Steinmetz Neumayr hat sich vergrößert, die neue Halle wird am 13. April offiziell eingeweiht.
Es ist ein großer Schritt, den Steinmetz Stefan Neumayr mit der Errichtung der neuen Halle setzt. Man könnte es sogar einen „ausgewachsenen Meilenstein“ nennen: ca. 600 Quadratmeter umfasst das Bauwerk, der Großteil davon ist Ausstellungsfläche. „In Bezug auf die Gebäudegröße haben wir uns verdoppelt“, meint der Firmenchef mit dem Ansatz eines Lächelns. Er ist kein Mann großer Worte, er lässt lieber Taten für sich sprechen. Oder Zahlen: Zirka 700 Rohplatten sind in der neuen Halle ausgestellt, das bedeutet 5.000 Quadratmeter Naturstein in allen Farben und Facetten. Einen so großen Schauraum gab es bislang in der ganzen Region nicht, er ist einzigartig im Bezirk.
Dass die Halle so groß ausgefallen ist, ist kein Zufall: „Einen Stein mit ausgeprägter Struktur muss man großflächig präsentieren, damit sich die Kundschaft vorstellen kann, wie er dann zum Beispiel als Arbeitsplatte verarbeitet in der Küche aussieht“, erklärt Stefan. Auf der Roh-Tafel, die mit ihren Einschlüssen und der einzigartigen Struktur in manchen Fällen wie ein abstraktes Gemälde aussieht, werde der exakte Ausschnitt oder – fürs Bad – der Beckenausschnitt bestimmt, so der Firmenchef. Sechs Quadratmeter ist eine einzelne Platte groß und mehrere hundert Kilogramm schwer. Nur mit dem Hallenkran können sie bewegt werden. Das gilt auch für die große Quarzit-Platte gegenüber der Sitzecke, die für Besprechungen vorgesehen ist. Sie wird von der Rückseite aus beleuchtet, ist von einem Rahmen aus Moos umrandet und schimmert geheimnisvoll wie Mondlicht, wenn es draußen dunkel wird.
Frischgebackener Meister
Während der Bauphase der Halle hat Stefans Sohn Jakob, 24 Jahre alt, den Steinmetz-Meisterkurs absolviert und die Prüfung erfolgreich abgelegt. Er war in die Planungen mit eingebunden, die Halle bedeutet auch für ihn einen wichtigen Schritt in Richtung Zukunft. Sein Bruder Sebastian, 22 Jahre alt, ist ebenfalls mit im Boot. Er kam ins Unternehmen, sobald er seine Lehre als Maurer abgeschlossen hatte. Sein Know-how ergänzt jenes seines Vaters und seines Bruders, speziell bei Montagen. Schon als Kind liebte es Sebastian, den Vater in die Werkstatt zu begleiten, die „Materie Stein“ zog ihn immer an. Seine Lehre wollte er jedoch lieber in einem anderen Betrieb machen. „Der Reiz, in die Fußstapfen meines Vaters zu treten, war dann aber doch groß“, erzählt er.
Stefan, Jakob und Sebastian sind ein starkes, generationenübergreifendes Team, jeder bringt seine Stärken ein. Traditionelles Handwerk erfährt bei Neumayr auf diese Weise junge Einflüsse, gerade im Design. „Es ist nicht selbstverständlich, dass die Jugend im Unternehmen mitzieht, ich weiß das sehr zu schätzen“, so Stefan. Es bedeute aber nicht, dass er selbst mit seinen 53 Jahren daran denke, sich in Richtung Ruhestand zurückzuziehen. „Von Ausgeistern kann keine Rede sein, der Papa hat selber noch jede Menge Schaffensdrang“, erzählt Jakob mit einem Augenzwinkern. Sein Vater lächelt breit dazu.
Stein bleibt „in Mode“
Das Naturmaterial Stein ist in den Bereichen Bauen und Wohnen nicht wegzudenken. Vor allem im Innenbereich, in Küche und Bad, erfreut sich Stein in den verschiedensten Qualitäten und Ausführungen größter Beliebtheit. Das Team von Neumayr arbeitet dabei oft mit Architekten und Innendesignern zusammen, berät ebenso gerne aber auch Privatkunden direkt.
Stefan und Jakob freuen sich auch über Aufträge für Massivarbeiten, also für Portale oder Brunnen, bei denen kompakte Stücke zu bearbeiten sind. Sie suchen den Stein in diesem Fall selbst im Steinbruch aus, schauen, ob er „gesund“ ist, oder ob Haarrisse und Spalten zu finden sind – das mindert die Qualität. Einen schönen, gesunden Stein mit Hammer und Meißel zu bearbeiten, seine Einzigartigkeit hervorzuholen und vielleicht sogar bildhauerische Ornamente einzuarbeiten – das ist es, was die Handwerker fordert und glücklich macht. Aber eigentlich mag Jakob eh alle Arbeiten, die im Betrieb anfallen. „Es gibt nix, was ich nicht gerne mache.“
Geeignete Steine für Handwaschbecken finden sich unter anderem auch im Bachbett, dafür haben die Steinmetze ein gutes Auge und Gespür. Mit Kieseln sei natürlich nichts anzufangen, es müssten schon „Brocken“ sein, „ab 80 Kilogramm werden sie für uns interessant“, verrät Jakob. Während andere Schwammerl suchen, ist er schönen Steinen auf der Spur. „Für die Leute hat der Stein oft noch eine ganze andere Wertigkeit, wenn er aus der Region kommt“, weiß Stefan. Er arbeitet auch gerne mit dem bekannten „Kramsacher Marmor“ oder dem „Brannenburger Konglomerat“ aus dem nahen Bayern. Das Importieren aus dem asiatischen Raum ist teurer geworden, „aber das ist für uns kein Problem. Wir haben in Österreich, speziell in Niederösterreich, große Granitvorkommen und empfehlen unserer Kundschaft ohnehin lieber das heimische Produkt“, so Stefan.
Vielfache Kompetenz
Seit einem Jahr beschäftigen die Neumayrs einen jungen Bildhauer, Vincent Grötzinger, der die Bildhauerschule in München absolviert hat. Er widmet sich vor allem dem Bereich Grabmal, dem im Betrieb nach wie vor ein hoher Stellenwert zukommt. „Ich habe den Eindruck, es sind wieder mehr Leute, mehr Familien, denen eine würdige Grabstätte wichtig ist“, meint Stefan. Sein Mitarbeiter Vincent sei einer jener Künstler, die in der Nacht mit einer Idee aufwachen und diese schnell zu Papier bringen, bevor sie weiterschlafen, erzählt er. Er freut sich sehr über den kreativen Input. Das Team nimmt auch die Renovierung bestehender Grabanlagen vor. „Ich zum Beispiel arbeite am liebsten auf dem Friedhof“, meint Sebastian. Eine recht ungewöhnliche Aussage für einen so jungen Mann. Er kann sie begründen: „Es ist einfach eine schöne Aufgabe, die letzte Ruhestätte ansprechend und nach den Wünschen der Familie zu gestalten, damit sie einen schönen Ort für Trauer und Gedenken hat“, erklärt er. Natürlich sei er aber auch bei allen anderen Baustellen im Einsatz, fügt er hinzu.
Derzeit umfasst die Mannschaft insgesamt 17 Köpfe, doch sie soll wachsen. Es werden Facharbeiter und ein Lehrling gesucht. Wobei man hier definitiv gendern sollte, denn es gibt bei Neumayr auch eine Steinmetztechnikerin, Vanessa, die gerade ihr drittes Lehrjahr absolviert. In der Werkstatt habe man als Frau kein Problem beim Bearbeiten des Steins, und bei der Montage nehme man Rücksicht, erklärt Jakob. Man hat schon öfter gute Erfahrungen mit Frauen in der Branche gemacht. Bei unserem Rundgang durch die Firma klopft Martina, eine Quereinsteigerin, gerade Steinschindeln. Sie ist in der Werkstatt im Einsatz, bei Bedarf aber auch im Büro. Jakob schätzt das Know-how der weiblichen Steinmetze: „Sie machen gewisse Sachen genauer, sind manchmal feinfühliger.“
Ein eigenes, kleines Museum
Das Berufsbild des Steinmetzes und Steinbildhauers gehört zu den ältesten Berufen, das Steinmetzhandwerk geht zurück bis auf die Altsteinzeit vor etwa 40.000 Jahren. In der modernen, neuen Halle kann man einen Blick in jene Zeit werfen, in der noch keine Kräne und andere Technologien eingesetzt wurden, um Steine zu bergen und bearbeiten: In einem Winkel der neuen Halle hat Stefan ein kleines Museum eingerichtet, eine Art Schuppen, mit Steinschindeln gedeckt. Er beherbergt altes Werkzeug wie einen Schleifstein und eine alte Steinsäge für Sandstein. Vor der Hütte ein angedeuteter Stollen mit einem „Bergwerkshunt“, eine „Lauftruhe“ zur Beförderung von Steinen in Bergwerken und Stollen.
Stefan hat eine „Riesengaudi“ mit dem Museum, wie er sagt. Und mit der ganzen Halle. Sie führt sein Handwerk in die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Über seinem Kopf, an der Decke, ist ein Transparent befestigt. „Handwerk adelt“ kann man darauf lesen, wenn man den Kopf zurücklegt. Es zeigt auch einen Eisenfäustel und einen Klüpfel aus Holz, typisches Steinmetz-Werkzeug. Der Entwurf für das Transparent stammt von Vincent. Ob Handwerk tatsächlich oder im übertragenen Sinne adelt, sei dahingestellt. Im Gespräch mit Stefan, Jakob und Sebastian schwingt auf jeden Fall die Liebe zum Tun mit, Begeisterung und auch ein wenig Stolz. Es sind Werte, die ihnen gut stehen.
Doris Martinz