Michael Grander über die vergangenen Monate und seine Erwartungen für die kommende Zeit.
Michael und ich, hatten ein Date – vereinbart schon vor einem Jahr. Für die Juni-Ausgabe letzten Jahres sprachen wir über Corona und darüber, wie die kommende Zeit wohl werden würde. Die Reiseveranstalter hatten damals bereits alle Buchungen der Gäste aus England und Irland für den Sommer storniert, Michaels Hoffnungen ruhten auf der Wintersaison 2020/21. Wir machten aus, uns genau ein Jahr später wieder zu treffen, um auf die im Frühjahr 2020 noch ungewisse Zeit zurückzuschauen.
Und, wie war es? „Ich habe mir das, was inzwischen passiert ist, nicht einmal im schlimmsten Fall ausdenken können“, gesteht Michael Grander, Obmann der Sparte Gastronomie/Hotellerie des Wirtschaftsforums St. Johann. Dass eine Wintersaison geschlossen bleibt, lag wohl für uns alle außerhalb unseres Vorstellungsvermögens. „Mir stellt’s jetzt noch die Ganslhaut auf, weil ich es immer noch nicht glauben kann.“ Zuerst habe er sich gedacht, OK, dann wird es halt mit Weihnachten nichts, aber am 8. Jänner wird aufgesperrt. „Wir waren vorbereitet, die Präventionskonzepte standen, aber mit diesen Zahlen, …“ Da die Grenzen geschlossen blieben, hätte eine Öffnung ja auch nichts gebracht.
Hut ab vor den Leistungen der Bergbahnen
Die viele freie Zeit nützte Grander unter anderem zum Skifahren. Vor dem, was die Bergbahnen vergangenen Win-
ter leisteten, zieht er den Hut. „Ich bin oft Skifahren gewesen, da sind mir fast die Tränen gekommen. Wenn du dir vor Augen hältst, was alleine der Strom kostet, und dann sitzen ein paar Leute am Sessellift …“ Wäre der Betrieb nach den Semesterferien eingestellt worden, hätte man das verstehen müssen, sagt er. „Das war Dienst am Kunden, am Einheimischen. Ich hoffe, dass die Wertschätzung für den Tourismus nun eine bessere wird.“
Von den Einheimischen habe es in den letzten Jahren immer geheißen, es werde im Ort alles nur für die Gäste
gemacht. Dabei habe man übersehen, dass jene über die Ortstaxe die Infrastruktur mitfinanzieren. Wie jetzt ersichtlich werde, müsste man nach einem Jahr ohne Tourismus wohl vieles zusperren. Denn noch so einen Winter werden sich Bergbahn, Badewelt, Hotels und Restaurants nicht leisten können.
Grander hat derzeit aber noch ganz andere Probleme: Seine beste Mitarbeiterin ist abgesprungen. Nach Monaten in der Kurzarbeit und damit reduziertem Einkommen hat sie schweren Herzens im März einen Job in einer völlig anderen Branche angenommen. Michael versteht das. Er kann nachvollziehen, wie es den MitarbeiterInnen in der Gastronomie/Hotellerie geht. Als Arbeitgeber kommen schwierige Zeiten auf ihn und seine Kollegen zu. Man habe in den letzten Monaten ja auch keine Lehrlinge ausgebildet. „Da gibt es bis jetzt noch keine Lösung.“ Auf jeden Fall müsse man sich wohl auch in diesem Bereich umstellen, den MitarbeiterInnen mehr Anreize schaffen. „Wir müssen ihnen etwas bieten, umdenken ist angesagt“, weiß Grander.
Keine großen Sprünge
Im letzten Sommer war sein Haus meist nicht einmal halb voll. Das Betriebsergebnis sei trotzdem OK gewesen, weil nur die Stammmitarbeiter und die Familie im Einsatz waren, so sei man über die Runden gekommen. Alles in allem sei die Sommersaison 2020 besser gelaufen als befürchtet. Das Hotel Fischer konnte einige Österreicher als neue Gäste gewinnen – sie haben heuer wieder gebucht. Große Investitionen jedoch könne man nicht machen, dafür fehle einfach das Geld.
Wie es heuer wird, ist noch ungewiss. Der Großteil von Granders Gästen aus Irland und England sei zwar schon durchgeimpft. Er weiß das, weil er mit ihnen in engem Kontakt steht. Aber sie durften zumindest bis Mitte Mai ihr Land nicht verlassen. „Jetzt müssen wir in Österreich schauen, dass wir die Zahlen noch weiter hinunterbringen, und dass mit dem Impfen etwas weitergeht.“
Der Hotelier denkt bereits an den Winter und überlegt, welche Gäste er dann in sein Haus lässt. Nur die Geimpften? Wie sollte er sonst die Verantwortung für die anderen Gäste und seine MitarbeiterInnen übernehmen? Es sind noch viele Fragen offen. „Noch einen Ausfall überstehen wir nicht. Auch, wenn uns die Zahlungen durch den Staat wirklich geholfen haben.“ Als Obmann-Stellvertreter (Sparte Gastronomie) der Wirtschaftskammer Tirol hat Grander im Jänner an einem Zoom-Meeting mit Bundeskanzler Sebastian Kurz teilgenommen. „Die haben sich wirklich für unsere Anliegen interessiert und auf die Praktiker gehört.“ Dennoch werde es wohl nach der Krise Wirtshäuser geben, die leerstehen.
Gegenseitiges Vermissen
Grander sagt, er trage das Gastgeber-Gen in sich, er brauche die Leute um sich herum. Er habe ein Jahr lang keinen englischen Gast gehabt und wisse gar nicht, ob er überhaupt noch englisch reden könne, meint er scherzend. Ein geschlossener Betrieb zermürbe und belaste die Psyche, das gehe auch seinen Branchenkollegen so, mit denen er in regem Austausch per Zoom steht. Man sehne sich nach den Gästen, und die Gäste sehnen sich nach ihren Gastgebern. Damit das gegenseitige Vermissen baldigst ein Ende hat, hat Grander am 19. Mai sofort Bar und Hotel aufgesperrt.
Als ich ein paar Tage danach anrufe und frage, wie es läuft, kann ich in seiner Stimme das Strahlen in seinen Augen hören. „Hervorragend, ganz hervorragend“, ist seine Antwort. „Ein perfekter Start, es könnte gar nicht besser sein.“ Allerdings kämen vorerst (zu Pfingsten) fast nur jüngere Leute bis Mitte Dreißig, die älteren vermisse er noch. „Vielleicht sind viele über die Feiertage weggefahren“, mutmaßt Grander. Aber die anderen seien fleißig unterwegs. Das Testen funktioniere sehr gut, die Nachweise (gestet, geimpft oder genesen) würden ohne Umstände vorgewiesen. Die Disziplin sei hoch. „Ich habe nicht geglaubt, dass es so easy geht.“ Wenn jemand kurzentschlossen einkehren will, bietet Grander einen Schnelltest vor Ort an, der dann nur für den Aufenthalt bei ihm gilt. Auch diese Möglichkeit werde genutzt.
Die Stimmung sei ausgelassen, beschreibt es Grander. Man sei froh und dankbar, sich endlich wieder treffen, zu können, wieder „unter die Leute“ zu dürfen. Schade, dass zu Pfingsten das Wetter nicht mitspielt und der Außenbereich deshalb nicht im vollen Ausmaß genutzt werden kann. Der Motivation der Gäste tut das aber in den ersten Öffnungstagen keinen Abbruch. Kontrolliert wird von der Exekutive in erster Linie das Einhalten der Sperrstunde, sonst bleibt man in der Gastronomie unbehelligt.
Warten auf die Engländer
Auch seine Hotelgäste kann Grander testen, das Ergebnis gilt dann 48 Stunden lang. Gibt es denn schon Hotelgäste? „Ja, eine Gruppe Österreicher ist da zum Radfahren“, erzählt er, und wieder strahlt seine Stimme. Ein Gastgeber, der endlich wieder in seinem Element ist.
Auf seine englischen Gäste jedoch muss er noch warten. Aufgrund des Auftretens der „indischen Mutation“ hat man den ersten Flug verschoben auf Ende Juni. Doch abgesagt wie letztes Jahr ist der Sommer keinesfalls.
Als Gastgeber werde man sich umstellen müssen, so Grander. Schon in den letzten Jahren habe sich abgezeichnet, dass immer kurzfristiger gebucht wird, dieser Trend wird sich verstärken. Man werde bis kurz vor der Anreise eine kostenlose Stornierung anbieten müssen. „Man muss es den Gästen so einfach wie möglich machen, zu uns zu kommen.“
So ungewiss der Verlauf der Sommersaison noch ist, so „sensationell“ schaue es für den kommenden Winter aus, verrät Grander. Jene, die heuer stornieren mussten, haben bereits wieder gebucht.
Darin sieht Grander das Positive in der Situation: Wenn es wieder läuft, wenn wieder Gäste kommen dürfen, geht es in der Region wieder bergauf, wir werden uns schnell erholen.
„Wir haben ein Top-Produkt“, erklärt Grander. „Gerade in Zeiten wie diesen wird es uns zugute kommen, dass wir ein kleines Skigebiet haben, viele familiengeführte Häuser, dass wir in geografischer Nähe zu Deutschland liegen.“ In Zukunft soll die Anreise per Bahn noch attraktiver werden, an Konzepten wird gemeinsam mit dem TVB gearbeitet. „Unsere Natur, die Sicherheit, das alles wird sich bewähren.“ Wichtig sei, dass jetzt die Gastgeber nicht den Kopf hängen lassen und jammern, so Grander, denn das wolle keiner hören. „Ich bin voller Optimismus. Es wird alles wieder werden, nur die Rahmenbedingungen werden anders sein, und wir müssen uns anpassen.“
Unterstützung für die Gastronomie und Hotellerie kommt auch vom Ortsmarketing und Wirtschaftsforum, die Zusammenarbeit klappt hervorragend. „Die Wertschätzung für den Tourismus ist in den letzten Jahren stark gesunken. Ich hoffe, das ändert sich wieder“, meint Grander abschließend. „Wie sich herausgestellt hat, ist nicht alles selbstverständlich.“
„Aber in einem Jahr treffen wir uns nicht mehr, einverstanden?“, sagt er noch scherzend. Schade eigentlich, denn ich unterhalte mich jederzeit gerne mit Michael Grander. Doch 2022 wird ein Gespräch hoffentlich unter anderen Voraussetzungen stattfinden, das Thema ein anderes sein. Darauf freue ich mich.
Doris Martinz