Ernst Huber über seine neuen Aufgaben als Direktor der LLA Weitau, über Almträume und die Liebe zu den „Rindviechern“.
Aus dem Lehrerzimmer der LLA (Landwirtschaftliche Lehranstalt) Weitau ist Ernst Huber mit September dieses Jahres in das Büro des Direktors übersiedelt. Der Schreibtisch schaut recht aufgeräumt aus – hat er sich als neuer Direktor der Schule schon gut eingearbeitet? „Der Anfang ist gemacht“, sagt er und lächelt. Der Anfang, von dem er spricht, bringt auch ein Ende, und zwar jenes seiner Funktion als Bürgermeister in Brixen im Thale – er wird bei den Neuwahlen im Februar 2022 nicht mehr antreten. Ist da ein wenig Wehmut aus seiner Stimme zu hören? Auf die Frage folgt ein entschiedenes Nein. Er werde zwar die gute Zusammenarbeit vermissen, vor allem jene mit dem Gemeinderat, aber: „Ich bin hier in der Schule so gefordert, dass ich keine Zeit zum Nachdenken habe.“ Die Tatsache, dass man mit Andreas Brugger (Geschäftsführer des Maschinenrings Kitzbühel) einen guten möglichen Nachfolger für ihn in der Gemeinde gefunden hat, tut ein Übriges: „Die BrixnerInnen werden entscheiden. Aber seitdem Andreas der Kandidatur zugestimmt hat, habe ich ein richtig gutes Gefühl, seitdem bin ich viel ruhiger geworden.“
In der LLA Weitau tritt Ernst Huber die Nachfolge von Franz Berger an, der 40 Jahre an der Schule lehrte und 25 Jahre davon als Direktor die Geschicke des Hauses leitete. Es sind keine kleinen Schuhstapfen, in die der Brixner tritt …
Verantwortung und dienende Position
Schon als Kind interessierte er sich sehr für die Landwirtschaft, wie er erzählt. „Rindviecher sind meine große Leidenschaft“, sagt er. Dabei stammt er gar nicht aus einer Bauernfamilie. „Vorbelastung“ gibt es aber schon: Der Vater des neuen Weitau-Direktors war Geschäftsführer eines Rinderzuchtverbands, und sein Sohn brennend interessiert an allem, was er tat. Er studierte schließlich Landwirtschaft an der „BOKU“ (Universität für Bodenkultur, Wien) und absolvierte danach die Ausbildung an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Ober-St.-Veit bei Wien. 17 Jahre lang war er Lehrer an der LLA Weitau in St. Johann in Tirol – und in dieser Zeit auch Bürgermeister in Brixen – bevor er nun in den Direktionssessel wechselte. Warum? „Weil ich nach dem Ausscheiden als Bürgermeister eine neue Herausforderung gesucht habe“, erklärt Huber. Er sei immer einer gewesen, der sich letzten Endes nicht scheut, Verantwortung zu übernehmen und sehe sich auch in der Schule nicht als „Chef“, sondern in einer dienenden Position. Als die Stelle vakant wurde und es viel Unterstützung seitens der insgesamt 50 LehrerkollegInnen gab, fiel die Entscheidung. „Ich war vielleicht nicht der beste Kandidat, aber ich war der einzige“, sagt er lachend. Natürlich hätte sich irgendjemand für den Posten gefunden, wenn er ihn nicht übernommen hätte. „Aber irgendjemandem wollte ich den Job nicht überlassen, dafür ist mir die Schule viel zu wichtig.“
Als Lehrer waren seine Lieblingsfächer bis jetzt Tierzucht, politische Bildung, Mathematik und vor allem die Praxis. Im Stall, umgeben von den Tieren, ist Ernst Huber ganz in seinem Element. „Da blende ich wirklich den Rest der Welt aus, das taugt mir!“ Viele Jahre lang ging er selbst als Melker auf die Alm und betreute dort bis zu 100 Kühe. „Im Sommer auf der Alm, die andere Zeit Tierzuchtlehrer an der Weitau – das war ein Lebensmodell, das mir sehr gefiel. Wenn es im Herbst zum Heimfahren war und die anderen sich darauf freuten, hatte ich Tränen in den Augen“, erinnert er sich schmunzelnd. Schon seit vielen Jahren war das Senner-Sein mit gleich zwei Berufen nicht mehr zu vereinbaren, „aber irgendwann wird es dann wieder passen“, meint er zuversichtlich. Inzwischen „tröstet“ er sich mit der Alm der Schule: Das Land Tirol hat in den letzen Jahrzehnten im Spertental insgesamt 800 Hektar Almgebiet angekauft, das von der Schule bewirtschaftet wird. Das Thema „Alm“, ein Herzensprojekt, wird ein Schwerpunkt für die nächsten Jahre sein, einer von mehreren:
Schwerpunkte Digitalisierung und breit gefächerte Ausbildung
Nachdem der Betrieb in der LLA Weitau für Huber nicht neu ist, weiß er, an welchen Schrauben es zu drehen gilt, um die Schule gut in die Zukunft zu führen. Die Landwirtschaft erlebe gerade eine Zeit des Umbruchs, so Huber. Nicht nur, was die Förderungen betreffe. Wobei Ernst Huber das Wort Förderungen gar nicht mag, viel lieber spricht er von Ausgleichszahlungen. Denn die Landwirte erbringen für die Gesellschaft und damit für uns alle sehr wichtige Leistungen. Jene werden abgegolten. In welcher Höhe, das wird in der GAP, in der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, für die nächsten Jahre festgelegt. „Wie man zwischen den Zeilen herausliest, wird es für die kleinen Betriebe wesentlich schärfer in nächster Zeit“, so Huber. Er sieht die LLA Weitau nicht nur als Landwirtschaftsschule, sondern als Kämpfer für den ländlichen Raum. „Es gilt, die Nachteile der ländlichen Infrastruktur auszugleichen. Die Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle.“ Die Fortschritte in der Digitalisierung sei einer von ganz wenigen Pluspunkten, die die Pandemie gebracht habe, so Huber. „Ich bin ja selber eher einer von der alten Schule und kein EDV-Freak, aber auch ich habe viel gelernt und festgestellt, dass die digitale Welt auch Spaß machen kann. Natürlich können Video-
meetings nicht das Miteinander im Klassenzimmer oder im Stall ersetzen, aber man hat gesehen, dass es tolle Möglichkeiten gibt, man geht jetzt lockerer an die Thematik heran.“
Die Bauern von morgen fit für „IT“ zu machen, sieht Huber in den nächsten Jahren weiterhin als eine Kernaufgabe der Schule. Schon seit vielen Jahren sei die Digitalisierung ja im landwirtschaftlichen Bereich verankert. Tiermeldungen, Rationsberechnungen, die Auswahl der Stiere, Landtechnikempfehlungen, Einkauf, … vieles läuft bereits über die EDV. „Unser pädagogisches Team ist da sehr gut aufgestellt“, so Huber.
Breite Ausbildung in wichtigen Bereichen
Ein weiterer Schwerpunkt in der Schule wird weiterhin die breite Ausbildung sein. Schon jetzt gibt es vier große Ausbildungsbereiche: Landwirtschaft, Pferdewirtschaft, Betriebs- und Haushaltsmanagement (BHM) sowie die Erwachsenenbildung. Innerhalb dieser Bereiche gibt es viele Schwerpunkte, die eine überaus breite Ausbildung der AbsolventInnen möglich macht. Wenn sie sich beispielsweise im Bereich BHM für den Schwerpunkt „Gesundheit und Soziales“ entscheiden, erwerben sie auch Kenntnisse über die Kranken- und Altenpflege. „Das erleichtert und öffnet später den Zugang zu Pflegeberufen, und das ist enorm wichtig, wie wir alle wissen“, so Ernst Huber. Die LLA Weitau lege auch Grundsteine in der Ausbildung zur Kindergartenpädagogik und für den Einstieg in den Tourismus. „All das sind Bereiche, in denen ein Mangel an Arbeitskräften besteht. Unsere Schule leistet hier wichtige Arbeit.“
Man merkt es ihm an: Ernst Huber ist eng mit der Schule verbunden, er brennt für das, was er tut.
Ihre Vielfältigkeit wird ihm vor allem bei Veranstaltungen wie dem Adventmarkt der LLA Weitau oder dem Tag der offenen Tür bewusst. „Es ist schon eine Freude, mit so vielen jungen Leuten (auch heuer sind wieder über 300 angemeldet) zu arbeiten, da kommt unheimlich viel zurück. Das enge Band, das SchülerInnen und PädagogInnen in der Schule zusammenhält, bleibt bestehen, auch wenn sich ihre Wege trennen. Wenn man Absolventinnen oder Absolventen treffe, sei das immer richtig nett. Man bleibe irgendwie zusammengeschweißt, ein Leben lang. „I bin a Weitauer! Wenn man das sagen kann, ist das ein ganz bestimmtes, gutes Gefühl.“ Jetzt heiße es, am Ball bleiben und schauen, dass alles gut weiterlaufe. „Wenn ich meinen Teil dazu beitragen kann, dann mache ich das gerne.“
Mit Pensionierung und Ruhestand befasst sich der 55-Jährige noch in keinster Weise. Das heißt auch, dass das Thema „Sommer auf der Alm“ noch weiter nach hinten rückt. Kein Problem – es gibt viel zu tun für den „Weitauer“.
Doris Martinz