Das junge Kletter-Ass über seine Leidenschaft und erste Erfolge

Für ihre zwölf Jahre ist sie eher klein, und vor allem ist sie sehr zart gebaut. Aber wenn man genauer hinsieht, erkennt man an den Oberarmen einen definierten Bizeps. Da steckt viel Kraft drin. Und dass Hanna Pali noch nie zu den Größten ihrer Altersklasse gehörte, war noch nie ein Hindernis, ganz im Gegenteil: „Ich muss springen, wo andere steigen. Mein Trainier sagt, das kann später einmal von Vorteil für mich sein, weil ich von Anfang an die Technik beherrsche“, erklärt sie selbstbewusst.
Das Klettern ist Hannas Welt, das war schon immer so. Mama Michi, die bei unserem Gespräch daheim am Küchentisch der Familie mit dabei ist, bestätigt: „Hanna ist von ganz klein an überall hinaufgekraxelt, sobald sie dazu in der Lage war, auf den Kachelofen und überall sonst auch.“ Als Mama schaut man da wahrscheinlich nicht immer ganz unbesorgt zu, oder? „Sie war eigentlich immer schon sehr sicher unterwegs. Schon als Kleinkind setzte sie sich in den Kopf, richtig klettern zu lernen“, so Michi. Also meldeten die Eltern ihre Tochter beim Verein an, Hanna wurde mit vier Jahren Mitglied des Kletterteams Wilder Kaiser. Mit sieben Jahren schloss sie sich dem Wettkampfteam an, seitdem darf sie beim Stützpunkt-Training teilnehmen.
Seit 2023 ist Hanna Mitglied des Landeskaders. Einmal in der Woche fahren Michi oder Papa Hannes sie zum Training nach Wörgl, einmal nach Innsbruck, einmal nach Kitzbühel und einmal wird in St. Johann trainiert. „Zirka 18.000 Kilometer sind wir im letzten Jahr für Hannas Sport gefahren“, weiß Michi. „Aber wenn es unsere Tochter glücklich macht, tun wir das gerne.“ Und glücklich ist Hanna wohl. Denn immer, wenn sie vom Klettern erzählt, fangen ihre Augen zu leuchten an, als würde man irgendwo einen Schalter betätigen.
Hannas Bruder Clemens, zehn Jahre alt, kletterte übrigens auch, hat nun aber sein Glück beim Fußball und Eishockey gefunden.

2024 brachte viele Erfolge

Das letzte Jahr lief für die junge St. Johannerin richtig gut. In den Disziplinen „Boldern“ und „Speed“ wurde sie in ihrer Altersklasse Tiroler Meisterin, im „Lead“ Vizemeisterin.
Am coolsten finde sie aber die Bewerbe des Österreich-Cup, so Hanna. Beim „Boldern“ und „Lead“ sowie in der Kombination der beiden Disziplinen brachte sie es 2024 zur österreichischen Vizemeisterin. Die Erfolge brachten ihr die Aufnahme in den Aufbaukaders des Jugendnationalteams. Es wächst also ein weiteres riesengroßes Talent heran in St. Johann.
Was soll das Jahr 2025 bringen? „Ich will vor allem meine Form beibehalten und dass es so weitergeht wie letztes Jahr“, antwortet Hanna. Dass sie in der Klasse U15 heuer zu den jüngsten zählen wird, macht ihr keine Angst. „Da habe ich auch meine Freundinnen“, meint sie. Im Kader kommen heuer noch einige Trainingslager an den Wochen­enden dazu. Was das für die Eltern in Kilometer bedeutet, weiß Michi noch nicht. Sie sieht es ganz entspannt: „Nicht nur die Kinder, sondern die Eltern sind inzwischen zusammengewachsen. Wir sind wie eine große Familie, die sich bei den Bewerben trifft, wir haben eine gute Zeit zusammen.“

Große Vorbilder

Hannas großes Vorbild ist die Slowenierin Janja Garnbret, die doppelte Olympiasiegerin und erfolgreichste Kletterin aller Zeiten.
Ein konkretes Ziel ist für die nächsten Jahre die Qualifizierung für den Europacup. Dafür heißt es „Vollgas geben“ bei den Trainings und „abliefern“ bei den Wettkämpfen. Kein Problem für das Leichtgewicht. Meine Frage, was ihr am Klettern am besten gefällt, antwortet Hanna nämlich: „Ich strenge mich einfach gerne an.“ Gilt das auch für die Schule? „Ja“, antwortet ihre Mutter, „aber sie lernt zum Glück leicht, viel Zeit bleibt ja nicht.“
Nach der Mittelschule will Hanna ins „Sport-Borg“ nach Innsbruck wechseln und dort im Internat bleiben, dann geht es sich mit dem Training besser aus. Und das Familientaxi ist entlastet. Sollte die Leidenschaft zum Sport irgendwann abkühlen, hat Hanna ebenfalls einen Plan: „Vielleicht werde ich dann Trainerin oder Sportpsychologin“, meint sie.
Aber noch brennt die Liebe zum Klettern lichterloh. Es sei zwar ein Einzelsport, und doch fühle sie sich im Team mit den anderen Kletter-Assen sehr wohl, erzählt die Schülerin. „Man hilft sich untereinander“, erklärt sie.
Wenn es die Zeit erlaubt, ist sie gerne mit Freundinnen unterwegs – beim Eislaufen oder Schwimmen oder einer anderen Form der Bewegung. Kino? Nein, das Stillsitzen ist nicht ihres. „Eigentlich hängt sie auch daheim immer irgendwo herum“, meint Michi mit Blick auf die Holzringe, die am Plafond des Wohnzimmers befestigt sind, und lacht.
Ermüdungserscheinungen kennt Hanna nicht. Die Frage, ob sie Lust auf das Training hat, stellt sich gar nicht: „Ich weiß ja, dass es mir gefällt, sobald ich da bin“, sagt Hanna dazu. „Sie ist recht kopfstark“, so die Mutter. Starke Muskeln und starker Kopf – das sind wohl die besten Voraussetzungen für den Erfolg. Wir sind gespannt, was wir von Hanna noch alles hören werden. 

Doris Martinz