Mike Koidl und Ingrid Reischl-Wimmer über die Bigband St. Johann, über Lampenfieber und Lieblingssongs.
Bass und Schlagzeug setzen ein, noch ganz sachte, sie geben den Rhythmus vor. Im Publikum gehen ganz automatisch schon viele Fußspitzen mit. Dann, exakt auf den Punkt, setzen vielstimmig die Bläser ein, Saxophone, Trompeten und Posaunen. Im Nu füllt sich der Raum mit der Klangwolke des typischen Bigband-Sounds; er reißt mit, weckt Emotionen, füllte jede Zelle des Körpers mit Musik. Wir alle kennen dieses Gefühl, wir kennen den Sound – aus unzähligen Filmen. Hollywood ohne Bigband? Gar nicht vorstellbar. St. Johann ohne „Jazz-Orchester“? Vorstellbar, aber dann würde in „Sainihåns“ definitiv etwas fehlen.
22 Musikerinnen und Musiker formen die Bigband St. Johann, sie kommen aus dem ganzen Bezirk und spielen meist auch in den Blasmusikkapellen ihres Heimatorts mit. Die Begeisterung für den unverkennbaren Sound – für Swing, Jazz-Standards, Rock- und Popnummern, Filmmusik und heiße lateinamerikanische Rhythmen – schweißt sie zusammen. Übrigens: Bigbands kamen in den USA der 1920er Jahre auf und waren stilprägend für die Swing-Ära.
Ich treffe mich mit Bandleader Mike Koidl und Sängerin Ingrid Reischl-Wimmer auf einen Kaffee im „Rainer“. Mike, ein Fieberbrunner, erzählt vom Entstehen der Band: Die Bigband St. Johann wurde 1997 gegründet, ursprünglich als Projekt der Landesmusikschule St. Johann, für das er als Musikschullehrer zuständig war. Als er vor ein paar Jahren in Pension ging, nahm er die Gruppe quasi mit und gründete den Verein „Bigband St. Johann“ zusammen mit Ingrid Reischl-Wimmer, Katrin Grander, Gerhard Mader und Martin Klingler. Im Zuge der Vereinsgründung wurde auch die Marke „bigband st. johann“ ins Leben gerufen mit eigenem Logo, stylischen Notenpulten und einer modernen Homepage von der Firma SOFTCON. „Wir wollten unseren Leader behalten“, meint Ingrid mit einem schelmischen Blick in Richtung Mike. Die Besetzung ist klassisch: Es gibt die Rhythmusgruppe mit Klavier/Keyboard, Gitarre, Bass und Schlagzeug. Dann die „Reed-Section“ mit den Saxophonen und weiters die Blechbläser (Brass-Section) mit Trompeten und Posaunen. Mit Ingrid und Steffi Eisenmann machen zwei Sängerinnen die Band komplett.
Vom Chor zum Solo
Die Anfänge waren schwer oder, besser gesagt, kalt: Man probte Ende der 90er Jahre auch im Winter in den ausgeräumten, kahlen und verstaubten Zimmern des heutigen „Poly“. Der Zugang erfolgte über einen Bretterverschlag, als Schallschutz hängten die „Bigbander“ Decken an die Wände. Später übersiedelte man ins Schützenstüberl und probte am Samstagnachmittag. „Das ist heute nicht mehr vorstellbar, zu so einer Zeit erreicht man heute niemanden mehr“, sagt Mike. Der Zeitpunkt mag sich geändert haben, geprobt wird aber immer noch mit Leidenschaft – wenn ein Auftritt bevorsteht, alle vierzehn Tage. Dazwischen gibt es auch ganze Probentage, die so lange dauern, „bis die Trompeter keinen Ton mehr rausbringen“, scherzt Ingrid.
Sie kam 2006 zur Band. Und zuvor auf ganz pragmatischem Weg zum Singen: Als Kind spielte sie Harfe, neben der beruflichen Ausbildung blieb die Musik dann aber auf der Strecke. Als man in St. Johann im Jahr 2002 zum Casting für den neuen Musical-Chor einlud, war Ingrid Anfang zwanzig, sie hatte wieder mehr Zeit und Lust auf etwas Neues. Warum nicht singen? Sie wandte sich an ihren Vater: „Papa, jetzt singe ich dir was vor, und du musst mir sagen, ob das völlig peinlich ist, dass ich zum Casting hingehe, oder nicht.“ Ihr Vater hörte sich das Vorgetragene an, war sehr überrascht und auch begeistert und meinte: „Jå Dirndl, då mågst ruhig hingehen!“
Ingrid wurde aufgenommen. Aus dem Chor „fischte“ sie Werner Groisz, Schlagzeuger und ebenfalls Musikschullehrer, heraus mit der Frage, ob sie nicht Sängerin für die Bigband sein wollte, das würde zu ihrer Stimme passen. „Ich habe damals kaum eine Vorstellung davon gehabt, was eine Bigband spielt. Aber als ich mir die Musik angehört habe, war ich gleich Feuer und Flamme“, erzählt Ingrid. Der erste Auftritt als Solosängerin ist ihr noch gut in Erinnerung: „Schon zwei Tage vorher war ich außer Rand und Band vor Nervosität. Es habe Jahre gedauert, bis sich mehr Selbstvertrauen einstellte, erinnert sich Ingrid. Mike scheint überrascht: „Für uns hat das immer super gepasst, wir waren total happy. Ingrids Gesang war für uns eine totale Bereicherung.“
Später gründeten Ingrid, Barbara Fischer und Linda Polak die Band „The Kittens“, sie standen unter anderem auch als Gäste der Bigband auf der Bühne – à la „Andrew Sisters“ im typisch dreistimmigen Satz. „Früher hatten wir viele Auftritte. Jetzt haben wir alle Familie, und um die Kittens ist es ein bisschen ruhiger geworden Aber das ändert sich vielleicht in ein paar Jahren wieder“, sagt Ingrid.
Was singt sie am liebsten mit der Bigband? Sie überlegt, Mike hilft ihr auf die Sprünge: „Route 66 singst du gerne“, sagt er. Ja, das stimme, meint Ingrid. Und „Orange colored sky“ auch. Und „All of me“. Und „My funny valentine“, die Songs sprudeln jetzt nur so aus ihr heraus, ihre Augen glänzen.
Mike spielt gerne die Klassiker, er mag die Genres Swing und Latin Jazz. Und auch Pop-Nummern, wenn sie gut arrangiert sind. Sowie tolle Gesangsnummern, auf die will er nicht verzichten. „Für den Mike singe ich ja alles“, strahlt Ingrid.
Erst Klarinette, dann noch Saxophon
Der Fieberbrunner studierte am Konservatorium in Innsbruck Klarinette und befasste sich viel mit Jazz. Danach wurde er Mitglied der Militärmusik und entschloss sich, ein weiteres Studium anzugehen – Saxophon, als Schüler von Florian Bramböck. 1994 wurde er Musiklehrer an der Landesmusikschule St. Johann und später Leader der Bigand. Er ist heute enthusiastisch wie eh und je, die Pandemie hat seiner Begeisterung für die Musik der Bigband keinen Abbruch getan. Das gelte für alle Bandmitglieder, versichert Ingrid. Die Motivation habe nicht nachgelassen, ganz im Gegenteil: „Seit wir im Sommer ’22 wieder mit dem Proben angefangen haben, sind wir wieder ganz heiß auf unsere Musik“, sagt sie. Der Zusammenhalt in der Gruppe ist groß. „Wir sind alle ein wenig ,oldschool’, alle ein wenig vom alten Schlag, wie es das ganze Genre ist“, sagt sie lächelnd. Quasi zur Sicherung des Nachwuchses lernt ihr Sohn Alessandro, elf Jahre alt, Trompete. Er stelle sich ganz gut an, meint sie lachend.
Endlich wieder auf der Bühne
Drei Jahre lang fiel die „Bigband Night“, das „Frühlingskonzert“ der Bigband, aus, heuer wird sie wieder über die Bühne gehen. Mit vielen Klassikern zum „wieder Einhören“. Darüber hinaus sind übers Jahr eine Handvoll weitere Auftritte geplant, unter anderem beim Bourbon Street Festival in Fieberbrunn. Die Anzahl der Auftritte sind überschaubar „Es soll ja etwas Besonderes bleiben“, so Mike. Wir freuen uns auf jede Anfrage bzw. Auftritt, bei dem wir unseren hervorragenden Bigband Sound zum Besten geben dürfen! „Wir spielen wenig, aber dafür gut! Bei Anfragen könnt ihr euch gerne über unsere Homepage bei uns melden“ Ingrid freut sich auf die Auftritte, und auch auf die Proben. „Wir sind ein so netter Haufen. Nach der Probe ist man immer glücklicher als zuvor, die Musik ist so bereichernd“, schwärmt sie. Weil das so ist, hat Mike in seinem Keller in Fieberbrunn ein Musikzimmer eingerichtet. Seine drei Enkelkinder lieben es, mit ihm dort die Instrumente wie Saxophone, Klavier und Schlagzeug auszuprobieren und schnappen sich gerne das Mikrofon, um den Opa von ihren Gesangskünsten zu überzeugen. Ingrid hat das nicht mehr notwendig, man weiß in der Region und darüber hinaus um ihre stimmlichen Qualitäten. In den seltenen Fällen, in denen sie heute alleine im Auto unterwegs ist, dreht sie die Musik auf und singt „volle Kanne“ mit, wie sie erzählt – Stimmtraining für den nächsten Auftritt mit der Bigband St. Johann.
Doris Martinz