DER INFORMATIKER CHRISTOPH HOLZ ERKLÄRT, WOMIT MAN IM „REICH DER MITTE“ KÄMPFT.
Das menschliche Gehirn ist so groß, damit viel Angst drin Platz hat“, meinte Christoph bei unserem letzten Gespräch ironisch. Und er hat ja recht – wir fürchten uns viel in diesen Tagen. Unter anderem vor China, das aufgrund seiner Überlegenheit bei Digitalisierung und Technik – so scheint es zumindest – bald die ganze Welt beherrschen werden. Die „Gelbe Gefahr“ als Bedrohung in der Neuzeit – ist sie real? Digitalisierung und Technik sind Christophs Themen, mich interessiert die Meinung des St. Johanners dazu. Sollten wir uns wirklich vor Chinas Einfluss fürchten? Auch im Bezirk Kitzbühel sind auf den Straßen ja immer mehr E-Autos „made in China“ anzutreffen. Von den tausenden anderen Gütern aus dem Reich der Mitte, die sich unmerklich in unseren Alltag geschlichen haben, ganz abzusehen …
Sanktionen gegen China
„China mag gerade die Führung eingenommen haben bei der Produktion von Elektroautos. Das tut der westlichen Wirtschaft natürlich weh“, meint Christoph. „So ein Elektroauto ist im Grunde aber ein ganz banales Produkt. Bei der Künstlichen Intelligenz (KI) hinken sowohl China als auch Russland der westlichen Welt gewaltig hinterher“, weiß er. Deshalb, so der Informatiker, können chinesische Autos nicht autonom fahren. Er nennt auch den Grund dafür: „Diese Länder haben keinen Zugang zu den Grafikkarten von Nvidia.“ (Anmerkung der Redaktion: Die Nvidia Corporation ist einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Personal Computer, Server und Spielkonsolen. Der Hauptsitz liegt in Santa Clara, Kalifornien.) „Sanktionen sollen sicherstellen, dass Peking bei der Schlüsseltechnologie nicht zum Westen aufschließen kann. Das – und nicht primär der Abbau von eigenen Abhängigkeiten – ist auch der Grund, weshalb die USA so sehr an Taiwans Unabhängigkeit interessiert sind.“ Der taiwanesische Auftragsfertiger TSMC produziert die weltweit fortschrittlichsten Chips – er darf diese nicht an China liefern. In den Niederlanden werden hoch spezialisierte Maschinen hergestellt, die man für die Chip-Produktion benötigt, auch diese dürfen nicht nach China exportiert werden. „Washington will damit verhindern, dass hochentwickelte Technologie in chinesische Hände gerät. Und damit auch, dass das chinesische Militär mit KI aufmunitioniert.“
Der lange Weg zu Chips
Man gehe davon aus, so Christoph, dass China in zwei, drei Jahren nicht einmal mehr die Chips haben wird, um damit die Waschmaschinen zu bestücken, die das Land auf dem internationalen Markt anbietet. Der Staat sei natürlich dabei, eine eigene Chip-Produktion aufzuziehen – das nehme aber Jahrzehnte in Anspruch. Auch in Europa arbeitet man daran. „In der EU die europäische Unabhängigkeit in der Chip-Produktion zu erreichen, ist ein riesiges Projekt. Das sind unglaublich aufwändige Prozesse, bis das funktioniert.“ Der gebürtige Wörgler Hermann Hauser, ein Cousin des „Stanglwirts“, sei federführend daran beteiligt, weiß Christoph. „Ohne Tiroler Beitrag wäre die globale Smartphone-Revolution so nicht denkbar gewesen.“
Die Komplexität des Projekts erkläre auch, warum man während der Pandemie, als es zu erheblichen Lieferschwierigkeiten gekommen war, nicht gleich selbst im Westen ein paar Werke errichtet habe.
„Die nächsten Generationen werden in dieser Hinsicht gut versorgt sein“, so Christoph. China habe in den letzten Jahrzehnten Wohlstand für die Mittelschicht geschaffen, das gehe vorbei. „Das tut mir leid für die Menschen.“
Chinas Hauptproblem sei seine extreme Abhängigkeit von lebenswichtigen Importen in vielen Bereichen. Auch geht die Bevölkerung aufgrund der Ein-Kind-Politik immens zurück. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht: „Früher durften die Chinesen nicht mehr Kinder haben, heute wollen sie nicht, weil die Immobilienpreise so enorm hoch sind“, weiß Christoph. „Wohlstand ist das beste Verhütungsmittel!“
China kämpfe darüber hinaus mit einer Reihe weiterer Probleme, zum Beispiel mit Korruption. Das sei ganz normal für totalitäre Regime, so Christoph. Manche seien der Meinung, dass China Taiwan spätestens im Jahr 2027 angreifen werde. „Das Verschwinden des Außenministers und des Verteidigungsministers im letzten Jahr weisen allerdings darauf hin, dass China weder verteidigungs- noch angriffsfähig sein könnte.“ Denn die Chinesische Führung beute ihr Volk aus, das funktioniere nur für einen gewissen Zeitraum. Danach brauche es für den Erfolg die Kooperation, und dazu seien totalitäre Regime nicht in der Lage.
Außerdem tue sich, so Christoph, so ein Regime sehr schwer mit Innovation. Denn alles Neue, von der Norm Abweichende werde in einem Überwachungsstaat wie China sofort zum Risiko. „Echte Innovation ist hier viel zu riskant.“ Das habe selbst der Gründer des extrem erfolgreichen Interntekonzerns Alibaba, Jack Ma erkennen müssen, den die Regierung für mehrere Monate verschwinden ließ. „Im Kopieren und Verbessern sind chinesische Firmen Weltspitze, echte Innovation darf man nicht erwarten.“
So kommt Christoph Holz zu seinem Schluss: „Von China ist meines Erachtens nichts mehr zu befürchten.“ Mehr von ihm in der nächsten Ausgabe. Bleibt dran!
Doris Marinz