Über Sorten und Geschmäcker, „Drinkability“ und die Bierfolge zum herbstlichen Menü.
Wie bringt man einen Braumeister auf die Palme? Indem man von der Kulinarik des Herbstes spricht, vom Wein und wie wichtig es ist, den Rebensaft passend zur Speise zu wählen. Und davon, dass beim Bier quasi eh alles geht. Weil: Bier ist Bier.
Hannes Langreiter wechselt die Gesichtsfarbe und schaut ungläubig. Ha, Scherz! Natürlich gibt es beim Bier viele verschiedene Sorten, Geschmacksrichtungen und Nuancen, wie beim Wein hat auch das Hopfengetränk seine Sommeliers, der Braumeister bei Huber Bräu in St. Johann ist ja ein solcher. Ein Diplom- Biersommelier sogar.
Wie ging es der heimischen Brauerei in den letzten Wochen und Monaten? Auch Huber sei von der Corona-Krise sehr betroffen gewesen, weil von März bis Mai ja die Gastronomie ausfiel, berichtet Langreiter. Im Gegensatz zu den großen Brauereien lukriert Huber rund 70 % seiner Umsätze in den Gaststätten der Region. Im Sommer fehlten zudem die Feste, „aber das geht anderen auch so“, sagt der Braumeister. Derzeit werde volle Kapazität gefahren, um die Nachfrage zu bedienen. Das Bier, es fließt wieder. Aber wie lange, und in welchem Ausmaß? „Ich sehe dem Winter schon mit etwas Sorge entgegen“, gesteht der Langkampfner. Denn noch bevor der Schnee fällt, müssen sich die Hütten am Berg mit Vorräten eindecken. Was sie nicht verkaufen, geht an den Brauer zurück, jener trägt damit das volle Risiko – das ist in diesem Geschäft so üblich. Was, wenn die Hütten mitten in der Wintersaison zusperren müssen oder deutlich weniger los ist?
Der lange Weg zum Diplombraumeister
Huber Bräu hat schon entspanntere Zeiten erlebt, und damit auch der Braumeister. Hannes Langreiter absolvierte die Lehre zum Chemieverfahrenstechniker, bevor er sich entschloss, seinen Traum wahr zu machen und Bierbrauer zu werden. „Mit 15, 16 Jahren ist Bier halt ein spannendes Thema, das mich schon immer fasziniert hat.“ Als Musikant verfügte er zudem auch über einige praktische Erfahrung – zumindest beim Biertrinken. Nach dem Lehrabschluss versuchte er bei 50 Brauereien in Österreich und Deutschland, einen Lehrplatz zu bekommen – ohne Erfolg. Nachdem der praktische Zugang verwehrt schien, entschloss er sich, die Abendmatura abzulegen und sich dem Thema eben über ein Studium zu nähern. Nach zwei Jahren kam dann plötzlich die Chance: Ihm wurde eine Lehrstelle bei einer bekannten Brauerei in St. Pölten angeboten. Langreiter nützte die Möglichkeit, schloss nach zwei Jahren die Brauerlehre ab und beschloss, gleich auch noch das Studium des Brauwesens dranzuhängen. Allerdings akzeptierte man an der Technischen Universität in München die Abendmatura nicht, weshalb der ungeduldige Brauer zuerst noch ein Jahr lang in Wien an der BOKU studieren musste, um im Jahr 2011 endlich zum Studium zugelassen zu werden. Nach drei Jahren des Pendelns zwischen München und Langkampfen wird Langreiter auf den Abschluss und den Titel „Diplombraumeister“ wohl ein paar Bierchen getrunken haben … Er grinst und nickt. Danach ging es für den frischgebackenen Bierprofi für ein Jahr nach Ingolstadt in eine kleine Brauerei, bevor ganz unverhofft bei Huber in St. Johann die Stelle des Braumeisters frei wurde. Die Chemie zwischen dem 36-Jährigen und seinem neuen Chef Günther Huber stimmte auf Anhieb: „Die Leidenschaft fürs Bier verbindet!“
Kostprobe
13 verschiedene Sorten braut Langreiter für Huber, unter ihnen die Hauptsorten „St. Johanner Original“, das „Spezial“, das „Tiroler Hefeweizen“, den „Augustinus“, das
„Tiroler Dunkel“, das „Meisterpils“ … Das ist mein Stichwort. Ein Schluck Pils wäre jetzt genau das Richtige! Langreiter hat es natürlich griffbereit, er serviert es im Verkostungsglas. Herrlich! Genau so soll ein Pils schmecken, finde ich. Bevor der Bier-Kenner einen Schluck nimmt, schwenkt er sein Glas, hält es gegen das Licht, um Farbe und „Perle“ zu begutachten, riecht dann am Glas und trinkt erst dann einen Schluck. Ich, Banause, habe mein Glas schon halb geleert.
Wie kommt es eigentlich, dass bei Verwendung der immer gleichen vier Zutaten Wasser, Hopfen, Malz und Hefe so viele unterschiedliche Biere zustande kommen? Was ist Langreiters Geheimrezept? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Die Leidenschaft für Bier!“
Am meisten Einfluss auf den Geschmack habe das Wasser, erklärt Langreiter. Kalkhaltiges Wasser macht kräftige, starke Biere, weiches Wasser feine, leichte. Heute sei es einfach, Wasser zu enthärten, um den gewünschten Effekt zu erzielen, früher war das unmöglich. Jede Region hatte deshalb immer schon ihr ganz eigenes Bier. Hatten die Brauer auch schon ihre eigenen Gläser? Ja!
Denn nicht nur beim Wein, auch beim Bier spielt das passende Glas eine wichtige Rolle. Ein „schlankes“ Bier mit wenig Restzucker wie das Pils serviert man am besten in einem schlanken Glas. Je kräftiger das Bier ist, desto schwerer und dickwandiger kann das Glas sein. Deshalb kommt das Oktoberfest-Bier auch in dicken Krügen daher. Wichtig ist auch die Trinkkante: Eine scharfe Kante bringt die Kohlensäure mehr zur Geltung als eine runde. Soll das Bier perlen wie Champagner, ist deshalb eine scharfe Kante gefragt – zum Beispiel für das Pils.
Weil wir gerade beim Bierglas sind: Es gehört nicht in den Geschirrspüler, das ist für Langreiter ganz klar. Bei der maschinellen Reinigung bleibt nämlich viel Klarspüler am Glas haften – das ist mit freiem Auge nur nicht zu sehen. Das Glas vor dem Einschenken mit kaltem Wasser auszuspülen ist daher ein Muss. So bleibt der Schaum länger erhalten.
Die richtige Bierfolge
Und welches Bier passt nun zur herbstlichen Küche? Generell, so Langreiter, könne man zum Beispiel Gleiches mit Gleichem kombinieren: Süßes mit Süßem, Fruchtiges mit Fruchtigem. Je intensiver die Aromen, desto intensiver das Bier. Zum dunklen Fleisch passt dunkles, zum hellen Fleisch helles Bier. Gekochter Fisch schwimmt gerne in einem hellen Weißbier oder Lagerbier (Original) am Gaumen, gebratener Fisch hingegen eher in dunklem Lager (wie Augustinus). Und wenn man im Zweifel sei, was harmoniert, dann greife man am besten zu einem Zwickel, rät Langreiter. Ein Zwickel passt immer und überall.
Man kann aber auch bewusst Kontraste setzen und üppige Speisen mit einem leichten Bier, sehr süße mit trockenem oder herbe Gerichte mit einem „weichem“ Bier kombinieren. Gewissen Speisen kann man mit Bier „die Spitze nehmen“ – Chilli wird zum Beispiel mit einem India Pale Ale milder.
Beim Menü mit Bierfolge serviert man vorzugsweise ein Pils als Aperitif, wählt zur Hauptspeise je nach Fleisch- oder Fischsorte und schließt zum Dessert mit dem stärksten Bier als Digestif ab. Immer mehr Gastronomen in der Region bieten inzwischen Menüs mit Bierfolge an – aber auch daheim bereitet es viel Genuss, eine Biersorte auf die andere folgen zu lassen. Prost, es lebe die Vielfalt!
Dass es so viele „Etikettentrinker“ (Leute, die immer nur „ihre“ Biermarke trinken) in unserer Region gebe, bedauert der Braumeister sehr. Dabei sei die Auswahl doch so groß! Und außerdem: „Es gibt so gute Biere in Tirol, warum sollte man nur die großen Konzerne unterstützen? Es gehört mehr regionales Bier getrunken, und zwar nicht nur Huber Bräu!“, sagt Langreiter eindringlich und setzt nach: „Der Preis kann doch nicht das einzige Kriterium sein!“ Er schüttelt den Kopf.
Ein Lieblingsbier hat Langreiter nicht. Ihm schmeckt, was zum jeweiligen Moment passt. Einen Lieblingsmoment hat der Braumeister aber schon: Vor einigen Monaten kam sein Sohn Valentin zur Welt. Nach der Geburt machte er für sich allein daheim am Küchentisch eine Flasche Bier auf, ein Spezial – für den ganz speziellen Augenblick. Es half, die bewegenden Eindrücke zu verarbeiten. Jeder Schluck war etwas Besonderes.
Es muss leicht fließen
Was macht ein gutes Bier aus? Dass es eine gute „Drinkability“ hat, antwortet Langreiter. Darunter versteht man, dass das Getränk leicht durch die Kehle fließt und man Lust auf ein weiteres bekommt. Je höher die Drinkability, desto größer das Verlangen, sich gleich noch ein Bierchen einzuschenken.
Früher war der Hopfentrank eine Art „Grundnahrungsmittel“, der den hohen Energieverbrauch der schweren täglichen Arbeit ausglich. Das hat sich natürlich geändert. Dennoch behauptet Hannes Langreiter abschließend mit einem Augenzwinkern – frei nach Professor Narziß, einem deutschen Brauwissenschaftler: „Ein Tag ohne Bier ist ein Gesundheitsrisiko!“
Doris Martinz