Der frisch gewählte zweite Vizebürgermeister Peter Wallner über heikle Themen wie den Umgang mit Spekulanten und mehr.
Er bestellt ein Bitter Lemon, gespritzt auf eine „Halbe“. Auf meinen fragenden Blick hin erklärt Peter, dass das sein Lieblingsgetränk sei und er es in den Gasthäusern meist schon ungefragt auf den Tisch gestellt bekomme. Seit vielen Jahre trinkt er keinen Alkohol mehr. Warum? „Ganz einfach: Ich habe zu viel getrunken und bin abgesprungen, bevor es zu spät war“, erzählt er frei heraus. Zuerst sei der Verzicht auf Alkohol nur ein Versuch gewesen. Das Ergebnis habe sich aber so gut angefühlt – „körperlich, vor allem aber auch geistig“ –, dass er dabei blieb. Sein Umfeld habe sich rasch daran gewöhnt, das sei kein Problem gewesen, sagt der überaus gesellige Lehrer, Obmann des Volleyball-Vereins und neue zweite Vize-Bürgermeister. „Dafür rauche ich wie ein Schlot“, meint Peter und lacht herzlich.
Bei der Gemeinderatswahl im Februar dieses Jahres war er in St. Johann als Bürgermeisterkandidat angetreten. In der Gewissheit, dass das Amt auf jeden Fall an Mitbewerber Stefan Seiwald gehen würde. Das sagte er auch bei einem Interview in der TV-Sendung „Tirol heute“. Die Reporterin war von seiner Offenheit überrascht und bot ihm die Gelegenheit, seine Antwort auf die Frage, wer Bürgermeister in der Marktgemeinde werden würde, noch einmal neu zu formulieren. Bei der zweiten Einstellung zeigte Peter mehr Selbstbewusstsein und nannte seinen Namen. Dieses Interview brachte Peter Wallner viele Sympathien ein. Und mit dem Ergebnis der Wahl hat Peter ohnehin kein Problem: „Ehrlich gesagt, ist es gut so, dass Stefan Ortschef geworden ist. Mit fünf Mandaten wäre es schwierig, sich gegen eine schwarze Mehrheit durchzusetzen.“
Immer schon „rot“
Peter war, wie er selber sagt, immer schon „rot“. Er und seine drei Geschwister sind Kinder einer Arbeiterfamilie. Er habe die typische „Kreisky-Karriere“ hingelegt, wie er es formuliert: „Als ich in die Volksschule kam, gab es die Gratis-Schulbuch-Aktion, das bleibt mir in Erinnerung. In der Studienzeit gab es Beihilfen und Unterstützungen, sodass ich und alle meine Geschwister studieren konnten. Das ging wirklich nur bei Kreisky. Das sind meine Wurzeln.“ Parteimitglied der SPÖ sei er allerdings erst seit ein paar Jahren, so Peter. Zur Gemeindepolitik sei er durch die Spaltung der „Roten“ vor ein paar Jahren gekommen. 2010 eröffnete er gemeinsam mit Christl Bernhofer eine eigene Liste und machte auf Anhieb zwei Mandate. 2022 trat man wieder gemeinsam mit der SPÖ an und holte gleich fünf Mandate – mehr als erhofft. Überraschung war es dennoch keine, denn: „Wir haben eine unglaublich lässige Truppe, sehr gute Leute, die ihr Wissen und Können in den Dienst der Sache stellen. Wir haben in den letzten Jahren schon viele kleinere Projekte gemacht, davon habe ich sicher profitiert.“
Dass die „linke Seite“ in St. Johann ein Zeichen setze, das freue ihn schon sehr, meint Peter. Er wisse, dass es auch ÖVP-Wähler gebe, denen es gefällt, dass es eine zweite starke Gruppierung gibt im Ort. Die Zusammenarbeit mit Stefan und der ÖVP klappt ja auch sehr gut. Peter hat eine hohe Meinung vom Ortschef: „Ich habe einen unglaublichen Respekt vor ihm. Er hat eine tolle Arbeitsweise und geht weg von der Spalterei. Er bindet alle ein; wenn du willst, kannst du vieles machen in St. Johann, auch als Einzelperson.“
Dass man in den Positionen nicht immer übereinstimme, sei klar, und das wissen auch beide. Aber es sei ein respektvolles Miteinander in der Gemeindestube. Was würde Peter als Bürgermeister anders machen? „Ich würde vielleicht andere Schwerpunkte setzen. Vor allem bei den Themen, die wir im Wahlkampf angesprochen haben, wohlwissend, wie schwer das alles umzusetzen ist. Dennoch muss man es angehen, zum Beispiel das brennendste Thema Wohnen.“ Das sei auch dem Bürgermeister bewusst, so Peter. Der Bereich sei so schwierig, weil man da über Jahrzehnte denken müsse. „In St. Johann haben wir das über fünfzig Jahre verhaut, das ist gar nicht böse gemeint. Aber dass die Preise heute sind, wo sie sind, haben wir selber gemacht. Da sind ja nicht irgendwelche bösen Mächte im Spiel, sondern es sind einige Leute ganz schön reich geworden mit Spekulationen. Bis man das wieder umdreht, das dauert.“ Für Peter kommt hier seine soziale Position zum Tragen, vielleicht sei sie schon mehr als sozial und gehe noch weiter links. Die Vertragsraumordnung, über die die Gemeinde in das Eigentum von Grundstücksbesitzern eingreifen kann, würde er eventuell stärker nützen. „Ich wäre da unerbittlicher. Grund und Boden ist für mich nicht unbedingt unbegrenzt Privateigentum, muss ich sagen.“ Das Grundstück, auf dem Haus oder Hof stehen, sei natürlich ausgenommen. „Aber die landwirtschaftlichen Gründe, darüber muss man diskutieren, und das dauert Jahrzehnte.“ Peter erklärt, dass in Italien Bauern noch in den 60er Jahren das Land für den Staat bestellt haben, nur ein kleiner Teil des Landes war Privateigentum. So etwas könne er sich vorstellen, aber dazu brauche man natürlich die rechtlichen Rahmenbedingungen. Das ist nicht Gemeindepolitik, aber die Thematik zeigt auf, in welche Richtung Peters Weltbild geht. Dem Marxismus könne er einiges abgewinnen, sagt er. „Verkehr, Energie, Müll, Straßenbau, Wohnungen, Grundstücke, da gehört meiner Meinung nach viel mehr verstaatlicht. Die Privaten sollten weniger Eigentum haben. Das passiert sicher nicht von heute auf morgen, aber früher oder später geht es nicht anders.“
Es Spekulanten schwer machen
Peter Wallner will Mechanismen schaffen, die es möglich machen, Spekulationen stark einzuschränken. Als Beispiel nennt er das Chalet-Dorf „Kitz Alpen Resort“. „Ich will niemandem schlechte Absichten unterstellen, aber wir hatten solche Projekte schon, und inzwischen sitzen in den Chalets Zweitwohnungsbesitzer drin.“ Wenn es nach Peter geht, müsste bei solchen Projekten mehr Widerstand geleistet werden, um Spekulanten abzuschrecken. „Wenn sie merken, in St. Johann stellen sich manche quer, kommen vielleicht weniger von ihnen. Da wäre ich radikaler.“
Beim Verkehr lautet seine Maxime: „Man sollte nicht neue Projekte bauen, sonst zieht man Verkehr an.“ Er stellt sich auch die Frage, wieviel Geld man überhaupt noch in den Verkehr „buttern“ sollte. Peter schwebt vor, in den nächsten sechs Jahren ein Regional-Verkehrs-Konzept umzusetzen mit Bahn, Bus und Rad. „Das ist nicht billig. Aber es kostet nichts im Vergleich zu neuen Tunneln oder Straßenbau. Wir sollten die Leute so gut wie möglich aufs Rad bringen und aktuelle Bestrebungen noch verstärken.“
In vielen Punkten sei man sich im Gemeinderat einig. Gemeindepolitik habe nicht immer etwas mit Ideologie zu tun: „Ich sehe das demokratisch und schimpfe nicht über das Wahlergebnis. Wenn eine Partei so lange schon die absolute Mehrheit hat und jetzt wieder, dann ist das ein Zeichen dafür, dass die Leute zufrieden sind mit dem, was sie macht. Das muss man schon einmal sehen.“ Es brauche aber auch andere Ansätze, zum Beispiel für die Jugend, gerade hier habe sich die SPÖ in den letzten Jahren verdient gemacht.
„Jetzt müssen wir liefern!“
Dass das Wahlergebnis für Peter die Ernennung zum zweiten Vizebürgermeister brachte, kam, wie gesagt, dann doch überraschend und freut ihn sehr. Er vertrat die Gemeinde inzwischen schon bei einigen Veranstaltungen und fühlt sich sehr wohl in seiner Rolle. Als er von der Jahreshauptversammlung der Feuerwehr erzählt, vom beeindruckenden Kameradschaftsgeist und den vielen Ehrungen, zündet er sich endlich seine erste Zigarette an. Das neue Amt bringe viele schöne Begegnungen – aber auch deutlich mehr Zeitaufwand, so Peter. Deshalb wird er in der Schule reduzieren: „Ich werde heuer 59 Jahre alt und kann in Altersteilzeit gehen, sonst wird mir das alles zu viel. Die Gemeinde ist mir ungemein wichtig. Die Wahl ist vorbei, und die Leute erwarten etwas. Jetzt müssen wir liefern!“
Nach dem guten Ergebnis bei der Gemeinderatswahl hat natürlich hat auch die Landespolitik bei Peter angeklopft. Vergeblich: „Beides geht nicht, und die Gemeinde ist mir wichtiger.“ Als wir das Lokal verlassen, nickt Peter den Menschen an dem einen oder anderen Tisch zu. Er lächelt breit. „Das ist ein schöner Nebeneffekt“, meint er. „Es gibt jetzt mehr Leute, die mich kennen und freundlich grüßen. Ich spüre da viel Wertschätzung. Das mag ich sehr, das motiviert mich ungemein.“
Doris Martinz