann, was auch der Neubau, der gerade in Angriff genommen wurde, beweise. „Ich wünsche mir, dass wir alle gemeinsam wachsen, und dass die Leute gerne bei uns arbeiten“, so Dr. Jochberger. Was es dafür braucht, sind unter anderem Menschen wie Dr. Jochberger, die sich auch als Leiter eines Bereichs als Teamplayer sehen und nicht aus den Augen verlieren, worum es in der Medizin immer gehen sollte: um die Menschen.
Doris Martinz